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Keine Kapitulation – ihr Kampf und unser Kampf

In einer Welt, in der der Profit der universelle Motor ist, der die Geschehnisse auf dem Planeten bewegt und bestimmt, überrascht es uns nicht, dass der Krieg in unserem Leben jeden Tag präsenter wird.

Krieg an den Grenzen Europas, Aufstandsbekämpfung gegen den Feind im Innern: Krieg vervielfacht die Profite der üblichen Bekannten und schlägt sich auf die ärmsten Bevölkerungsschichten, der Natur, dem Leben selbst nieder.

Die Ziele sind in allen Breitengraden die gleichen: beherrschen, ausbeuten, plündern.

Die Folgen sind ebenfalls überall die gleichen: Teuerung, Leid und Ausbeutung.

Diejenigen, die sich all dem Widersetzen, geraten unter die Räder der Repression. Seien es die Bewegungen der Volkskämpfe oder die revolutionären Organisationen und Einzelpersonen, die es wagen, Ideen und Aktionen zu verbinden.

Die gleichen Mechanismen der Isolation und Entfremdung, die in der Zivilgesellschaft grassieren und uns einsam und schwach machen, werden im Gefängnis, dem unersetzlichen Pfeiler des kapitalistischen Systems, durch Isolation, Zerstreuung und die Anwendung differenzierter Regime reproduziert und extremisiert.

Und wenn Gefängnisse und Gerichte schon immer scharfe Instrumente des Klassenkampfes waren, so gibt es auch innerhalb der Gefängnisse diejenigen, die vor diesem Kampf nicht zurückschrecken. Heute tun dies all jene Genossen, die sich entschieden haben, bis zum bitteren Ende, bis zum Tod, in den Hungerstreik zu treten.

In Italien streikt Alfredo Cospito seit dem 20. Oktober für die Abschaffung der 41-bis-Einzelhaft und der lebensfeindlichen Haftstrafe und in Solidarität mit allen revolutionären Gefangenen.

In Frankreich ist Ivan Alocco heute zum zweiten Mal im Streik, um den Kampf von Alfredo Cospito zu unterstützen.

In den von Israel besetzten Gebieten streiken Nidal Abou Aker, Ghassan Zawahreh, Salah Hamouri, Ziad Qaddoumi und Dutzende anderer Gefangener gegen eine möglicherweise endlose Verwaltungshaft.

In der Türkei wurden Aktivisten, Journalisten und Vertreter der pro-kurdischen HDP-Partei unter fadenscheinigen Terrorismusvorwürfen inhaftiert und zu Dutzenden Gefängnisjahren verurteilt. Seit Jahren kämpfen die kurdischen Gefangenen mit den Mitteln des Widerstands und des Hungerstreiks gegen das Sondergefängnis und für die Freilassung von Abdullah Öcalan und allen politischen Gefangenen aus der Isolation.

In Griechenland streikt der anarchistische Kämpfer Thanos Chatziangelou gegen die Strafverlegung in das Gefängnis Negrita, dies aufgrund seiner Teilnahme an den Kämpfen der anderen Gefangenen.

Wer mit Entschlossenheit kämpft, verliert nie: Sein Leben für die Bestätigung seiner revolutionären Werte aufs Spiel zu setzen, ist ein Sieg an sich.

Aber manchmal zahlt sich der Kampf im empirischen Sinne aus. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass zehn der elf türkischen revolutionären Gefangenen, die seit dem 7. Oktober in Griechenland im Hungerstreik sind, gegen Kaution freigelassen wurden. Diese Genossen fordern eine Prozessesüberprüfung, und weisen den Vorwurf des Terrorismus zurück. Sie verweisen auf die rücksichtslose Kollaboration zwischen dem türkischen, griechischen und amerikanischen Staat, die zu ihrer Verhaftung geführt hat.

Was die Staaten durch Folter und Isolation verlangen, ist Reue, Kapitulation, Abschwörung. Diese Genossen lehnen Kapitulation und Kollaboration ab, sie weigern sich, lebendig begraben zu werden. Der Hungerstreik ist ihr Instrument des Kampfes, ihr Körper ihr letzter Graben.

Der Widerstand dieser Gefangenen ist groß und bereichernd. Sie zahlen einen extrem hohen Preis, um die Möglichkeit und Notwendigkeit einer Revolution zu unterstützen. Unabhängig davon, welcher politischen Strömung sie angehören, sind sie ein wertvoller Teil der Befreiungsbewegung.

Das sagen auch die türkischen Gefangenen, die seit langem im Hungerstreik sind.

“Unser Widerstand eint uns.

Unser Widerstand ist die Grundlage des Internationalismus.

Unser Widerstand stärkt die Einheit unserer Völker”.

Am Donnerstag, den 19. Januar 2023, rufen wir zu einem Tag der internationalen und internationalistischen Mobilisierung für die Abschaffung von 41bis und aller Formen von Einzelhaft und Folter auf, damit die Flammen der brennenden Gefängnisse von jedem Ort der Erde aufsteigen.

Gez. Versammlung in Solidarität mit den revolutionären Gefangenen im Kampf

Aufruf zu einem Aktionstag für Alfredo Cospito

Am 20. Oktober trat der anarchistische Gefangene Alfredo Cospito in einen Hungerstreik gegen das Gefängnisregime 41bis, einen Kampf, den er bis zum Ende führen will. Die anarchistischen Gefangenen Ivan Alocco und Anna Beniamino schlossen sich dem Streik an.

41bis ist das härteste Isolationshaftregime in Europa. Ursprünglich eingeführt, um Mafiamitglieder daran zu hindern, ihre Aktivitäten vom Gefängnis aus fortzusetzen, wurde es bald auf revolutionäre Gefangene ausgeweitet, um ihnen jegliche Interaktion mit der Außenwelt zu untersagen. So sind drei Gefangene der Roten Brigaden-PCC, Nadia Lioce, Roberto Morandi und Marco Mezzasalma, seit 17 Jahren diesem System unterworfen. Der Wert ihres Widerstandes muss daran gemessen werden, dass sie sich nur politisch ergeben müssten, um aus diesem Regime herauszukommen.

Nur wenn man diese Isolationsregime als Druckmittel, als Folter, um Reue zu erzwingen, versteht, kann man dem Selbstmord der Militanten der Roten Brigaden-PCC Diana Blefari im Jahr 2009 nach vier Jahren in 41bis seine wahre Bedeutung geben. Diana konnte 41bis nicht mehr ertragen, lehnte aber den Verrat ab. Diese Entscheidung war auch eine Form des Widerstands und hat einen Präzedenzfall: Luis Rodríguez Martínez von den Antifaschistischen Widerstandsgruppen des Ersten Oktobers (GRAPO), der sich 1983 nach drei Jahren völliger Isolation im Gefängnis das Leben nahm.

Nur wenn man diese Isolationsregime als Druckmittel, als Folter, um Reue zu erzwingen, versteht, kann man den politischen Charakter der von Revolutionären durchgeführten Hungerstreiks bis zum Tod verstehen.

Wenn man die Hypothese der Verleugnung und Kollaboration zurückweist, wenn man sich weigert, lebendig begraben zu werden, dann stellt sich der Hungerstreik als einziges Mittel des Kampfes dar. In solchen Streiks opferten Holger Meins von der Roten Armee Fraktion 1974, Kepa Crespo Galende von der (wiedergegründeten) Kommunistischen Partei Spaniens 1981, Sigurd Debus in einem Hungerstreik der Roten Armee Fraktion 1981 und José Manuel Sevillano Martín von den Antifaschistischen Widerstandsgruppen des Ersten Oktobers (GRAPO) 1990 ihr Leben. Dies, um nur von Westeuropa zu sprechen, denn in der Türkei und in Kurdistan gaben Dutzende von Gefangenen in langen Streiks gegen die Einrichtung von Isolationsgefängnissen nach deutsch-italienischem Vorbild ihr Leben.

Die Anwendung von 41bis auf Alfredo Cospito erfolgt, obwohl er bereits seit zehn Jahren im Gefängnis sitzt, nachdem er wegen einem Knieschuss bei einem Chef der Firma Ansaldo Nucleare verurteilt wurde. Die Inhaftierung in 41bis hängt mit einer (vom Kassationsgericht diktierten) Umqualifizierung von zwei Bomben, die nachts vor einer Kaserne der Carabinieri explodierten, ohne jemanden zu verletzen, in “strage”, in “Attentat-Massaker”, zusammen.

Der Zynismus dieser Umqualifizierung (die ihn einer lebenslangen Haftstrafe aussetzt) ist umso heftiger, als sich im Herzen des italienischen Staates die Drahtzieher und Organisatoren der Mordanschläge befanden, die Italien mit Blut befleckt haben, wie etwa der Anschlag auf den Bahnhof von Bologna, und keiner dieser Drahtzieher und Organisatoren strafrechtlich verfolgt wurde.

Diese Verurteilung und Isolationshaft reiht sich in der starken Tendenz der Unterdrückung in Europa ein. Die Isolationshaft für revolutionäre Gefangene nimmt denselben Charakter an wie die Massenverstümmelung von antagonistischen Demonstrant:innen in Frankreich. Es geht nicht mehr darum, einfach nur zu unterdrücken, sondern abzuschrecken, zu terrorisieren, Verzicht und Kapitulation zu erzwingen.

Die Erpressung von Reue ist zur Norm geworden. In Italien werden 16 BR-Aktivisten seit 40 Jahren in “Hochsicherheitsgefängnissen” festgehalten, weil sie sich nicht ergeben wollen. In Frankreich ist Georges Abdallah seit 38 Jahren dieser Erpressung ausgesetzt.

Der Widerstand all dieser Gefangenen ist groß und großmütig. Sie zahlen einen extrem hohen Preis, um die Möglichkeit und Notwendigkeit der Revolution zu unterstützen. Welcher Strömung sie auch immer angehören, sie sind ein wertvoller Teil der Befreiungsbewegung.

Es geht nicht darum, sich mit ihrem Kampf zu solidarisieren.

Es geht darum, zu verstehen, dass ihr Kampf auch unser Kampf ist.

Seit nunmehr zwei Monaten findet in Italien, aber auch in anderen Ländern, eine intensive Mobilisierung zur Unterstützung des Hungerstreiks statt. Die Hauptlast dieses Kampfes tragen die Anarchist:innen, aber in gutem Einvernehmen und in Solidarität mit anderen Kräften, die verstanden haben, worum es in diesem Kampf geht: die Machthaber in ihrer Politik des präventiven Terrorismus zurückzudrängen.

Die Rote Hilfe International beteiligt sich an verschiedenen Initiativen zur Unterstützung von Alfredo Cospito und ruft ihre Sektionen und befreundeten Gruppen auf, Samstag, den 17. Dezember, zu einem internationalen Tag der Unterstützung des Hungerstreiks von Alfredo Cospito, Ivan Alocco und Anna Beniamino zu machen.

Für eine Einheitsfront der Klasse gegen die Repression!

Schließung der 41bis-Sektionen für alle!

8. Dezember 2022

Rote Hilfe International