Seit heute, 31. Juli, ist Turgut Kaya frei. Mehr Informationen bei https://partizan-online.net/direnis-ve-dayanisma-kazandi-turgut-kaya-artik-ozgur/ oder https://www.facebook.com/FreeTurgutKaya/
Monthly Archives: July 2018
Griechenland: Pola Roupa zu lebenslänglich + 25 Jahren verurteilt
Das Urteil im Prozess gegen Pola Roupa, Militante des Revolutionären Kampf, wegen den Angriffen gegen die Griechische Nationalbank und die Büros des Internationalen Währungsfonds in Athen in 2014 ist gefällt worden. Es lautet lebenslange Haft plus 25 Jahre wegen “Führung einer terroristischen Organisation” und “physische Anstiftung” zur Umsetzung der Aktionen. Dieser Prozess weist zwei Elemente auf, die ihn im Vergleich zu den vorhergehenden “Anti-Terror” Prozessen in Griechenland unterscheiden.
Gemäss dem Ankläger wäre der Angriff, welcher die Front der Griechischen Nationalbank zerstörte, total geglückt und hätte der Sprengstoff das ganze Gebäude schlicht und ergreifend zerstört, wenn die Wache nicht Zeit gehabt hätte, die metallenen Storen zu senken. Daraus hätte der Zusammenbruch des griechischen Bankensystems resultieren können und – angesichts des Zeitpunkts der Aktion – ein Zusammenbruch des griechischen Wirtschaftssystems. Es ist das erste Mal, bei dem ein Staatsanwalt die möglichen Folgen der Aktionen des Revolutionären Kampf derart anerkennt (ein Minister hatte dies zuvor bereits im Rahmen eines Interviews getan). Üblicherweise negieren die Staatsanwälte bei solchen Prozessen sämtliche politischen Folgen bewaffneter Aktionen (effektive wie tatsächliche) und diese Negierung ist die Grundlage auf welcher die Einschätzung als “politisches Verbrechen”, welche durch die griechische Verfassung vorgesehen wird, ruht.
Die zweite Neuerung in diesem Prozess ist, dass der Staatsanwalt die Verurteilung von Pola Roupa wegen dieser beiden Aktionen nicht wegen ihrer persönlichen Beteiligung erreicht hat, sondern als “Anführerin” des Revolutionären Kampf und “Anstifterin” zu diesen Aktionen.
Quelle: https://secoursrouge.org/Grece-Pola-Roupa-condamnee-a-la-prison-a-vie-25-ans
Turgut Kaya: Interview mit Betül Kaya (Partizan)
Könnt ihr uns etwas über die politische Geschichte von Turgut Kaya erzählen?
Turgut Kaya wurde als Student, während seiner politischen Arbeit für die demokratischen Rechte der Studenten, das erste Mal vom faschistischen türkischen Staat festgenommen. Nach zweimonatiger Inhaftierung im Bayrampasa Gefängnis wurde er entlassen. 1994 wurde er wiederum wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ festgenommen. Während dieser Zeit hat der Staat seine Festnahme verleugnet, damit die Öffentlichkeit ihn aus den Augen verliert. Nach Tagen unter schwerster Folter wurde er schlussendlich inhaftiert.
Nach 3 Jahren Haft wurde Kaya entlassen und er hat seine politischen Aktivitäten fortgeführt. Kurz darauf wurde er erneut aufgrund „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ festgenommen. Die Vorwürfe waren dieselben wie beim letzten Mal. Er wurde schwer gefoltert und mit Kollaborateuren mit dem türkischen Staat in dieselbe Zelle gesteckt. Nach Morddrohungen und Belästigungen gegen ihn wurde er versetzt.
2005 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Da begann er als Journalist bei der Zeitschrift Özgür Gelecek zu arbeiten. Doch auch diese Freiheit sollte nicht lange dauern. Er wurde in eines der F-Typ-Isolationsgefängnisse verlegt, wiederum gefoltert und wiederum jahrelang inhaftiert. Man kann zusammenfassend also sagen, dass seine politische Biographie bis jetzt aus Kampf und darauffolgende Gefangenschaft besteht.
Wieso sitzt er jetzt in Griechenland im Knast?
Als Kaya für einen politischen Auftrag nach Griechenland gehen musste, wurde er an der Grenze aufgrund einer Interpol-Fahndung der Türkei festgenommen. Denn die türkische Regierung ist weiter hinter ihm her, mit demselben Vorwurf bei seinen vorherigen Verhaftungen. Kaya wird von ihnen in einer sogenannten „Red Alert“-Liste geführt, in der die nach Ansicht des türkischen Staats gefährlichsten Personen aufgeführt werden. Bei der Gerichtsverhandlung am 30. Mai 2018 haben das Gericht und die griechische Regierung sich dann für seine Auslieferung in die Türkei entschieden.
Und wie schätzt ihr dieses Urteil ein?
Unserer Meinung nach hat die griechische Justiz und Regierung am 30. Mai eines der fatalsten Entscheidungen ihrer Geschichte getroffen. Dieser Entscheid bedeutet ganz klar die Kollaboration zwischen Griechenland und der Türkei, obwohl sie ihre Beziehungen nach aussen als eher zerstritten darstellen. Um gegen diese Haltung Griechenlands und gegen den Entscheid der Auslieferung zu protestieren, hat unser Genossen einen Hungerstreik begonnen. Nun ist er schon seit über einem Monat im Hungerstreik. Sein gesundheitlicher Zustand hat sich dramatisch verschlechtern. Aufgrund von Magenkrämpfen und andauerndem Erbrechen wurde er vor 2 Tagen in das Gefängnisspital gebracht, um behandelt zu werden. Man muss dazu sagen, dass die Justiz ihn während dieses Streiks in das Gümülcine Gefängnis an der Grenze zur Türkei verlegen wollte. Doch Aktionen und Proteste dagegen konnten dies verhindern.
Seit seiner Verhaftung gibt es viel Solidaritätsarbeit zu seinem Fall.
Ja, es wurden Proteste und Aktionen in ganz Europa und in Athen organisiert und durchgeführt. Gespräche mit verschiedenen griechischen Ministern wurden organisiert, man nahm Kontakt auf mit dem griechischen Migrationsminister und es gab zwei Demonstrationen vor dem griechischen Justizministerum. GenossInnen haben sich vor dem griechischen Parlament angekettet und somit Aufmerksamkeit in der griechischen Hauptstadt geschaffen.
Doch wir sind mit einer Regierung konfrontiert, die sich um nichts schert. Wir kriegen keine Antwort auf unsere Aktionen und Bemühungen. Das einzige was gesagt wird ist:„Wenn Griechenland die 2 putschenden Soldaten nicht ausliefert, wird es einen Revolutionär erst recht nicht ausliefern.” Vitsas, der Minister für Migration hat wörtlich bestätigt, dass eine Auslieferung nicht in Frage kommt. Doch für uns ist die Praxis ausschlaggebend und bestimmend. Und da sieht die Situation anders aus. Während den GenossInnen von Kaya keinerlei Auskunft über seine Situation gegeben wird, werden andererseits die Wahlen in der Türkei für demokratisch erklärt und Tsipras selbst gratuliert Erdogan zu seinem Erfolg.
Das reiht sich in die Zusammenarbeit der EU-Staaten mit dem NATO-Mitglied Türkei der letzten Jahre ein.
Natürlich, wir fragen uns, ob Tsipras nicht weiss, dass die Wahlen in der Türkei unter einem Ausnahmezustand stattfanden, dass sich tausende Menschen im Gefängnis befinden und die Wahlen nur mit Manipulation zu so einem Ergebnis gekommen sind? Nun werden sich Tsipras und Erdogan auf der NATO-Konferenz treffen, um über die Situation der zwei nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten zu sprechen. Wird dort auch über Turgut Kaya verhandelt? Wird ein Deal verhandelt ob Tsipras unseren Genossen nun in die Hände des Faschismus gibt, damit er dort in den Folterzellen vernichtet wird? Warum finden wir keine Antwort auf unsere Fragen und unser Genosse keine Antwort auf seinen Hungerstreik?
Wir möchten klarstellen: Es ist ein Verbrechen gegenüber den Völkern dieser Welt mit R.T. Erdogan, einem Diktator, der vom griechischen Volk und von allen Völkern dieser Welt als faschistisch angesehen wird, zusammenzuarbeiten. Die Forderungen unseres Genossen Kaya zu ignorieren, der zu Unrecht als Geisel gehalten wird, bedeutet, dass die Syriza Regierung die Folgen dafür tragen wird was mit ihm passiert. Darum: Seid keine Mitverbrecher der faschistischen Türkei. Stoppt die Auslieferung von Turgut Kaya sofort!
Das Interview wurde am 1. Juli 2018 geführt. Turgut Kaya ist weiterhin im Hungerstreik. Mehr Informationen zu seinem Fall gibt es auf freeturgutkaya.blogspot.com/2018/ oder https://www.facebook.com/FreeTurgutKaya/
Hungerstreik gegen Geiselaustausch
Türkischem Kommunisten Turgut Kaya droht Auslieferung von Griechenland an die Türkei
Seit mehr als einem Monat verweigert Turgut Kaya die Nahrungsaufnahme. Mit seinem Hungerstreik wehrt sich der in der griechischen Hauptstadt Athen inhaftierte kommunistische Journalist gegen seine drohende Auslieferung an die Türkei. Aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes wurde Kaya am Wochenende in die Krankenstation des Gefängnisses Korydallos eingeliefert.
Kaya war am 28. Februar aufgrund eines über Interpol verbreiteten Haftbefehls der türkischen Justiz in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze festgenommen worden. Er wird beschuldigt, Leitungskader der maoistischen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) zu sein. Auf der Liste der meistgesuchten »Terroristen« des türkischen Innenministeriums findet sich Kayas Name in einer Reihe mit denen des Führungskaders der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Cemil Bayik und des Sektenführers Fethullah Gülen, der für den Putschversuch vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wird. Rund eine Million Euro (vier Millionen Türkische Lira) Kopfgeld sind auf die Ergreifung Kayas ausgesetzt, der in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und sieben Monaten verurteilt wurde.
Kaya ist seit seiner Studienzeit Anfang der 90er Jahre politisch aktiv, mehrfach wurde er inhaftiert und schwer gefoltert. Zuletzt saß er wegen seiner Mitarbeit an der legalen sozialistischen Zeitung Özgür Gelecek sechs Jahre lang unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in Untersuchungshaft. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen überlange Untersuchungshaft kam er 2012 frei. Er setzte sich zuerst nach Griechenland ab, kehrte dann aber heimlich in die Türkei zurück, wo er bis zu seiner erneuten Flucht seine politische Tätigkeit im Untergrund fortführte.
Obwohl Kaya nach seiner Festnahme unverzüglich Asyl beantragt hatte, erklärte das Oberste Verwaltungsgericht in Athen Ende Mai eine Auslieferung für zulässig. Die endgültige Entscheidung liegt seitdem bei Justizminister Stavros Kontonis von der Partei Syriza.
Süleyman Gürcan von der »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa« (ATIK), die seit Wochen Protestaktionen vor diplomatischen Vertretungen Griechenlands organisiert, äußerte gegenüber junge Welt die Befürchtung, dass Kaya gegen zwei in der Türkei inhaftierte griechische Soldaten ausgetauscht werde könnte. Die Soldaten waren im März während einer Grenzpatrouille einige hundert Meter auf türkisches Territorium vorgedrungen, Ankara wirft ihnen deshalb Spionage vor.
Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras steht zunehmend unter Druck aus nationalistischen Kreisen, weil es ihr nicht gelungen ist, die Soldaten aus der Haft eines NATO-Partners freizubekommen. Umgekehrt fordert die Türkei die Auslieferung von acht nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten, die am Putschversuch im Juli 2016 beteiligt waren. Deren Auslieferung wurde jedoch vom Obersten Verwaltungsgericht in Athen für unzulässig erklärt, so dass für einen »Geiselaustausch« nur Kaya übrigbliebe.
Der Vorstand der deutschen Partei Die Linke hat wie auch die linke Demokratische Partei der Völker (HDP) aus der Türkei und die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) an die griechische Regierungspartei Syriza appelliert, Kaya freizulassen. In Athen gibt es nahezu täglich Protestaktionen von türkischen Emigranten.
Unterdessen droht dem zusammen mit Kaya festgenommenen Hidir Gönek in Griechenland eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren wegen »Menschenschmuggels«. Im Verhör wies Gönek, der ebenfalls ein aus der Türkei stammender Kommunist ist, den Vorwurf der Schleusertätigkeit zurück. Er kenne Kaya schon seit langer Zeit und habe ihm aus politischen Gründen geholfen. Der Prozess gegen Gönek, der im Gefängnis von Komotini festgehalten wird, ist für den 6. Juli angesetzt.
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/335184.hungerstreik-gegen-geiselaustausch.html?sstr=kaya