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Sozialist vor Gericht

Terrorismusprozess gegen mutmaßlichen DHKP-C-Kader Musa Asoglu beginnt am Donnerstag in Hamburg. Gewalttaten werden ihm nicht vorgeworfen

Von Nick Brauns

Als »Terrorfürst« titulierte das Boulevardblatt Hamburger Morgenpost den türkischen Sozialisten Musa Asoglu nach dessen Festnahme am 2. Dezember 2016. Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen den 56jährigen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg. Die Anklage lautet nach dem berüchtigten Strafrechtsparagraphen 129b auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland. Asoglu, der bereits im Kindesalter mit seiner Familie nach Europa kam, wird von der Bundesanwaltschaft beschuldigt, Mitglied der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) zu sein. Als »hochrangiger Führungsfunktionär« soll der niederländische Staatsbürger die Vereinigung in Europa geleitet haben.

Die marxistisch-leninistisch orientierte DHKP-C führt in der Türkei regelmäßig Guerillaaktionen gegen Polizeiwachen, Büros der Regierungspartei AKP, aber auch diplomatische Vertretungen der USA durch. Während die Untergrundorganisation in einigen Istanbuler Arbeitervierteln, insbesondere unter Angehörigen der alevitischen Glaubensgemeinschaft, durch ihre soziale Basisarbeit eine gewisse Verankerung hat, werfen ihr andere linke Organisationen Sektierertum und fehlende Solidarität mit dem kurdischen Freiheitskampf vor.

In Deutschland wurde 1983 bereits die DHKP-C-Vorgängerorganisation Revolutionäre Linke (Dev Sol) verboten. Eine Reihe mutmaßlicher DHKP-C-Mitglieder, darunter Funktionäre der legalen Anatolischen Föderation, wurden in den vergangenen Jahren zu Haftstrafen zwischen drei und fast sieben Jahren verurteilt. Gewalttaten in Deutschland wurden ihnen nicht vorgeworfen. Vielmehr wurden nach der Logik des Paragraphen 129b StGB bereits ihre Spendensammlungen für politische Gefangene in der Türkei oder die Organisierung von Konzerten mit der beliebten Band Grup Yorum als Unterstützung des bewaffneten Kampfes in der Türkei ausgelegt.

Nicht nur Ankara würde den Staatsfeind Asoglu gerne in die Hände bekommen. Nach einem Suizidanschlag einer DHKP-C-Militanten auf die US-Botschaft in Ankara und einem weiteren Angriff auf das US-Konsulat in Istanbul setzte die US-Regierung im Jahr 2014 ein Kopfgeld von drei Millionen Dollar auf Asoglu und zwei weitere mutmaßliche Führungskader der DHKP-C aus. Agenten des US-Geheimdienstes CIA wollten Asoglu während seiner Untersuchungshaft in Hamburg verhören, was dieser aber verweigerte. Auffällig ist, dass die Angriffe auf die US-Vertretungen in der Türkei in diesem Prozess nicht thematisiert werden. Da das deutsche Gesetz eine zweimalige Verurteilung wegen derselben Tat verbietet, soll so offenbar der Weg für eine Auslieferung Asoglus an die USA nach Verbüßung seiner Haft in Deutschland offengehalten werden. Voraussetzung wäre, dass die US-Behörden vertraglich zusichern, keine Todesstrafe zu verhängen.

In der Untersuchungshaft im Hamburger Gefängnis Holstenglacis wurde über Asoglu strenge 24stündige Total­isolation verhängt. Anwaltsbesuche durften nur mit Trennscheibe stattfinden. Der Prozess ist auf ein Jahr terminiert. »Da die Verurteilung schon feststeht und ihre Funktion auf das ›Mitmachen bei diesem Justiztheater‹ reduziert ist, hat die Verteidigung im Prozess für uns keine positive Bedeutung«, heißt es in einem Schreiben von Asoglu an seine Unterstützer. »Alles ist in den Paragraph-129-Verfahren schon standardisiert und wirkt wie abgesprochen. Darauf zu reagieren, ist nicht eine juristische, sondern eine politische Option.«

Ein Freiheitskomitee für Musa Asoglu ruft zu einer ganztägigen Kundgebung während des ersten Prozesstages vor dem Gerichtsgebäude auf. Zudem findet am 10. und 11. Februar eine zweitägige internationale Konferenz im Centro Sociale mit Aktivisten und Rechtsanwälten aus Deutschland, Belgien und der Türkei zum Sonderstrafrecht der Terrorparagraphen 129a/b Strafgesetzbuch statt.

freemusablog.wordpress.com

Deutschland: »Gewaltenteilung wird zur Farce«

Am Freitag begann in München ein Prozess gegen türkische Revolutionäre. Die Ermächtigung dazu hat das Justizministerium gegeben. Ein Gespräch mit Roland Meister
Interview: Kevin Hoffmann, junge Welt 21.6.2016

Roland Meister ist Rechtsanwalt aus Gelsenkirchen und vertritt Sami Solmaz

Am vergangenen Freitag begann der Prozess gegen zehn türkische Revolutionäre vor dem Oberlandesgericht München. Die Beschuldigten sind Aktivisten der »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa«, ATIK. Was wird ihrem Mandanten und den anderen Angeklagten an konkreten Straftaten vorgeworfen?

Unsere Mandanten werden nach Paragraph 129b Strafgesetzbuch angeklagt. Ihnen wird aber keine konkrete Straftat vorgeworfen. Man hält ihnen vor, dem sogenannten Auslandskomitee der »Türkischen Kommunistischen Partei/Marxistisch-Leninistisch«, TKP/ML, anzugehören. Nach den Paragraphen 129 a und b besteht hier die Möglichkeit zur Bestrafung mit bis zu zehn Jahren Gefängnis. Mit diesen Paragraphen wurde in Deutschland in den letzten Jahrzehnten ein umfassendes Instrumentarium zum Kampf gegen den sogenannten Terrorismus entwickelt. Seit dem August 2002 wird es insbesondere zur Unterdrückung und Kriminalisierung fortschrittlicher und revolutionärer Organisationen im Ausland eingesetzt. Seither wurden mehrere hundert Verfahren gegen Menschen, die linken Kräften in der Türkei angehören sollen, eingeleitet. In der Regel endeten sie mit Haftstrafen. Gegenwärtig sind vor den Staatsschutzsenaten verschiedener Oberlandesgerichte in Deutschland Verfahren gegen angebliche Angehörige der »Arbeiterpartei Kurdistans«, PKK, bzw. der »Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front«, DHKP/C, anhängig.

Welches Verständnis der Begriffe »Terrorismus« oder »terroristische Organisation« liegt dem Verfahren zugrunde?

Die TKP/ML wird als »ausländische terroristische Vereinigung« bezeichnet. Im internationalen Völkerrecht gibt es keine einheitliche Definition, was »Terrorismus« bzw. eine »terroristische Vereinigung« sind. Bereits selbständige Arbeitskämpfe werden mitunter als »Terrorismus« bezeichnet. Nach der gesetzlichen Regelung in Paragraph 129a gelten Taten als terroristisch, die darauf zielen, einen Staat oder eine internationale Organisation erheblich zu schädigen. Der TKP/ML und den Angeklagten wird vorgeworfen, in der Türkei gegen das Erdogan-Regime zu kämpfen, um es zu stürzen und statt dessen eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Der revolutionäre Befreiungskampf wird so als Terrorismus abgestempelt.

Worauf beruft sich die Bundesanwaltschaft im Verfahren gegen die Angeklagten?

In der Anklageschrift werden u. a. Hunderte abgehörte Telefonate oder SMS genannt, die teilweise über Jahre gesammelt wurden. Vorgeworfen wird den Angeklagten etwa das Sammeln von Spenden, das Schreiben von Berichten. Aus anderen Verfahren wissen wir, dass das Organisieren eines Dönerstandes als mitgliedschaftliche Betätigung angesehen werden kann. Was die Beweise angeht, stützt man sich auf eine umfassende Zusammenarbeit zwischen deutschen und türkischen Geheimdiensten und der Polizei, die sich regelmäßig zur sogenannten Terrorismusbekämpfung treffen. Das Verfahren in München hat deshalb eine besondere Funktion, da es sich auch gegen kämpferische migrantische Strukturen richtet, hier der ATIK. Weder sind die TKP/ML oder die ATIK in Deutschland verboten, noch stehen sie auf der sogenannten Antiterrorliste der EU.

Wie bewerten Sie aus politischer Sicht das Verfahren?

In Paragraph 129b wird das juristische Vorgehen gegen einzelne Gruppierungen mit den Interessen der Bundesregierung vermengt. Die Strafverfolgung hängt von einer politischen Entscheidung der Bundesregierung ab, konkret einer Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz. Die Regierung hat diese ausdrücklich erteilt. Ihr ist dabei nicht unbekannt, dass mit der TKP/ML und der PKK Kräfte kriminalisiert werden, die an führender Stelle im Kampf gegen den faschistisch-islamistischen »Islamischen Staat« stehen. Die deutsche Regierung unterstützt mit diesen Ermächtigungen das reaktionäre Erdogan-Regime. Zugleich wird die Gewaltenteilung durch die Ermächtigung der Bundesregierung zu einer Farce.

Ihr Mandant sitzt bereits in Untersuchungshaft. Wie gestaltet sich die?

Die Angeklagten sitzen jetzt seit mehr als 14 Monaten in Untersuchungshaft. Vier der Angeklagten wurden von anderen europäischen Ländern an Deutschland ausgeliefert. Die Verteidigung wird eingeschränkt. So können wir mit unseren Mandanten nur durch eine Trennscheibe reden. Auch der Briefwechsel wird kontrolliert, und es dauert Wochen, bis uns Briefe unseres Mandanten erreichen. Gegen meinen Mandanten betreibt die türkische Regierung ein Auslieferungsverfahren. Ihm droht in der Türkei erneut Folter, nachdem er dort bereits mehrere Jahre lang inhaftiert war und gefoltert wurde.Interview: Kevin Hoffmann

Politische Gefangene in der Türkei

Am 27. November wurde in der Türkei eine politische Gefangene der Maoistischen Kommunistischen Partei (MKP) aus „Sicherheitsgründen“ vom Typ-E Frauengefängnis in Elazığ in ein Typ-F Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Aus demselben Knast wurde am 11. November berichtet, dass Gefangene der Volksfront (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front – Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C)) und der MKP von Soldaten und Gefängniswärterinnen angegriffen, beleidigt und sexuell misshandelt wurden, nachdem sie sich weigerten, Leibesvisitationen zuzulassen, zu denen die Gefangenen sich nackt ausziehen sollten. In der Folge wurde den Gefangenen sowohl verweigert die Krankenstation aufzusuchen als auch die Ereignisse zu dokumentieren.

Am 10. November wurde ein weiterer Angehöriger der MKP aus „Sicherheitsgründen“ in ein anderes Typ-F Hochsicherheitsgefängnis verlegt, zuvor wurden ihm Kommunikation und Besuche verwehrt.

Neben diesen Berichten über den Umgang der Reaktion mit den inhaftieren politischen Gefangenen, zeigt sich in der letzten Woche auch auch, was für Gründe bereits ausreichen, um in den Knast zu wandern. Nachdem Putin im Zusammenhang mit dem am 24. November abgeschossenen Flugzeug in der Nähe der türkischen Grenze erklärte, das Flugzeug wurde abgeschossen, um die Aufdeckung von Öllieferungen des Islamischen Staat (IS) an die Türkei zu verhindern, wurden am 26. November zwei Journalisten mit dem Vorwurf der Spionage festgenommen. Sie veröffentlichten 2014 Material, das Munitionslieferungen des türkischen Geheimdienstes MİT (Millî İstihbarat Teşkilatı – Nationaler Nachrichtendienst) an syrische Milizen, mutmaßlich Angehörige des IS dokumentiert. Ebenso mit dem Vorwurf der Spionage wurden zwei Generäle und ein Oberst der Militärpolizei verhaftet, die im Januar 2014 einen Munitionstransport auf dem Weg nach Syrien stoppen liessen.
Geschrieben von phle

http://political-prisoners.net/item/3943-politische-gefangene-in-der-tuerkei.html

Weiterhin Schikanen gegen Gülaferit Ünsal: Das System Pankow kommt zurück

Nur wenige Monate nach dem erfolgreichen Ende ihres 54-tägigen Hungerstreiks gehen die Übergriffe und Provokationen gegen die politische Gefangene Gülaferit Ünsal weiter.

Die Freude und Erleichterung bei den solidarischen Unterstützer*innen waren groß, als am 29. Mai das Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses Canan Bayram das Gebäude des Pankower Frauenknasts verließ und verkündete, dass Gülaferit Ünsal ihren Hungertreik nach 54 Tagen erfolgreich beendet hatte.

Gülaferit ist eine politische Gefangene die im Juli 2011 auf Antrag der Bundesanwaltschaft in Griechenland in Auslieferungshaft gekommen und nach drei Monaten nach Deutschland in den Frauenknast in Berlin-Lichtenberg deportiert wurde. Nach zwei Jahren Isolationshaft wurde sie im Mai 2013 zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt.

Ihr wird vorgeworfen Mitglied in der türkischen Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C), gewesen zu sein. Dabei soll sie für den Verkauf von Zeitschriften und die Organisation kommerzieller Veranstaltungen zuständig gewesen sein und Spendenkampagnen koordiniert haben. Unter Verwendung des Gesinnungsparagraphen 129b wurden diese eigentlich legalen Tätigkeiten zu einer Gefahr für die Staatsicherheit der BRD hochgejazzt. Wie auch in anderen 129b-Verfahren beruhten große Teile der Anklage auf Informationen von türkischen Sicherheitskräften. Dass beim Zustandekommen solcher Beweise in der Türkei Folter keine Seltenheit ist, war für die Richter nicht relevant.

Mit ihrem Hungerstreik hatte Gülaferit gegen Schikanen und Provokationen durch Schließer*innen und unsolidarische Mitgefangene protestiert. Unter anderem wurde sie von einer Mitgefangenen mit einem Messer bedroht, von einem Schließer sexuell belästigt und es wurden ihr tagelang keine Zeitungen ausgehändigt – ihrer einzigen Möglichkeit sich über die Außenwelt zu informieren.

Nach über Wochen andauernden Protestkundgebungen und Demos vor dem Knast und in verschiedenen Städten Deutschlands und Europas, musste sich eine Abgeordnete die Forderungen der Bewegung zu eigen machen, damit der Widerstand gegen offensichtliche Rechtsbrüche zu einem Erfolg führte. „Für mich als Anwältin ist es absurd, dass man mehr als 50 Tage in den Hungerstreik gehen muss, um seine Rechte zu bekommen“, so Canan Bayram.

In einem von Gülaferit, ihrer Rechtsanwältin, der Gefängnisleitung und Canan Bayram unterschriebenen Protokoll wurde festgehalten, dass die Gefangene Zeitungen und Post künftig sofort ausgehändigt bekommt. Die Gefängnisleitung verpflichtete sich gegenüber Gülaferit „zu einem Umgang in interkulturell respektvoller Form”. Zudem sollten künftig Bedrohungen von Gülaferit im Gefängnis untersucht und geahndet werden. Sowohl Canan Bayram, als auch Hakan Taş (Linkspartei) ein weiteres Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses kündigten an sie regelmäßig zu besuchen, um die Versprechen der Knastleitung zu überprüfen, ebenso wie die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Linke).

Drei Monate sind vergangen seit Knastleitung und Parlamantarier*innen ihre Versprechen abgegeben haben. Der Frauenknast in Pankow wurde Mitte Juli wegen Personalmangels geschlossen und Gülaferit in den Frauenknast Lichtenberg verlegt, wo sie bereits in Untersuchungshaft gesessen hatte.

Der Knast in Lichtenberg wird von der gleichen Leitung verwaltet, wie der Knast in Pankow und ist wohl zumindest von der Architektur her komfortabler. Der Hof ist größer und Gülaferit kann zum ersten mal seit vier Jahren wieder die Sonne sehen, weil sie bisher immer Zellen an der Nordseite hatte.

Das war es aber auch schon mit den positiven Entwicklungen. Die Schikanen durch die Schließer*innen, die von Pankow nach Lichtenberg mitverlegt wurden, gehen unvermittelt weiter und die Konflikte mit anderen sind auch alles andere als Geschichte.

Beispielsweise kam es zu einer Auseinandersetzung mit einer Mitgefangenen, die für die Herausgabe der Putzmittel verantwortlich war, die die Gefangenen brauchen um ihre Zellen in sauberem Zustand zu halten. Die Mitgefangene gab die Putzmittel allerdings nur an „Deutsche” Gefangene heraus. „Ausländerinnen” blieben außen vor. Ein Zustand, der Schließer*innen, frei nach dem Prinzip „teile und herrsche”, nicht zu stören schien. Dieses Günstlingssystem hat Gülaferit skandalisiert, kritisiert und dadurch verändert – der Putzschrank ist jetzt für alle Gefangenen zugänglich.

Wenige Tage später fiel zufällig nur in Gülaferits Zelle der Fernseher aus, den sie auch zum Telefonieren braucht. Als sie sich beschwerte sagten ihr die Wärter*innen sie könne ja bei der Telefonfirma anrufen.

Auch die Zeitungen wurden ihr nur solange zuverlässig ausgeliefert, wie Aktive der Roten Hilfe Berlin sie jeden Morgen persönlich beim Knast vorbei brachten. Seit die Rote Hilfe diese Praxis vor ca. zwei Wochen (Stand Ende August) wieder eingestellt hat, bekommt Gülaferit oft tagelang keine Zeitungen mehr.

Von den Parlamentarier*innen, die angekündigt hatten Gülaferit regelmäßig zu besuchen ist lediglich Canan Bayram am 1.Juli, also noch vor ihrer Verlegung nach Lichtenberg, aufgetaucht.

Die Schließer*innen fragen schon „Na, wo bleibt denn ihre Canan Bayram?”

Die letzten Monate haben wieder einmal gezeigt, dass das Wort von Mächtigen und Mandatsträger*innen nur solange das Papier wert sind auf dem sie geschrieben wurden, wie sie von einer solidarischen und kritischen Bewegung kontrolliert werden. Kaum hatte sich der Blick der Öffentlichkeit wieder von den Zuständen in den Berliner Frauenknästen abgewendet wurde das „System Pankow”, um es mit Gülaferits Worten zu sagen, wieder eingeführt. Es liegt an uns die Knastleitung und Parlamentarier*innen wieder an ihre Versprechen zu erinnern.

Soligruppe Gülaferit Ünsal, https://linksunten.indymedia.org/de/node/153353

Terrorkeule gegen Freiheitskämpfer

Nick Brauns | Linke Migrantenverbände aus der Türkei geraten immer öfter ins Fadenkreuz deutscher Ermittler

Die für zahlreiche Morde und Massaker in der Türkei verantwortlichen faschistischen Grauen Wölfe konnten seit den 70er Jahren mit Hilfe des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Deutschland Fuß fassen. Der damalige CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Franz Josef Strauß entdeckte 1978 im Gespräch mit dem Führer der Grauen Wölfe, Alparslan Türkes, viele Gemeinsamkeiten im Kampf gegen die »kommunistische Gefahr«. Entsprechend versprach Strauß, dass die Grauen Wölfe, die auch in Deutschland gewaltsam gegen linke Arbeitsmigranten aus der Türkei vorgingen, stets ein günstiges Klima vorfinden sollen. Das Versprechen gilt auch heute noch: Ende April kamen wieder 10.000 türkische Nationalisten ungestört in der Oberhausener König-Pilsener-Arena zusammen.

Dagegen stehen linke Migrantenvereinigungen aus der Türkei seit Jahrzehnten im Fadenkreuz deutscher Sicherheitsbehörden. Tausende Kurden wurden und werden mit Strafverfahren überzogen, weil sie die 1993 verbotene Arbeiterpartei Kurdistans PKK unterstützt haben sollen. Ab dem 20. Mai dieses Jahres muss sich zum Beispiel der kurdische Aktivist Mehmet D. vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach Paragraph 129b Strafgesetzbuch verantworten. Gewalttaten in Deutschland werden dem seit Sommer vorigen Jahres in Untersuchungshaft sitzenden Kurden nicht vorgeworfen. Vielmehr soll er als hauptamtlicher Kader Spenden und Mitgliedsbeiträge gesammelt und PKK-Anhänger zu Veranstaltungen und Schulungen mobilisiert haben. Geschehen sein soll all dies zwischen Januar 2013 und Juli 2014. Zu diesem Zeitpunkt ließ die PKK im Zuge von Friedensgesprächen ihres gefangenen Vorsitzenden Abdullah Öcalan mit Regierungsvertretern in der Türkei die Waffen ruhen, führte aber im Irak und Syrien einen erbitterten Widerstandskampf gegen das Vordringen der IS-Terroristen. Zwar rüstet die Bundesregierung derzeit selbst die im Kampf gegen den IS nur mäßig erfolgreichen Peschmerga der allerdings über gewaltige Ölfelder gebietenden Barsani-Regierung im kurdischen Nordirak mit Bundeswehrwaffen aus. Doch von Kurden aus Deutschland, die sich dem Kampf der PKK gegen den IS anschließen, gehe eine mit den Dschihadisten qualitativ vergleichbare Gefährdung aus, behauptete das Bundesinnenministerium vergangenen Oktober. Entsprechend prüft die Bundesanwaltschaft, ob nicht auch gegen die in Deutschland legale Marxistisch-Leninistisch-Kommunistische Partei (MLKP) aus der Türkei wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland ermittelt werden müsse. Grund dafür ist, dass sich mehrere Mitglieder dieser Partei – darunter die im März 2015 bei der Verteidigung eines aramäischen Dorfes gefallene Duisburger Internationalistin Ivana Hoffmann – dem Kampf gegen den IS in Rojava angeschlossen haben.

Ebenfalls in Rojava kämpfen Mitglieder der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML). Sieben mutmaßliche Mitglieder dieser in Deutschland weder verbotenen noch auf der EU-Terrorliste genannten maoistischen Partei wurden am 15. April 2015 bei Razzien in vier Bundesländern aufgrund von Haftbefehlen der Bundesanwaltschaft unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verhaftet. Die TKP/ML habe das Ziel, in der Türkei ein »kommunistisches Regime« zu errichten und dafür zahlreiche Anschläge begangen, heißt es in der Anklageschrift. Seit 2007 habe sie dabei auch gemeinsam mit der PKK-Guerilla agiert, wird der vor allem in der rebellischen Bergregion Dersim im Osten der Türkei verankerten Partei strafverschärfend angerechnet. Die Verhafteten – allesamt Mitglieder der seit den 80er Jahren bestehenden, für die Rechte von Arbeitsmigranten eintretenden Föderation der Arbeiter aus der Türkei (ATIF) – sollen Finanzmittel beschafft sowie Propaganda- und Schulungsveranstaltungen durchgeführt und neue Mitglieder für die Partei rekrutiert haben. Zu von der deutschen Bundesanwaltschaft im Zuge von Amtshilfe veranlassten Verhaftungen von türkeistämmigen Kommunisten kam es auch in Frankreich, der Schweiz sowie der griechischen Hauptstadt Athen. Für die dortige Syriza-Regierung dürfte es zu einem Test werden, ob sie tatsächlich der Auslieferung von drei türkeistämmigen Linken an die Bundesrepublik zustimmt.

An den Ermittlungen gegen die mutmaßlichen TKP/ML-Kader mitgewirkt hatte auch der V-Mann des Bundesnachrichtendienstes Alaattin A. Dieser war 2010 zum Deutschland-Verantwortlichen der in der Bundesrepublik verbotenen und auf der EU-Terrorliste genannten Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) aufgestiegen. Aus A.s junge Welt vorliegender Ermittlungsakte geht hervor, dass der V-Mann nicht nur Aussagen über angebliche DHKP-C-Mitglieder gemacht hatte, die zur Verurteilung von drei Funktionären der legal in Deutschland bestehenden Anatolischen Föderation zu zum Teil langjährigen Haftstrafen beitrugen. Auf Fotos, die ihm Beamte des Bundeskriminalamtes vorlegten, denunzierte A. zudem einen in Duisburg lebenden ehemaligen Mitgefangenen aus der Türkei als »einer höheren Ebene der TKP/ML« angehörend und einen Kölner Restaurantbesitzer als einen »alten Kader der TKP/ML«. Der 2010 selbst wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhaftete V-Mann A. erhielt aufgrund seiner zuvor gut entlohnten Spitzeltätigkeit eine milde Haftstrafe von lediglich zwei Jahren auf Bewährung. Ein von der Generalbundesanwaltschaft gegen A.s V-Mann-Führer beim BND eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung wurde nach Paragraph153d »Absehen von Strafverfolgung bei politischen Straftaten« eingestellt.

Quelle: Staat & Gewalt, Beilage der jW vom 20.05.2015

Urteile im Stuttgarter §129b Prozess:

Am Dienstag, den 28. Juli 2015 wurde im Stuttgarter §129b Prozess das Urteil gegen Özgür Aslan, Sonnur Demiray, Muzaffer Dogan und Yusuf Tas gefällt. Nachdem die Bundesanwaltschaft (BAW) im Prozess bereits Haftstrafen von 4 bis zu 6 ½ Jahren gefordert hatte kam der Vorsitzende des 5. Senats H. Wieland dem beinahe komplett nach und verurteilte die 4 Angeklagten zu langjährige Haftstrafen: 4 Jahre und 9 Monate für Özgür Aslan, 5 Jahre 6 Monate für Sonnur Demiray und jeweils 6 Jahre für Yusuf Tas und Muzaffer Dogan.

Die Aktivitäten für die die vier nun zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden sind bspw. Informationsarbeit, Spendensammlungen und die Organisierung von Musikveranstaltungen, darunter vor allem ein Großkonzert mit der türkischen revolutionären Band „Grup Yorum“.

Im Laufe des Verfahrens, das im September 2014 begann und dessen Akten sich auf 60 000 Seiten erstreckte, versuchte die BAW und auch der Senat mehrmals eine direkte Verbindung von der DHKP-C zu Grup Yorum herzustellen und führte auch die bereits in anderen Prozessen begonnene Strategie des „Alles ist die DHKP-C“ fort, in dem auch die Räumlichkeiten der Anatolischen Föderation wieder und wieder als DHKP-C Räumlichkeiten betitelt wurden. Das kann auch als Marschrichtung seitens des Senats verstanden werden, wohin die Kriminalisierung führen soll.

Im Zuge des Verfahrens kam es darüber hinaus zur Festnahme eines 61jährigen Aktivisten, der im Winter letzten Jahres den Prozess besuchen wollte und dabei für einige Wochen weggesperrt wurde. Ihm wird nun vorgeworfen als Teil der DHKP-C an einem „politisch motivierten Mord in der Türkei“ (Stuttgarter Zeitung) beteiligt gewesen zu sein. Der Prozess wird ebenfalls in Stuttgart stattfinden.

Solidarität

Zur Urteilsverkündung fanden sich 50 Personen ein, die den Gefangenen ihre Solidarität ausdrücken wollten. Bereits eine Woche zuvor, am 23. Juli fand ebenfalls eine Prozessbeobachtung zu der Verlesung von politischen Erklärungen der Gefangenen statt, bei der sich knapp 70 Personen beteiligt hatten. Im Zuge dessen kam es zur Verhängung von Ordnungsgelder in Höhe von jeweils 200 Euro gegen 3 AktivistInnen, die dem Gericht nicht den – ihrer Meinung nach – nötigen Respekt zu kommen ließ und ein Aktivist wurde wegen Rufen von Parolen zu einer Ordnungshaft von 2 Tagen weggesperrt.

Hintergrund

Die vier waren im Zuge einer Großrazzia am 23. Juni 2013 mit dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) mit Hilfe des §129b verhaftet worden. Yusuf Tas und Özgur Aslan wurden im Zuge dessen von Österreich nach Deutschland ausgeliefert. Gegen die Auslieferung gingen die beiden in einen 48 bzw. 50 Tage andauernden Hungerstreik, was im Falle von Özgür Aslan auch gesundheitliche Konsequenzen hatte.

Mittlerweile wurden über 20 Personen mit Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C und mit Hilfe des §129b auf die Anklagebank gezerrt und abgeurteilt. Ebenfalls im Visier sind kurdische AktivistInnen, denen die Mitgliedschaft in der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) vorgeworfen werden. Im April wurden nun auch 11 ATIK Mitglieder mit Hilfe des §129b weggesperrt. Sie sollen Mitglieder der TKP/ML (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch) sein.

Terrorist ist…

Mit der Brandmarkung als Terrorist, mit der Diffamierung von politischen AktivistInnen als Gefahr für die Gesellschaft wird die Realität von den Füßen auf den Kopf gestellt: Diejenigen, die für eine klassenlose Gesellschaft kämpfen und zielgerichtet und bewusst sich gegen die herrschenden Verhältnisse richten, werden als angebliche Gefahr für die Bevölkerung stilisiert, während diejenigen, die tatsächlich die Menschen durch Bomben, Verhaftungen, Hunger und der alltäglichen Ausbeutung – die täglich mehrere tausend Menschen das Leben kostet – terrorisieren, als Menschenrechtler und Friedensbringer gefeiert werden.

So wird der Steinwurf oder das Verteilen einer Zeitung zur terroristischen Tat während der Panzer der Herrschenden zum Friedensbringer verklärt wird.

Umso notwendiger ist es Tag für Tag dieser Repression unsere Solidarität entgegenzusetzen. Denn wenn Repression in der kapitalistischen Logik auf Widerstand folgt, so muss in einer revolutionären Logik Solidarität auf Repression folgen.

Terrorist ist der, der verhungern lässt, bombardiert und verhaftet!
Wir grüßen euch, Özgür, Sonnur, Muzaffer und Yusuf, mit all unserer Kraft!

Schreibt den Gefangenen:

Özgür Aslan, Muzaffer Dogan, Yusuf Tas
Asperger Str. 60
70439 Stuttgart

Sonnur Demiray
Herlikofer Straße 19
73527 Schwäbisch Gmünd

Anmerkung: Vermutlich werden die Gefangenen demnächst verlegt. Achtet auf Ankündigungen!

Quelle: http://political-prisoners.net/item/3665-urteile-im-stuttgarter-s129b-prozess.html

Urteilsverkündung im Stuttgarter 129b-Prozess wegen DHKP-C steht bevor

Bis zu sechseinhalb Jahre für legale Vereinstätigkeit gefordert

Göttingen, 25. 07.2015

Am kommenden Dienstag, 28. Juli 2015 geht in Stuttgart der Prozess gegen vier Angehörige der Anatolischen Föderation zu Ende, denen Mitgliedschaft in der linken türkischen Gruppierung ‘DHKP-C’ vorgeworfen wird. Muzaffer Dogan, Yusuf Tas, Sonnur Demiray und Özgür Aslan waren am 26. Juni 2013 im Zuge einer internationalen Großrazzia gegen linke türkische Vereinsstrukturen verhaftet worden und befinden sich seitdem in Isolationshaft. Bei den Aktivitäten, die den Angeklagten vorgeworfen werden, handelt es sich um vollkommen legale Tätigkeiten im politischen und kulturellen Bereich wie Informationsarbeit, Spendensammlungen und die Organisierung von Musikveranstaltungen, darunter vor allem ein Großkonzert mit der beliebten türkischen Band ‘Grup Yorum’.

Die Bundesanwaltschaft fordert Haftstrafen von bis zu sechseinhalb Jahren.
Dass derartige linke Arbeit kriminalisiert werden kann, ist einzig dem Gummiparagrafen 129b zu verdanken, der sich hier erneut als staatliche Allzweckwaffe gegen die migrantische Linke zeigt.

Das Gesetz, das die Betätigung für “terroristische Organisationen im Ausland” unter Strafe stellt, wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 unter dem Vorwand eingeführt, islamistische Gruppen bekämpfen zu wollen. Tatsächlich kommt der neue Paragraf aber in erster Linie gegen linke Bewegungen zum Einsatz und dient der umfassenden Kriminalisierung politischer Basisarbeit, indem ein Bezug zu Organisationen konstruiert wird, die in anderen Ländern militant agieren. Welche fortschrittlichen Gruppierungen als “terroristisch” eingestuft werden, entscheidet die Exekutive in Form des Bundesjustizministeriums. Diese Einstufung unterliegt den Interessen der Bundesregierung und ihrer Verbündeten, und bei wechselnden Allianzen können sich “Terrorgruppen” in Windeseile zu legitimen Freiheitsbewegungen wandeln – oder umgekehrt. Im Fall des NATO-Partners Türkei ist die Beurteilung klar: terroristisch ist, wer vom repressiven Regime unter Erdogan verfolgt wird, weshalb in den letzten Jahren zahlreiche 129b-Prozesse gegen vermeintliche Mitglieder der linken türkischen DHKP-C und der kurdischen PKK mit langjährigen Haftstrafen endeten.

Im Fall des aktuellen Verfahrens in Stuttgart steht zu befürchten, dass das Gericht ein weiteres Gefälligkeitsurteil gegenüber der türkischen Regierung folgen lässt.

Die Rote Hilfe e. V. fordert erneut die Einstellung sämtlicher 129b-Verfahren. Wir werden uns auch weiterhin für die Abschaffung der Gesinnungsparagraphen 129a und 129b einsetzen.

H. Lange für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V.

Quelle: http://political-prisoners.net/item/3664-urteilsverkuendung-im-stuttgarter-129b-prozess-wegen-dhkp-c-steht-bevor.html

Pressefreiheit verteidigen: Deutschland verbietet die wöchentlich erscheinende Zeitschrift Yürüyüs

Am 06. Mai 2015 stürmten rund 130 Beamte Wohnungen und Vereinsräumlichkeiten in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Baden-Württemberg.

Grund des Großaufgebots war ein zuvor ergangenes Verbot der linken türkischen Zeitung Yürüyüs. Das seit 2005 bestehende wöchentlich erscheinende Magazin setzt sich aus Perspektive der marxistisch-leninistischen Opposition mit den Verhältnissen in der Türkei auseinander und bezieht zu diesen pointiert und eindeutig Stellung.

Das nun verhängte Verbot wurde von Bundesinnenminister Thomas de Maizière damit begründet, dass die Zeitschrift „Propaganda der linksterroristischen Gruppierung DHKP-C“ verbreite und man das nicht hinnehmen könne. Man dulde keine „Propaganda über die gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei“.

Fraglich bleibt, auf welcher Grundlage die Einschätzung erfolgte, es handle sich bei Yürüyüs um ein Organ der in der Türkei und der Europäischen Union als „terroristische Vereinigung“ verfolgten und in Deutschland schon seit 1998 verbotenen DHKP-C?

Die Zeitschrift Yürüyüs selber widerspricht dem ganzen. In ihrer Ausgabe Nr. 469 nehmen sie ganz klar Stellung zu dem Vorwurf und schreiben, dass dem nicht so sei. Thomas de Maizière bleibt den Beweis schuldig. Somit ist dieser Verbot willkürlich.

Aber auch gar nicht rechtskräftig ohne Gerichtsbeschluß.

Ein juristischer Kampf steht noch aus.

 

Es besteht kein Zweifel daran, dass Deutschland mit diesem Verbot der AKP-Regierung einen Gefallen getan hat. Denn die Zeitschrift wird auf türkisch publiziert, erreicht somit ohnehin ein begrenztes Spektrum.

So gesehen gibt es keinen Grund, warum sich der deutsche Innenminister an dieser Zeitschrift stören könnte.

Ganz anders sieht es dagegen bei Erdogan aus. Yürüyüs ist eines der wenigen Zeitschriften, die sich von den Repressionen nicht beeindrucken lassen und die Regierung, die Regierungspolitik scharf kritisieren. Sicher ist die Yürüyüs nicht neutral, nimmt klar Stellung zur tagesaktuellen Politik.

Und sicher tut sie auch ihre Meinung kund, verkündet z.B. Recep Tayyip Erdogan: „wie alle Diktaturen, wird eines Tages auch eure untergehen.“

Es gibt aber keine Zeitung/Zeitschrift auf der Welt, die keine Position hätten und diese nicht wiedergeben würden, ganz gleich ob Focus oder NYT.

Nach der Geiselnahme eines Staatsanwaltes durch DHKC-Kämpfer, deren Absicht es war, die Namen der Todesschützen von Berkin Elvan ausfindig zu machen, hat Yürüyüs die Exekution der Geiselnehmer scharf kritisiert und das Vorgehen der Kämpfer als legitim bezeichnet.

Dies dürfte wohl den Zorn der faschistischen Regierung in der Türkei auf sich ziehen.

Daran ist nichts verwunderlich.

Aber Deutschland nimmt für sich in Anspruch eine zumindest „bürgerliche Demokratie mit Pressefreiheit“ zu sein.

Da geht ein Presseverbot gar nicht.

Auch die Begründung des Verbotes ist mehr als heuchlerisch.

Was ist mit den ganzen Selbstmordanschlägen der Freien Syrischen Armee in Syrien, welche von der deutschen Regierung unterstützt wird?

Warum werden dann die ganzen AKP-nahen Zeitungen nicht verboten?

Zudem ist der türkische Staat der wahre Terrorist.

Wer einigermaßen aufmerksam die Vorgänge in Anatolien verfolgt, wird auch feststellen, dass es die mit Berlin befreundete Regierung in Ankara ist, die sich zahlloser Terrorakte schuldig gemacht hat.

Das Repertoire reicht von der Vorbereitung eines Angriffskriegs, über illegale Waffenlieferungen an syrische Dschihadisten , massive Korruption und Unterschlagung, Tote durch systematische Polizeigewalt bis hin zur Diskriminierung von Kurden, Aleviten und Armeniern.

Befreundete NATO-Staaten wie Deutschland helfen dem autoritären Regime in Ankara mit geheimdienstlichen und polizeilichen Mitteln aus.

Gemeinsame wirtschaftliche wie militärische Interessen sorgen dafür, dass die deutsche Regierung keinen realistischen Blick auf die Verhältnisse in der Türkei hat. Es ist diese Kumpanei, die die Grundlage dafür abgibt, dass die BRD ohne jede kritische Distanz die Einschätzungen der türkischen Regierung übernimmt und auf deren Druck hin Oppositionsgruppen auch im Exil verfolgt.

Was würde denn nach diesem Verbot folgen?

Solidarität ist eine starke Waffe.

Solche Repressionsschläge betreffen und können uns alle treffen.

Man sollte niemals das abschreckende Beispiel des Pastor Niemöllers vergessen.

Unsere Waffe gegen die Kumpanei der Retuschen Regierung mit der AKP ist die Solidarität.

Jeder kann etwas gegen die Zensur der Presse tun.

Ihr könnt dem deutschen Innenminister schreiben, die Aufhebung des Presseverbotes der Yürüyüs fordern.

Proteste an:

Bundesministerium des Innern

Alt-Moabit 140
10557 Berlin
Telefon:+49-(0)30 18 681-0
Fax: +49-(0)30 18 681-12926
E-Mail: poststelle@bmi.bund.de

Internationale Plattform gegen die Isolation

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Linke Zeitschrift verboten

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat die Verbreitung einer linken Zeitung verboten, die der türkischen linken Organisation »Revolutionäre Volksbefreiungspartei/-front (DHKP/-C) nahestehen soll. Die Zeitschrift Yürüyüs propagiere offen die gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung und die Errichtung eines sozialistischen Gesellschaftssystems in der Türkei, teilte das Bundesinnenministerium am Mittwoch in Berlin mit. Zudem propagiere sie Selbstmordattentate als eine unabdingbare Form des Klassenkampfes sowie den bewaffneten Volkskampf unter Führung des militärischen Arms der Organisation, hieß es in einer Stellungnahme des Ministeriums. Das Verbot der Zeitschrift wurde dem Ministerium zufolge am Mittwoch morgen mit umfangreichen Durchsuchungen und Beschlagnahmungen in Baden-Württemberg, Berlin und Nordrhein-Westfalen umgesetzt. »Die Propaganda der linksterroristischen Gruppierung DHKP/-C in Deutschland nehmen wir nicht hin«, so de Maizière. Nicht ohne Grund sei die Organisation bereits seit 1998 in Deutschland verboten. »Deutschland ist eine wehrhafte Demokratie, wir dulden keine Propaganda über die gewaltsame Beseitigung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung in der Türkei, und schon gar keine Verherrlichung von Selbstmordattentaten.« Die DHKP-/C steht sowohl in der Europäischen Union als auch in den USA auf der Liste »terroristischer Organisationen«. Ihre Anhänger hatten Ende März in Istanbul einen Staatsanwalt als Geisel genommen. Der Mann und die beiden Geiselnehmer kamen bei der Erstürmung durch die Polizei ums Leben.

Quelle: Junge Welt

§129b Prozess in Stuttgart beginnt am 02.September

Am 02. September beginnt in Stuttgart ein weiterer §129b-Prozess mit
dem Vorwurf der Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre
Volksbefreiungspartei-Front). Angeklagt sind Muzaffer Dogan, Özgür
Aslan, Sonnur Demiray und Yusuf Tas.

Die vier wurden im Rahmen der letzten großen Razzien gegen mutmaßliche
Mitglieder der DHKP-C im Juni 2013, die in vier europäischen Ländern
durchgeführt wurden, festgenommen und befinden sich seitdem in
Untersuchungshaft. Özgür Aslan und Yusuf Tas wurden in Österreich
festgenommen und trotz eines 50tägigen Hungerstreiks der beiden und
vielfältigen Solidaritätsaktivitäten im August bzw. Oktober 2013 nach
Stuttgart-Stammheim ausgeliefert. Özgür hat bis heute mit den
gesundheitlichen Folgen seines Hungerstreiks zu kämpfen.

Der Prozess ist mittlerweile das siebte Verfahren gegen angebliche
Mitglieder der DHKP-C mit Hilfe des §129b. Bislang wurden bereits knapp
20 Linke aus der Türkei mit dem §129b angeklagt, verurteilt. Die
Angeklagten wurden mit Haftstrafen zwischen knapp 3 Jahren und über 6
Jahren hinter Gittern gesperrt.

Klar ist: Das Verfahren ist ein weiterer Schritt in der Etablierung des
§129b und in der Verfolgung von linker Politik. Umso notwendiger unsere
Solidarität auch praktisch werden zu lassen.

Kommt zum Prozessauftakt am 02. September:

Dienstag, 02. September 2014 | 9:30 Uhr
OLG Stuttgart
Olgastraße 2, 70182 Stuttgart
(NICHT in Stammheim)

 

Was wird hier kriminalisiert?

Die DHKP-C ist eine revolutionäre Organisation aus der Türkei, die vor
allem in den Armenvierteln / Gecekondus, stark vertreten ist. Gegründet
wurde die Partei 1994, ihre direkte Geschichte reicht aber zurück bis
in die 68er Bewegung und ihren Vorgängerorganisationen THKP-C
(Türkische Volksbefreiungspartei-Front) und der Devrimci Sol
(Revolutionäre Linke). Die DHKP-C kämpft für Sozialismus und verfügt
über einen bewaffneten Arm, der zuletzt mit einer Vergeltungsaktion an
einem Polizisten, als Rache wegen des Tods von Berkin Elvan, in
Erscheinung getreten ist

Die Organisation ist trotz eines verlautbarten Gewaltverzicht auch in
Deutschland verboten und steht sowohl auf der Antiterrorliste der EU,
als auch der USA.

In den Prozessen, die hier in der BRD stattgefunden haben und weiterhin
stattfinden geht es aber in erster Linie um den Vorwurf der Rückfront.
Das heißt den Angeklagten wird vorgeworfen durch Vereinsarbeit, dem
Organisieren von Konzerten, Picknicks oder ähnlichen Aktivitäten Gelder
und Unterstützung für den Kampf in der Türkei zu sammeln. Konkret wird
ihnen nicht die Beteiligung an „illegalen“ Aktivitäten vorgeworfen,
sondern die Beteiligung an einer Organisation, die als terroristisch
eingestuft wird.
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Der §129b

In der BRD wurde 2002 – in Folge des „Kampfes gegen den Terrorismus“ –
der §129b eingeführt, der die „Mitgliedschaft und/oder Unterstützung in
einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ unter Strafe stellt
und dafür grundlegende Menschenrechte, wie auch die Unschuldsvermutung
ausser Kraft setzt. Dafür genügt schon, wenn man einer Gruppe
zugerechnet wird, die von einem geheimen Ausschuß als „terroristisch“
definiert wird. Der §129b dient dazu breitflächig MigrantInnen, die für
einen gerechten Kampf einstehen, zu kriminalisieren, wegzusperren und
abzuschieben.

Neben der DHKP-C sind vor allem auch die PKK (Arbeiterpartei
Kurdistans) und die LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam) im
Fadenkreuz des §129b.
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Ein kurzer Blick auf die bisherigen Prozesse

Stuttgart-Stammheim
Der erste Prozess mit diesem Vorwurf fand von 2008-2011 im
Prozessbunker von Stuttgart-Stammheim statt. Angeklagt waren Mustafa
Atalay, Ilhan Demirtas, Devrim Güler, Hasan Subasi und Ahmet Düzgün
Yüksel, der sich nach der Auslieferung aus Griechenland wieder in Haft
befindet. Der Rest der Angeklagten befindet sich auf freiem Fuß.

Die Strafen beliefen sich zwischen 2 Jahren und 11 Monaten bis über 5
Jahre. In diesem Verfahren ging es auch um einen angeblichen
Waffenschmuggel in die Türkei.

Faruk Ereren
Vor dem OLG Düsseldorf fand von Januar 2009 bis Ende September 2011 der
Prozess gegen Faruk Ereren statt. Im Laufe des Verfahrens wurde der
Vorwurf von §129b in Mord umgewandelt, da Faruk laut Gericht 1993 die
Anweisung zur Liquidation von zwei Polizisten gegeben haben soll. Er
wurde daraufhin zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt.
Allerdings wurde der Revision stattgegeben und Faruk befindet sich auf
freiem Fuß. Der Revisionsprozess läuft momentan weiterhin.

Düsseldorf 3
Gegen Nurhan Erdem, Ahmet Istanbullu und Cengiz Oban fand ebenfalls vor
dem OLG Düsseldorf ein weiterer §129b Prozess statt. Die Urteile fielen
erwartungsgemäß hoch aus: Nurhan Erdem wurde als “Rädelsführerin in der
DHKP-C” zu 7 Jahren und 9 Monaten, Cengiz Oban zu 5 1/2 Jahren und
Ahmet Istanbullu zu 3 Jahren verurteilt. In der Revision wurde das
Urteil gegen Nurhan Erdem gesenkt. Mittlerweile befindet sich Ahmet
Istanbullu, Nurhan Erdem wieder auf freiem Fuß und Cengiz Oban ist im
Offenen Vollzug.

Sadi Özpolat
In der Türkei war Sadi Özpolat insgesamt 17 Jahre im Knast. Er nahm am
Todesfasten 1996 teil und war Anfang des Jahrhunderts Sprecher der
hungerstreikenden Gefangenen. Sadi wurde am 19. Mai 2010 im
französischen Colmar aufgrund eines Festnahmeersuchens der
Bundesanwaltschaft festgenommen und im Juli 2010 nach Deutschland
ausgewiesen und in den Knast gesteckt. In dem §129b Prozess, das vor
dem OLG Düsseldorf stattgefunden hat wurde er zu 6 Jahren Haft
verurteilt. Momentan ist er in der JVA Bochum weggesperrt.

Gülaferit Ünsal
… wurde im Mai 2013 in Berlin zu einer Haftstrafe von 6 ½ Jahren als
„Rädelsführerin der DHKP-C“ verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen
an, dass Gülaferit von August 2002 bis November 2003 Europachefin der
in der Türkei auch bewaffnet gegen den Staat kämpfenden Revolutionären
Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) war.

Özkan Güzel
Aktuell läuft wieder einmal vor dem OLG Düsseldorf der Prozess gegen
Özkan Güzel. Özkan wurde im Juni 2013 bei der gleichen Razzia wie die
Angeklagten in Stuttgart verhaftet worden. Ihm wird der Prozess gemacht
und ihm vorgeworfen im Rahmen der Organisation der jährlichen Grup
Yorum Konzerte Gelder für die Organisation in der Türkei gesammelt zu
haben. Özkan selbst war in der Türkei am Todesfasten beteiligt und
leider unter dem Wernicke-Korsakow-Syndrom. Die Verhandlung findet vor
dem OLG Düsseldorf statt.

Verfahren gegen kurdische Aktivisten
Neben der DHKP-C steht auch die PKK (Arbeiterpartei Kurdistan) im
Fadenkreuz des §129b. Auch gegen mutmaßliche Mitglieder der PKK wurden
in den letzten Jahren einige Verfahren mit hilfe des §129b geführt.
Darunter z.B. gegen Ali Ihsan Kitay in Hamburg, der zu einer Haftstrafe
von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist, genauso wie Ridvan Ö.
und Mehmet A., die vom OLG Stuttgart 2013 zu einer Haftstrafe von
jeweils 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt wurden. weitere Infos:
www.political-prisoners.net