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Gegen Verrat und Repression – die Solidarität als Waffe

Der Angriff der deutschen Bundesanwaltsschaft gegen Lina und andere Antifaschist:innen aus Leipzig, die aktuell in Dresden vor Gericht stehen, hat eine erhebliche Bedeutung.

1. Den antifaschistischen Widerstand unterstützen!

Dieser Angriff kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der militante Antifaschismus in Europa nötiger denn je ist, gegen die europäischen Neonazis, die an Zahl und Dreistigkeit zunehmen, gegen den türkischen Faschismus und seine immer aktiveren Organisationen in Europa.

Dieses Wiederaufleben faschistischer Aktivitäten profitiert von immer tieferen und systematischeren Komplizenschaften im Staatsapparat:

– Offizielle Komplizenschaft mit der Verfolgung von antifaschistischen Aktivist:innen und Organisationen aus Deutschland, der Türkei und Kurdistan (letzte Woche kehrte der deutsche Generalbundesanwalt Peter Frank von einer dreitägigen Reise in die Türkei zurück, bei der er eine Privataudienz bei Erdogan hatte) ;

– Verdeckte Komplizenschaften, wie die engen Verbindungen der Neonazi-Mörder :innen des NSU zum deutschen Geheimdienst offenbarten.

Und das alles in einem allgemeinen Kontext einer Offensive der Rechten auf allen Ebenen: auf der Ebene der Ideen wie auf der Ebene der Gesetze, auf der Straße wie auf der Ebene der Kultur. Überall befinden sich chauvinistische, rassistische und patriarchale Thesen in der Gegenoffensive.

Die Bedeutung des antifaschistischen Kampfes bedeutet die Bedeutung aller Formen des antifaschistischen Kampfes: Sowohl der militante Antifaschismus, der in Deutschland und anderswo um die Straße kämpft, als auch die internationale Solidarität mit den Kräften, die in der Türkei, in Rojava und den verschiedenen Teilen Kurdistans Widerstand gegen das faschistische Regime leisten.

2. Den Antagonismus zum Leben erwecken!

Der Prozess in Dresden ist auch die Antwort des Staates auf Initiativen des Widerstands, die den Antagonismus lebendig werden lassen, indem sie um die Straße kämpfen und Gewalt als Methode des Kampfes miteinbeziehen.

In einem Land wie Deutschland, dem kapitalistischen, industriellen und finanziellen Gravitationszentrum der Europäischen Union, ist die Entwicklung antagonistischer Kampfformen von entscheidender Bedeutung.

Episoden wie die Mobilisierung gegen die Europäische Zentralbank (Frankfurt 2015) oder der G20-Gegengipfel (Hamburg 2017) haben dies gezeigt:

– In unserem Lager haben diese Kämpfe die revolutionäre Bewegung weit über Deutschland hinaus mobilisiert,

– Im feindlichen Lager hat das Ausmaß und die Intensität der Repression (auf der Straße und in den anschließenden Prozessen) gezeigt, wie empfindlich die Machthaber:innen auf diese Mobilisierungen und ihren antagonistischen Charakter reagiert haben.

Die allgemeine reaktionäre Welle, mit der wir konfrontiert sind, die gestern von der Pandemie, heute vom Krieg in der Ukraine und morgen von der Wirtschaftskrise genährt wurde und wird, könnte diese doppelte Tendenz nähren:

– Radikaler und antagonistischer Widerstand auf unserer Seite ;

– Eine unerbittliche Unterdrückung auf der Seite des Feindes.

3. Den Herausforderungen mit Ernsthaftigkeit, Methode, Kraft und einem Geist der Solidarität begegnen !

Der Dresdner Prozess zielt also auf den antifaschistischen Widerstand in seiner notwendigen gewalttätigen Dimension.

So erklärt sich auch das Ausmaß der eingesetzten Mittel: minutiöse Ermittlungen, die von großen Mitteln profitieren, Anwendung von Verfahren wie Erpressung, um Lähmungen, Desertionen und Verrat in den antifaschistischen Reihen zu erzeugen.

Die Wiederaufnahme der Strafverfolgung Mitte Juni gegen die Antifaschist:innen in Leipzig erfolgte aufgrund der Aussagen eines Verräters.

Der Einsatz von Verräter:innen und/oder verdeckten Ermittlern ist ein altes Rezept der Repression, wurde aber immer in Situationen bevorzugt, die als wichtig erachtet wurden.

Denn Verrat hat neben seinen direkten Auswirkungen (Informationen, die der Feind erhält) auch indirekte, manchmal noch schlimmere Folgen wie Vertrauensverlust und die Verschärfung von Widersprüchen innerhalb der Bewegung.

Die revolutionäre Bewegung war bereits mit diesen Vorgängen konfrontiert und hat oft die Ressourcen in sich selbst gefunden, um den Schock zu verarbeiten und wieder in die Offensive zu gehen:

– Das bedeutet zunächst, sich nicht von Verrat und Verratsdrohungen faszinieren und lähmen zu lassen, sondern die Initiative wieder zu ergreifen;

– Das erfordert, dass wir zusammenhalten, uns gegenseitig helfen und uns unter den verschiedenen Teilen der Bewegung solidarisieren, um Kampfgemeinschaften wieder aufzubauen;

– Und in der unmittelbaren Zukunft erfordert dies die stärkste und demonstrativste Solidarität mit den Personen, die von dem Verräter denunziert wurden.

Dazu werden wir bei der Wiederaufnahme des Prozesses gegen Lina und die Antifaschist:innen in Leipzig am 25. Juli in Dresden Gelegenheit haben.

Solidarität mit Lina und den Antifaschist:innen in Leipzig !

Schande und Strafe für Verräter:innen !

Es lebe der antifaschistische Widerstand !

Es lebe der revolutionäre Kampf !

Sekretariat der Roten Hilfe International

20 Juli 2022

Solidarität und revolutionäre Tendenz

Beitrag eines ehemaligen Militanten für die PC p-m (Kommunistische Partei politisch-militärisch) über die Frage des Verrats anlässlich des Prozesses gegen Antifaschist:innen in Leipzig.

Mao sagte: “Wo es Unterdrückung gibt, gibt es Widerstand”. Aber auch das Gegenteil ist der Fall: Wo gekämpft wird, gibt es Repression. Zwei Seiten derselben Medaille, die hauptsächliche Seiten des Klassenkampfes, in ständiger dialektischer Entwicklung, in enger, der offenen und entscheidenden Konfrontation tendierend.

Diese Dynamik ist seit vielen Jahren mit der globalen politisch-ökonomischen Dynamik des Systems und der bürgerlichen Staaten verwoben, in Bezug zur Verschärfung der kapitalistischen Krise (historischen Ausmaßes) und der damit verbundenen Tendenz zum imperialistischen Krieg. Ein bedeutender, gar epochaler Wendepunkt war die Ausrufung des „endlosen Kriegs gegen den Terror“ durch die USA nach dem 11. September 2001, gleichsam Erklärung einer Perspektive des permanenten, weltweit diffusen Krieges. Konventionell gegenüber nicht unterwürfigen oder konkurrierenden Staaten; und asymmetrisch, mit „geringer Intensität“ gegenüber (revolutionären oder auch reaktionären) Rebellenbewegungen und somit auch gegenüber dem „inneren Feind“. Immerhin Krieg!

Vom „Patriot Act“ in den USA bis hin zu der Reihe von Sondergesetzen in allen Ländern sind wir Zeug:innen einer echten Aushöhlung des „Rechtsstaates”, der verfassungsmäßigen Freiheiten und der – wenn auch formalen – bürgerlichen Demokratie. „Terrorismus“ ist zum Schlüsselwort geworden, zum Stigma, mit dem man Bewegungen, Organisationen, Militante brandmarkt, mit dem man sogar ganze Staaten isolieren mag. Alles, was sich den neuen Strategien der imperialistischen Herrschaft in den Weg stellt, wird zum Terrorismus (in zynischer Umkehrung der historischen Wahrheit). Und wir wissen, wie sehr diese Gesetzgebung nur der formaljuristische Beginn einer kontinuierlichen repressiven Eskalation war.

Dies ist die Realität, in der wir uns befinden (wenn auch mit wichtigen Nuancen zwischen den großen Weltregionen, zwischen den imperialistischen und den unterdrückten Regionen), und mit der sich die sozialen und politischen Kämpfe und Bewegungen auseinandersetzen müssen. Das heißt, jede Bewegung, die eine gewisse Bedeutung hat, muss früher oder später mit Aggressionen der repressiven Kräfte rechnen. Die Fortführung der Debatten, die Weiterentwicklung des Bewusstseins sind daher von entscheidender Bedeutung. Allzu oft werden solche Situationen jedoch unüberlegt angegangen, indem lediglich versucht wird, den persönlichen Schaden zu begrenzen und dabei die Solidarität und die Motivation des Kampfes vergisst. Oder man zieht sich politisch zurück, nimmt rechtfertigende und abschwächende Positionen ein, und sucht die Sympathie und Nachsicht der Macht. Dies ist in der Tat die schlechteste Haltung, denn sie ist politisch und ist die Positionierung eines bedeutenden Teil der Bewegung, um die es geht.

In der klassenkämpferischen und revolutionären Bewegung im Italien der 1970er/80er Jahre war die erste Haltung die Reue, die zweite die der Abschwörung1. Sobald diese Wege eingeschlagen sind, verlieren die Aktivist:innen ihre Identität, bis hin zum offenen Verrat, vermitteln Defätismus und Verunglimpfung, vergiften die sozialen Beziehungen und stellen sich in den Dienst der Macht, um deren konterrevolutionäre Narrative zu verstärken. In der Geschichte der aufständischen Bewegungen haben die Auswirkungen repressiver Phasen oder zwischenzeitlicher Niederlagen im Klassenkampf immer wieder zu Auflösungen und Zerfall geführt. Das Gefängnis ist immer ein Indikator der politischen Konsistenz, der Beständigkeit einer Bewegung, einer Organisation, ihrer Aktivisten. Und leider treten Fehler und Schwächen deutlich zutage, die genau diesen Schaden verursachen.

Aber nicht nur das, auch die Stärke und Konsequenz der reiferen, entschlosseneren Militanten werden hervorgehoben. Gerade angesichts der Niederlagen, der unvermeidlichen Schwierigkeiten und Komplexität des revolutionären Prozesses, gehen diese Militante konsistent von den Gründen des Kampfes als wesentliche Grundlage für die Überwindung der Schwierigkeiten aus. Sicherlich mit kritischer und selbstkritischer Analyse, mit positiver Einstellungen gegenüber Bilanzdiskussionen und Reflexionen, aber unter Beibehaltung einer revolutionären Ausrichtung. Und so kam es, dass viele Militante im Gefängnis weiterhin eine aktive und dialektische Rolle in der revolutionären Bewegung einnahmen. Im Laufe der Jahre, manchmal Jahrzehnte, gewannen sie an Wert und Beachtung, denn ihr Widerstand gegen die harten Lebensbedingungen zeugt von der Stärke und der historischen Verwurzelung derjenigen Bewegung, welche diese Militante hervorgebracht hat. Bedenken wir, wie viele Bewährungsproben und schwierige Momente während langer Haftzeiten durchgemacht werden können, auch und gerade in Bezug auf Entwicklungen, politische Ereignisse in der Gesellschaft und der Welt. Um dies zu veranschaulichen, haben wir das leuchtende Beispiel eines Genossen wie Georges Ibrahim Abdallah und, wie er, in Italien etwa zwanzig Militante (insbesondere der Brigate Rosse), die seit den 1980er Jahren inhaftiert sind. Es geht nicht um „Heldentum“, sondern (wie sie selbst von sich sagen) darum, dass sich in den Menschen die Kraft, der Wert und die tiefgründigen Überlegungen einer historischen revolutionären Bewegung widerspiegeln.

Dies ist der Ansatz, der es uns ermöglichen kann, mit der Unterdrückung, ihren verschiedenen Facetten und Auswirkungen richtig umzugehen. Wir dürfen uns niemals auf den „antirepressiven“, defensiven oder spezialisierten Aspekt (z. B. Anti-Knast) beschränken, sondern müssen diese Situationen als einen inhärenten Teil, eine interne Artikulation des Gesamtkonflikts betrachten. Und zwar nicht nur lokal, sondern international. Gerade die fortgeschrittenen Realitäten zeigen dies: Wie kann man die Frage der Gefangenen in der Türkei und in Kurdistan von der Dynamik des laufenden revolutionären Kriegsprozesses trennen? Oder in Lateinamerika, in Indien? Und es ist klar, dass die Macht Haftdrohungen als Erpressungsmittel und die Gefangenen als Geiseln benutzt. Um die Gefangenen herum wird immer ein wichtiges Spiel gespielt: Der Staat zielt darauf ab, dass die Gefangenen sich ergeben, abschwören, sich distanzieren, was einen Auflösungsprozess, eine Implosion der Bewegung oder Organisation auslöst. Schließlich zur Entwaffnung. Mit Entwaffnung meinen wir eine vielschichtige Entwaffnung, die politische, ideologische und natürlich auch die militärische. Wir beobachten, wie in allen Fällen, historisch und aktuell, dieses Ziel von den Staaten hartnäckig verfolgt wird, wie im Mittelpunkt der Verhandlungen immer die Erpressung über das Schicksal der Gefangenen steht. Und wir beobachten, wie das Ergebnis dieser „Friedensprozesse“ immer eine Katastrophe für die revolutionären Bewegungen und Organisationen ist: Während unser Lager demobilisiert, demoralisiert und entwaffnet wird, erntet der Staat die politischen Früchte, bekräftigt seine unbestreitbare Macht und… setzt den Krieg fort! Die auffälligsten aktuellen Fälle sind in Kolumbien und im Baskenland zu verzeichnen. Aber das gilt auch für die Osloer Abkommen für Palästina.

Das ist der entscheidende Punkt: Man darf niemals das Wesen, die Seele einer revolutionären Bewegung aufgeben, man darf niemals eine Entwaffnung akzeptieren. Auch wenn die Schwierigkeiten einer bestimmten Phase einen “strategischen Rückzug”, einen taktischen Rückzug erzwingen können (die Geschichte, das konkrete Leben, besteht aus solchen Haarnadelkurven), müssen diese als Ergebnis einer internen Ausarbeitung der Bewegung selbst erfolgen, unter der Ablehnung, diese zu einem Objekt der Kollusion und Kollaboration mit dem Staat zu machen.

Unsere beste Geschichte ist daher die der kollektiven Annahme einer eigenen politischen Identität durch die Gefangenen, ihrer eventuellen Organisationsmitgliedschaft, der Umwandlung des Gefängnisses in eine Kampffront in Kontinuität mit der äußeren. Es ist genau die Dialektik von der wir gesprochen haben, die den Widerstand im Gefängnis zu einem großen Wert werden lässt, die ihn zu einem Element der Stärke für die revolutionäre Bewegung als Ganzes werden lässt. Und dies, das muss betont werden, geschieht sicherlich nicht auf lineare, homogene Weise in der Bewegung, ohne Widersprüche und interne Auseinandersetzungen. Schwere Repression, lange Inhaftierungen werden unweigerlich zu einem Prüfstein, der die wahre Konsistenz und die Grenzen jeder organisierten Erfahrung offenbart. Leider ist die Selektion immer hart, aber sie ist auch ein Prozess der Reifung und des Wachstums, der die Bewegung reifer und stärker macht, um den Aufgaben gewachsen zu sein, die der revolutionäre Prozess erfordert. Ein Beweis dafür ist das verbissene Streben des Staates nach totaler Kapitulation und die Kriminalisierung sowie Delegitimierung von langjährigen Gefangenen und revolutionären Organisationen. In Italien beispielsweise ist nicht nur die lebenslange Haftstrafe für militante Gefangene, die sich nicht ergeben haben, wirksam, sondern es wird nun auch die Anwendung des 41bis-Gefängnisregimes ausgeweitet. Der Inhalt, die politische Bedeutung dieser Hartnäckigkeit ist offensichtlich. Wir müssen unsererseits diese Konfrontation annehmen, d.h. uns mit den Gefangenen aufs Äußerste solidarisieren, sie in ihrem harten Widerstand auf jede Weise unterstützen.

Ein grundlegendes Konzept ist, dass das Gefängnis weder „Verlust an Leben“, noch „Aussetzung der Zeit“, „Abzug vom Kampf“ und schließlich „schwarzes Loch“ ist, in dem man die Gründe für den Kampf vergisst und das einzige Ziel darin besteht, so schnell wie möglich wieder herauszukommen. Diese Ansätze führen mit Sicherheit zu einer wirklichen Niederlage, und zwar der wesentlichsten, nämlich der Aufgabe unserer Kampfründe, unserer revolutionären Motivationen. An Stelle dessen werden verschiedene Kampagnen aufgenommen, die sich auf Ziele wie Amnestie, Kronzeugenregelung, Gesetzesrevisionen und die Befriedung des Konflikts konzentrieren. Gefängnisse und Gerichte sind eine Front des Kampfes der Bewegungen und Organisationen, welche sich ernsthaft und konsequent den Horizont der sozialen Transformation setzen. Dies gilt umso mehr in der gegenwärtigen tiefen Degeneration des kapitalistisch-imperialistischen Systems. Die Erscheinungen davon sind allzu offensichtlich: Die Entfesselung imperialistischer Kriege und Aggressionen auf allen Kontinenten als Ergebnis eines wütenden marktwirtschaftlichen und neokolonialistischen Wettbewerbs, die allesamt immense soziale und ökologische Verwüstungen, Exodus und Deportationen, die Ausplünderung von Primärressourcen, unterstützt durch Militarisierung und Staatsterrorismus. Der imperialistische Krieg wird zunehmend mit der internen Kriegsführung gegen das Proletariat, den sozialen Widerstand und die revolutionäre Opposition kombiniert. Die Liste ist leider sehr lang… das Wesentliche bleibt zu verstehen, dass dies nun der gepanzerte Horizont der kapitalistischen Gesellschaft ist. Die Implikationen zu begreifen, die Konsequenzen anzunehmen, ist der grundlegende Schritt: Revolutionärer Kampf, Aufbau von Klassenkräften, um einen revolutionären Prozess in Gang zu setzen und zu entwickeln, der auf den Sturz von Staat und Kapital abzielt. Im Rahmen einer streng internationalistischen Dynamik. Entschlossenheit, Kohärenz und kollektive Solidarität als entscheidende Mittel zur Bewältigung des „langen Marsches“.

Ich schließe diese Notizen mit solidarischen Grüßen an die Genoss_innen in Deutschland, die vor einem schwierigen Übergang stehen, nach dem Verrat eines ehemaligen antifaschistischen Aktivisten, der jetzt mit den Behörden in einer weitreichenden repressiven Operation zusammenarbeitet. Ich kann mir die Enttäuschung und die Demoralisierung, die dies hervorruft, vorstellen und verstehen, sowohl menschlich als auch politisch. Aber gerade aufgrund der in Italien (auch persönlich) gesammelten Erfahrungen komme ich nicht umhin, auf dem Vorherigen zu bestehen: Nur Entschlossenheit, politische und organisatorische Konsequenz ermöglichen es, sich zu wehren, aktiv zu reagieren und manchmal sogar die teilweise Niederlage in einen neuen politischen und organisatorischen Fortschritt umzuwandeln. Dabei stets das kollektive Interesse ins Zentrum stellend, die Entwicklung unserer antifaschistischen, antiimperialistischen, revolutionären Sache vorantreibend. Je stärker und entschlossener diese Reaktion ist, desto mehr wird der durch Verrat verursachte Schaden begrenzt (und das war der Fall bei unseren Prozessen wegen der PC p-m – Partito Communista politico-militare).

Darüber hinaus ist auch in Deutschland die gemeinsame Offensive mit dem faschistischen Regime in der Türkei gegen die kurdische Befreiungsbewegung und internationalistische Solidarität dringende Aktualität. Diese ist ein weitere sehr wichtige Bewährungsprobe, die jede Unterstützung und aktive Solidarität verdient. Wir werden bald mit massiven Auslieferungsversuchen und anderen Formen der Repression in Verbindung mit der türkischen Angriffe in Kurdistan konfrontiert werden. Die europäischen demokratischen Fiktionen sind zusammengebrochen. Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken stützen und sie zu einer klassenkämpferischen, internationalistischen Praxis ausbauen, in enger Zusammenarbeit mit den Organisationen, die sich dort an den verschiedenen Fronten engagieren. Mit dieser Perspektive können wir die Situation auch auf juristischem Terrain umkehren und vor allem aufrecht bleiben!

Ein ehemaliger Kämpfer der PC p-m (Kommunistische Partei politisch-militärisch)

Turin, 9. Juli 2022

1Mit diesen beiden Begriffe wird unterschieden zwischen: 1. die Reumütigen (pentiti), welche von der Repression gebrochen werden, defensiv kollaborieren und vor allem militärischen Schaden anrichten und 2. die Abschwörenden (dissociati), welche darüber hinaus sich aktiv abwenden und im Dienste der Gegenseite an der politischen Delegitimierung der revolutionären Sache arbeiten.

Bussen wegen «Marsch für’s Läbe» 2021

Nach den Verzeigungsvorhalten von vergangenem November haben nun erste Personen Strafbefehle wegen der Demonstration gegen den letzten «Marsch für’s Läbe» im 2021 in Oerlikon gekriegt. Der Staat will uns einschüchtern und dadurch erreichen, dass wir uns nicht mehr gegen die rechte und frauenfeindliche Hetze wehren. Es wird ihm und ihnen nicht gelingen: Auch dieses Jahr werden wir uns am 17.9.22 dem geplanten «Marsch für’s Läbe» der rechten Christen entgegenstellen und ihren Umzug blockieren. Internationale und nationale Entwicklungen der letzten Monate – wie dem Abtreibungsverbot in den USA und den Initiativen der SVP gegen das Abtreibungsrecht in der Schweiz – zeigen die Bedeutung dieses gemeinsamen Kampfes für die Selbstbestimmung klar auf.

Darum: Lassen wir uns von der Repression nicht vereinzeln, sondern stellen wir uns kollektiv dagegen! Wir möchten zu einer Sitzung einladen, wo wir politische und juristisch-technische Fragen gemeinsam angehen können. Meldet euch auf se_bu@riseup.net wenn ihr einen Strafbefehl vom MfL 2021 oder sonstige Post diesbezüglich gekriegt habt!

Haltet euch auf dem Laufenden auf https://rotehilfech.noblogs.org/ und auf https://barrikade.info/. Dort werden alle aktuellen Infos aufgeschaltet.

Solidarische Grüsse
Bündnis für ein selbstbestimmtes Leben & Rote Hilfe Schweiz

Winterthur: Kleisterprozess – Wir lassen uns nicht unterkriegen!

Im Januar 2021, inmitten des zweiten Lockdowns, wurden im Zuge der Corona-Kampagne des Revolutionären Jugendbündnisses Winterthur Plakate gekleistert, die scharfe Kritik an der kapitalistischen Krisenverwaltung üben. Am 8. Januar wurden sechs Personen durch die Stapo Winterthur verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, am Abend der Verhaftung, Plakate in Winterthur angebracht zu haben. Der ganze Fall wird jedoch nicht in Winterthur verhandelt, sondern wurde nach einem langwierigen Gerichtsstandsverfahren an die Staatsanwaltschaft Basel übergeben. Der Prozess findet nun, nach mehr als eineinhalb Jahren am 18. und 19. August in Basel statt.

Hier wollen wir die Hintergründe einerseits der Plakat-Kampagne des RJBWs und andererseits der Verhaftungen und Prozesse erläutern. Denn es ist wichtig, Repression im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten und einzuordnen.

Im Zuge der Corona-Pandemie haben sich die Zustände im Kapitalismus verschärft. Dies weil die Pandemie und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen die globale Verwertung beschneidet und die Produktion lahmzulegen drohte. Das Kapital fürchtet die Krise, ein Einbrechen der Profitrate, eine Verlangsamung des Wachstums. Der kapitalistische Staat steht, in seiner Funktion als Erhalter der Gesellschaftsverhältnisse, im Widerspruch zwischen kurzfristigen Kapitalinteressen (also der Steigerung der Profitrate) und der Erhaltung der gesellschaftlichen Reproduktion, welche für ein weiterbestehen der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie notwendig ist. Dieser Widerspruch ist in der Pandemie offensichtlich zu Tage getreten. Es lässt sich also beobachten, wie der bürgerliche Staat einerseits die Gesundheit der Bevölkerung schützt und dabei auch vor ökonomischen Einschränkungen nicht zurückschreckt, damit der Kapitalismus längerfristig weiterfunktionieren kann. Andererseits werden pandemisch sinnvolle Massnahmen so schnell wie möglich wieder aufgehoben, um dem Druck der Wirtschaftsverbände nachzugeben. Auch wenn das für viele Menschen Krankheit oder Tod bedeutet. Wieder einmal sind marginalisierte Gruppen von dieser globalen Krise besonders stark betroffen.

Dass Profit in diesem System wichtiger ist, als die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen, zeigt sich auch an der Überlastung des Gesundheitssystems während der Pandemie. Der schon lang andauernde Trend der Privatisierung und somit Verwertung des Gesundheitssektors führt genau zu dieser nach wie vor anhaltenden Überlastung. Zu viele Sparmassnahmen und zu wenig, zu schlecht bezahltes Personal. Anstelle von wirklich sinnvollen Massnahmen hat der Staat lediglich dazu aufgerufen, für das Gesundheitspersonal zu klatschen, um dieses gleichzeitig weiterhin unter unglaublich stressigen, gefährlichen und belastenden Bedingungen arbeiten zu lassen.

Auch die staatlichen Unterstützungsgelder, die locker gemacht wurden, verdeutlichen, auf welcher Seite der Staat steht. Während sich Lohnabhängige mit 80% ihres Lohns zufrieden geben mussten, was viele in massive finanzielle Not trieb, wurden Milliarden an „Rettungs“geldern an Unternehmen vergeben, die diese als Dividenden an ihre Aktionär:innen ausschütten.

Da der Staat, gerade in Zeiten der Krise, die Aufgabe hat, Aufstände zu unterdrücken und die bestehende Eigentumsordnung zu sichern, ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn der Pandemie die Repression massiv gestiegen. Als Beispiele lassen sich die gewaltsamen Polizeieinsätze gegen den 8.März, die Wir-tragen-eure-Krise-nicht-Demo und den ersten Mai in Zürich oder auch die Repression gegen die Jugendunruhen in St.Gallen aufführen.

Gerade auch in dem hier behandelten Fall ist es klar, dass der Staat aus dem oben genannten Grund so hart gegen die Aktivist:innen vorgeht. Denn eine revolutionäre Kritik an den bestehenden Verhältnissen, wie sie auch auf den Plakaten geübt wurde, trifft den Staat empfindlich. Die Aneignung des öffentlichen Raumes zur Verbreitung dieser Kritik, sei dies mit Plakaten oder Demos, will der Staat möglichst verhindern. Die Angeklagten werden stellvertretend für alle, die gegen dieses System und seine Auswüchse ankämpfen, angeklagt. Die Stawa und die Bullen benutzen sie, um ein Exempel zu statuieren.

Jedoch steht hinter diesem Vorgehen noch ein weiterer Faktor: Die Bullen haben das erste mal das Gefühl, Aktivist:innen des RJBWs erwischt zu haben. Die massive Repression – die Staatsanwaltschaft fordert eine auf zwei Jahre bedingte Strafe von einem Jahr Knast – diente und dient immernoch dazu, junge Revolutionär:innen vom Kampf abzubringen, einzuschüchtern und zu vereinzeln.

Diese Einschüchterungstaktik – massive Repression gegen junge Revolutionär:innen – ist kein Einzelfall. Zum Beispiel fährt die Polizei in St.Gallen die gleiche Schiene. (https://barrikade.info/article/4353)

Genau deshalb dürfen und werden wir uns nicht einschüchtern lassen. Sie machen ihre Rechnung ohne uns, ohne unsere Solidarität mit den Angeklagten und unsere Bereitschaft den Kampf weiterzuführen, wenn es sein muss auch in den Gerichtssälen. Wir lassen uns nicht in einen Streit um Verhältnismässigkeit drängen – denn für uns ist klar: Egal, welches Strafmass, die bürgerliche Polizei und Justiz dient immer dazu, diese Klassengesellschaft aufrecht zu halten. Weg mit Knästen, Polizei und Gerichten!

Die Maschinerie des Basler Repressionsapparats trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei. Wie wir es schon bei den Prozessen zu Basel Nazifrei beobachten konnten, hält sich die Repression in Basel nicht einmal an die eigenen Regeln der Rechtstaatlichkeit, sondern führt ihrerseits einen klar politisch motivierten Prozess.

Das überrascht keineswegs. Zwar hält sich der Repressionsapparat in vielen Fällen an die eigenen Gesetze, um den Schein demokratischer Integrität zu wahren, doch wenn es für die Aufrechterhaltung der Herrschaftsverhältnisse notwendig scheint, wird das Legalitätsprinzip ohne weiteres gebrochen. Diese Klassenjustiz dient letztlich einzig und allein der Aufrechterhaltung der Eigentumslogik und somit dem Erhalt des warenproduzierenden Systems. Die Justiz arbeitet im Interesse des Kapitals.

Auch die parlamentarischen Politiker:innen haben ein Interesse, hart gegen eine ausserparlamentarische Linke vorzugehen. Denn sie profitieren davon, wenn die Menschen Politik als etwas wahrnehmen, das nur im Parlament passiert. Sie profitieren davon, wenn die Menschen ihre eigene Handlungsfähigkeit nicht erkennen. Doch Politik passiert auf der Strasse und in unserem Leben, eine Abspaltung in eine „politische Sphäre“ stützt den Status quo.

Die Repression, die Einzelne erfahren, betrifft uns alle! Und genau deshalb ist es wichtig, einen politischen Prozess zu führen. Denn dieser bietet die Möglichkeit, der Repression geschlossen entgegenzutreten und anstelle von Resignation, unsere Position ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Anstelle von Vereinzelung, Solidarität treten zu lassen. Und anstelle von Angst eine Stärkung der Bewegung zu erreichen.

Wenn wir gegen die Angriffe des Staates zusammenstehen und die damit verbundenen Arbeiten und Kosten kollektivieren, gehen wir alle gestärkt daraus hervor.

Deshalb: Tragt euch die Prozesstermine, also den 18. und 19. August, in eure Agenden ein und kommt mit uns zum Gericht. Solidarisiert und beteiligt euch, schickt uns Bilder von Soliaktionen. Bis bald, an einem Konzi, im Gerichtssaal, auf der Strasse.

Kämpferische Grüsse, ihr hört wieder von uns,

die Soli-Gruppe – kleisterprozess@immerda.ch

(https://barrikade.info/article/5189)