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Urteil im Zürcher G20-Prozess

Gestern Mittwoch (21. April) ist das schriftliche Urteil des befangenen Richters Vogel zum Zürcher G20-Prozess eingetroffen: Zwei Genoss_innen wurden schuldig gesprochen, ein Genosse nicht. Die zwei verurteilten Genoss_innen werden wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte sowie Landfriedensbruch mit Geldstrafen bestraft. Wir verweisen an dieser Stelle auf die Vorgeschichte zu diesem Prozess, das Vorurteil des Richters Vogel, sowie den Prozessboykott und die Prozesserklärung der Angeklagten.

Weiterhin gilt unsere Solidarität allen, die in irgendeinem der verschiedenen G20-Verfahren betroffen sind – ob Rondenbarg, Elbchaussee, Parkbank, 129-Verfahren oder sonstwie! Damals wie heute war und ist der Kampf gegen jene, die Zerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung zu verantworten haben, so berechtigt wie notwendig.

Solidarität ist unsere Waffe – dem Kapitalismus den Prozess machen!

Update zum Zürcher G20-Prozess

Die drei Genoss_innen, die heute wegen den Protesten gegen den G20-Gipfel von 2017 in Hamburg vor dem Bezirksgericht Zürich standen, haben den Gerichtssaal noch während der Verhandlung unter Protest verlassen. Sie haben damit zum Ausdruck gebracht, dass dieser Prozess der Klassenjustiz gänzlich zur Farce geworden ist, nachdem bekannt wurde, dass der befangene Richter Vogel bereits im letzten Herbst ein Urteil fällte, inklusive Schuldspruch und Begründung.

Vor dem Gericht begleiteten solidarische Menschen die Angeklagten und ihre Prozesserklärung wurde ausserhalb des Gerichtssaals verteilt. Sie schreiben darin zum Abschluss: “Bei dieser schreienden Ungerechtigkeit bleibt uns nichts anderes als Widerstand zu leisten und weiter zu kämpfen, weiter auf die Strasse zu gehen, mit der Jugend, mit den Massen, hier und weltweit, um der Unterdrückung, Ausbeutung und der Zerstörung des Planeten ein Ende zu setzen. Der Widerstand und die Solidarität zwischen den Kämpfenden auf der Welt wurde in Hamburg erfahr- und spürbar: Gemeinsam waren wir auf der Strasse und haben gezeigt, dass sich die Herrschenden dieser Welt niemals ohne unseren entschlossenen, militanten Widerstand treffen können.”

Das Urteil wurde noch nicht bekanntgegeben und folgt wohl schriftlich. Angesichts dessen, dass der befangene Richter Vogel lediglich das Datum der Urteilseröffnung anpassen muss, ist damit zu rechnen, dass dies bald geschieht.

Solidarität ist unsere Waffe – dem Kapitalismus den Prozess machen!

Gemeinsame Erklärung der Angeklagten im Zürcher G20-Prozess

Die Repression gegen die G20-Bewegung ist beachtlich. Hunderte von Prozessen, oft fruchtlose Öffentlichkeitsfahndungen in halb Europa, Monate von U-Haft gegen einzelne, dutzende von wahllosen Hausdurchsuchungen, die sich sogar bis in den Kanton Aargau erstreckten. Die Repression ist dabei offen politisch. Zahlreiche Prozesse drehen sich allein darum, dass die Angeklagten an Demonstrationen gegen den G20 teilgenommen haben. Eine blosse Teilnahme an einer Demo soll bereits kriminalisiert werden. Etwas, dass wir von der Schweizer Justiz mit dem Gummiparagraphen «Landfriedensbruch» zu Genüge kennen, für Deutschland allerdings über den üblichen Rahmen hinaus geht. Diese neue Dimension macht klar, dass es um einen Rachefeldzug des deutschen Staates geht, an dem sich die Schweizer Justiz gerne beteiligt.

Doch wir sollten bei all der Repression nicht den Grund für diese Rachegelüste vergessen. Wenn der Feind uns bekämpft ist das gut und nicht nur schlecht, «denn es zeugt davon, dass wir nicht nur zwischen uns und dem Feind eine klare Trennungslinie gezogen haben, sondern dass unsere Arbeit auch glänzende Erfolge gezeitigt hat.“ Solch ein glänzender Erfolg waren die Proteste in Hamburg. Nicht nur die riesigen Demonstrationen und Blockaden, sondern insbesondere auch die militanten Strassenkämpfe am Abend im Schanzenviertel. Die breite Anti-G20-Bewegung konnte sich hier mit den Massen in den Quartieren vereinigen, die es satthatten, dass ihre Viertel für eine Hand voll Bonzen in Geiselhaft genommen wurden. Diese Massenbeteiligung machte die Kämpfe im Schanzenviertel erst so kraftvoll und sorgte dafür, dass dem Staat für Stunden die Kontrolle über das Quartier entglitten war, trotz einem Aufgebot von 31’000 Bullen. Barrikaden brannten, Polizeieinheiten wurden in die Flucht geschlagen und die Leute eigneten sich die teuren Lebensmittel aus den Läden einfach selbst an. In der Nacht wurden die Knäste zunehmend überfüllt und wir Gefangenen sassen und lagen dicht an dicht in den improvisierten Zellen. Doch die Neuankommenden berichteten in breitestem Hamburger Dialekt darüber, dass sich die Bullen komplett aus dem Schanzenviertel zurückgezogen hätten, und ihre Freude verbreitete sich in unseren Zellen wie ein Lauffeuer.

Nicht auf Flugblättern und Transparenten, sondern in solchen Momenten von militanten Massendynamiken entscheidet sich, wer es mit seinem revolutionären Anspruch ernst meint. Natürlich verlaufen diese Dynamiken nicht immer so, wie wir es uns nach Lehrbuch vorstellen. Es zeigen sich darin immer auch die Widersprüche in den Massen selbst und nicht jede Aktion und jedes Verhalten entspricht unseren politischen Vorstellungen. Zentral ist es dabei jedoch, vor der Dynamik nicht zurückzuschrecken, sondern sich in sie hineinzubegeben und Teil davon zu sein. Es gilt diese Momente aber auch im Nachhinein angesichts von Medienhetze und Repression zu Verteidigen und in ihrer Bedeutung hervorzuheben.

Aber sprechen wir nicht nur über St. Pauli, sprechen wir auch über St. Gallen. In dem sonst so beschaulichen Städtchen zeigte die Jugend kürzlich ihre Wut mittels spontan entstandener Strassenkämpfe und St. Gallen ist hier nur ein Beispiel unter vielen. Woher die Widersprüche kommen, ist klar: Arbeiten und die Schule gehen müssen sie weiterhin, doch alles andere ist für das Kapital entbehrlich. Gestaltung der Freizeit, Möglichkeiten sich ausserhalb von Lohnarbeit zu verwirklichen, Gemeinschaft und sozialer Kontakt bringen keinen Profit und sind also gestrichen. Sitzt zu Hause bei euren Eltern, schaut Netflix und macht uns keine Probleme! Und wenn ihr vor die Türe geht, werdet ihr gejagt, kontrolliert und weggewiesen. Es ist nichts als legitim, dass sich dagegen militanter Widerstand äussert. Hier, noch mehr als in Hamburg, sind diese Massendynamiken nicht frei von Widersprüchen. Sie verlaufen nicht genau so, wie wir sie uns wünschen und immer auch ein Spiegel der Widersprüche im Volk und enthalten auch reaktionäre Elemente. Das ist eben der Charakter einer militanten Massendynamik von unten und davon gilt es zu lernen und damit umzugehen. Aber immer mit der grundsätzlichen Position: Es ist gut und gerechtfertigt, dass es diese Rebellion gibt.

Schauen wir über den Tellerrand hinaus, sehen wir, dass es überall auf der Welt Menschen und Gruppen gibt, die Widerstand leisten. Und zwar nicht erst seit durch die Corona Pandemie die Widersprüche des Kapitalismus und die Schere zwischen arm und reich auch in der Schweiz so offenkundig daliegen. Viele Kämpfende auf der ganzen Welt teilen das gemeinsame Ziel, nicht nur unsere Bedingungen etwas zu verbessern, sondern den Kapitalismus als Ganzes in Frage zu stellen und eine neue, soziale und solidarische Welt zu gestalten. An vorderster Front kämpfen überall Frauen und queere Personen, denn wir sind es, die am wenigsten zu verlieren und am meisten zu gewinnen haben, wenn wir uns als kämpfende Subjekte verstehen und erleben. Denn in dem kapitalistischen System welches durchzogen ist von patriarchalen Strukturen, erleben wir auf täglicher Basis Unterdrückung und Sexismus. Die Zweiteilung der Geschlechter als Zwang und die Abwertung des einen hat System. Es nützt dem Kapitalismus, die Ökonomie in eine gesellschaftliche Produktion und eine private Reproduktion zu teilen, wobei die Reproduktion abgewertet wird und gratis oder schlecht bezahlt geleistet werden muss. Diese Aufteilung schürt sexistische Übergriffe und Gewalt an Frauen und queeren Personen. Dagegen geht eine grosse feministische Bewegung mit viel Selbstbewusstsein und Kampfeswille weltweit auf die Strasse. Wir nehmen uns ein Beispiel an der Frauenbewegung in Rojava, die bewaffnet, unter widrigsten Umständen eine neue, gerechtere Gesellschaft aufbaut und wir kämpfen zusammen mit dem mexikanischen „bloque negro“ und der „ni una menos“ Bewegung gegen Feminizide.

Wenn wir hier heute vor Gericht stehen, weil wir angeblich an einer gewaltbereiten Demonstration teilgenommen haben, oder wenn Jugendliche in St. Gallen der Gewalt bezichtig werden, fragen wir uns, von welcher Gewalt hier eigentlich gesprochen wird. Und was ein paar Steinwürfe sind gegen einen hochausgerüsteten Staatsapparat, in Anbetracht der Gräueltaten und der strukturellen Gewalt die der Kapitalismus auf täglicher Basis produziert.

Seien wir uns bewusst, welche Interessen im Zentrum stehen, wenn sich die herrschenden der 20 ökonomisch stärksten Ländern wie den USA, Deutschland, Russland, China oder Saudiarabien sowie die EU gemeinsam an einen Tisch setzen: Nämlich jene der Kapitalist_innen in den jeweiligen Ländern. Und diese glänzen nicht durch Zurückhaltung, wenn es um die Durchsetzung ihrer Interessen geht: Angriffskriege, Aufrüstung, Unterdrückung von Minderheiten, Schwächung der Arbeiter_innenrechte, sklavenähnliche Ausbeutung von Arbeitsmigrant_innen sind nur einige ihrer Mittel dazu. Es ist kein Zufall, dass wir, die wir uns gegen diese Zustände wehren, vor Gericht stehen und eben nicht jene, die für die tägliche Gewalt, für Tod und Elend auf dieser Welt verantwortlich sind.

Bei dieser schreienden Ungerechtigkeit bleibt uns nichts anderes als Widerstand zu leisten und weiter zu kämpfen, weiter auf die Strasse zu gehen, mit der Jugend, mit den Massen, hier und weltweit, um der Unterdrückung, Ausbeutung und der Zerstörung des Planeten ein Ende zu setzen. Der Widerstand und die Solidarität zwischen den Kämpfenden auf der Welt wurde in Hamburg erfahr- und spürbar: Gemeinsam waren wir auf der Strasse und haben gezeigt, dass sich die Herrschenden dieser Welt niemals ohne unseren entschlossenen, militanten Widerstand treffen können.

Vorverurteilung im Zürcher G20-Prozess

Richter am Bezirksgericht Zürich vorverurteilt politisch Angeklagte: Im Zürcher G20-Prozess von diesem Freitag steht das Urteil seit letztem Herbst fest! Das politisch motivierte Verfahren gegen Militante gerät so endgültig zur Farce. Unterstützen wir die Angeklagten – 8 Uhr BGZ (Badenerstrasse 90)!

Diesen Freitag, 16. April, soll vor dem Bezirksgericht Zürich ein Prozess gegen drei Menschen stattfinden. Es geht um die Proteste gegen den G20-Gipfel von 2017 in Hamburg. Der Prozess war ursprünglich auf vergangenen Dezember angesetzt, wurde damals aber kurzfristig wegen Covid verschoben. Nun soll der aufgeschobene Prozess nachgeholt werden.

Der Prozess soll stattfinden, doch das Urteil steht schon fest. In den Akten, die den Beschuldigten vor dem Prozess zur Einsicht vorlagen, befand sich unter anderem ein Dokument mit einem bereits fertig formulierten Urteilsspruch (schuldig!) inklusive Urteilsbegründung durch den Richter Vogel, datiert vom vergangenen Herbst. Lediglich das Strafmass steht vor dem Prozess noch offen. Im Klartext heisst das: Die Vorverurteilung steht fest und die Gerichtsverhandlung gerät endgültig zur Farce.

Wir gehen davon aus, dass ihnen mit dieser Vorabpublikation ein Fehler unterlaufen ist und sie dieses vorgefertigte Urteil nicht mit den Beschuldigten teilen wollten. Ein Antrag, den offenkundig vorbelasteten Richter aufgrund seiner Befangenheit auszutauschen – wodurch der Prozess erneut verschoben werden müsste – wurde abgelehnt, der Antrag ist nun vor dem Obergericht hängig. Die Behörden drücken darauf, das Verfahren möglichst bald abzuschliessen.

Das erstaunt uns wenig. Nach den massenhaften, militanten und erfolgreichen Protesten gegen den G20-Gipfel war die staatliche Reaktion in Deutschland massiv. Die deutschen Repressionsbehörden wurden dabei emsig von den Behörden anderer Länder unterstützt, etwa als es um die Auswertung von Fahndungsbildern ging oder – wie im vorliegenden Fall – um das aussergewöhnliche Abtreten eines Verfahrens wegen eines Delikts in Deutschland an die Staatsanwaltschaft in Zürich.

In diesem Sinne ist der Fakt, dass ein Richter ein Urteil bereits vor der Gerichtsverhandlung fällt und damit Beschuldigte vorverurteilt, lediglich die Kirsche auf der Torte der Klassenjustiz. Es ist für uns nicht prinzipiell überraschend. Die hiesigen Behörden (Staatsanwaltschaft wie Gericht) sind Teil der juristischen – und damit auch politischen – Aufarbeitung der G20-Proteste. Aufgrund ihrer Stellung im Staat nehmen sie eine parteiische Position gegen all jene ein, die gegen den Kapitalismus mit seiner Zerstörung, Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Ihre Neutralität ist Schein, ihr Sein ist konterrevolutionär.

Unterstützen wir die Angeklagten vor Gericht: Freitag 16. April 8 Uhr BGZ (Badenerstrasse 90)!

Rote Hilfe Schweiz, 14.4.2021