Im Januar 2021, inmitten des zweiten Lockdowns, wurden im Zuge der Corona-Kampagne des Revolutionären Jugendbündnisses Winterthur Plakate gekleistert, die scharfe Kritik an der kapitalistischen Krisenverwaltung üben. Am 8. Januar wurden sechs Personen durch die Stapo Winterthur verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, am Abend der Verhaftung, Plakate in Winterthur angebracht zu haben. Der ganze Fall wird jedoch nicht in Winterthur verhandelt, sondern wurde nach einem langwierigen Gerichtsstandsverfahren an die Staatsanwaltschaft Basel übergeben. Der Prozess findet nun, nach mehr als eineinhalb Jahren am 18. und 19. August in Basel statt.
Hier wollen wir die Hintergründe einerseits der Plakat-Kampagne des RJBWs und andererseits der Verhaftungen und Prozesse erläutern. Denn es ist wichtig, Repression im gesellschaftlichen Kontext zu betrachten und einzuordnen.
Im Zuge der Corona-Pandemie haben sich die Zustände im Kapitalismus verschärft. Dies weil die Pandemie und ihre gesellschaftlichen Auswirkungen die globale Verwertung beschneidet und die Produktion lahmzulegen drohte. Das Kapital fürchtet die Krise, ein Einbrechen der Profitrate, eine Verlangsamung des Wachstums. Der kapitalistische Staat steht, in seiner Funktion als Erhalter der Gesellschaftsverhältnisse, im Widerspruch zwischen kurzfristigen Kapitalinteressen (also der Steigerung der Profitrate) und der Erhaltung der gesellschaftlichen Reproduktion, welche für ein weiterbestehen der kapitalistischen Verwertungsmaschinerie notwendig ist. Dieser Widerspruch ist in der Pandemie offensichtlich zu Tage getreten. Es lässt sich also beobachten, wie der bürgerliche Staat einerseits die Gesundheit der Bevölkerung schützt und dabei auch vor ökonomischen Einschränkungen nicht zurückschreckt, damit der Kapitalismus längerfristig weiterfunktionieren kann. Andererseits werden pandemisch sinnvolle Massnahmen so schnell wie möglich wieder aufgehoben, um dem Druck der Wirtschaftsverbände nachzugeben. Auch wenn das für viele Menschen Krankheit oder Tod bedeutet. Wieder einmal sind marginalisierte Gruppen von dieser globalen Krise besonders stark betroffen.
Dass Profit in diesem System wichtiger ist, als die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen, zeigt sich auch an der Überlastung des Gesundheitssystems während der Pandemie. Der schon lang andauernde Trend der Privatisierung und somit Verwertung des Gesundheitssektors führt genau zu dieser nach wie vor anhaltenden Überlastung. Zu viele Sparmassnahmen und zu wenig, zu schlecht bezahltes Personal. Anstelle von wirklich sinnvollen Massnahmen hat der Staat lediglich dazu aufgerufen, für das Gesundheitspersonal zu klatschen, um dieses gleichzeitig weiterhin unter unglaublich stressigen, gefährlichen und belastenden Bedingungen arbeiten zu lassen.
Auch die staatlichen Unterstützungsgelder, die locker gemacht wurden, verdeutlichen, auf welcher Seite der Staat steht. Während sich Lohnabhängige mit 80% ihres Lohns zufrieden geben mussten, was viele in massive finanzielle Not trieb, wurden Milliarden an „Rettungs“geldern an Unternehmen vergeben, die diese als Dividenden an ihre Aktionär:innen ausschütten.
Da der Staat, gerade in Zeiten der Krise, die Aufgabe hat, Aufstände zu unterdrücken und die bestehende Eigentumsordnung zu sichern, ist in den letzten Jahren und insbesondere seit Beginn der Pandemie die Repression massiv gestiegen. Als Beispiele lassen sich die gewaltsamen Polizeieinsätze gegen den 8.März, die Wir-tragen-eure-Krise-nicht-Demo und den ersten Mai in Zürich oder auch die Repression gegen die Jugendunruhen in St.Gallen aufführen.
Gerade auch in dem hier behandelten Fall ist es klar, dass der Staat aus dem oben genannten Grund so hart gegen die Aktivist:innen vorgeht. Denn eine revolutionäre Kritik an den bestehenden Verhältnissen, wie sie auch auf den Plakaten geübt wurde, trifft den Staat empfindlich. Die Aneignung des öffentlichen Raumes zur Verbreitung dieser Kritik, sei dies mit Plakaten oder Demos, will der Staat möglichst verhindern. Die Angeklagten werden stellvertretend für alle, die gegen dieses System und seine Auswüchse ankämpfen, angeklagt. Die Stawa und die Bullen benutzen sie, um ein Exempel zu statuieren.
Jedoch steht hinter diesem Vorgehen noch ein weiterer Faktor: Die Bullen haben das erste mal das Gefühl, Aktivist:innen des RJBWs erwischt zu haben. Die massive Repression – die Staatsanwaltschaft fordert eine auf zwei Jahre bedingte Strafe von einem Jahr Knast – diente und dient immernoch dazu, junge Revolutionär:innen vom Kampf abzubringen, einzuschüchtern und zu vereinzeln.
Diese Einschüchterungstaktik – massive Repression gegen junge Revolutionär:innen – ist kein Einzelfall. Zum Beispiel fährt die Polizei in St.Gallen die gleiche Schiene. (https://barrikade.info/article/4353)
Genau deshalb dürfen und werden wir uns nicht einschüchtern lassen. Sie machen ihre Rechnung ohne uns, ohne unsere Solidarität mit den Angeklagten und unsere Bereitschaft den Kampf weiterzuführen, wenn es sein muss auch in den Gerichtssälen. Wir lassen uns nicht in einen Streit um Verhältnismässigkeit drängen – denn für uns ist klar: Egal, welches Strafmass, die bürgerliche Polizei und Justiz dient immer dazu, diese Klassengesellschaft aufrecht zu halten. Weg mit Knästen, Polizei und Gerichten!
Die Maschinerie des Basler Repressionsapparats trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei. Wie wir es schon bei den Prozessen zu Basel Nazifrei beobachten konnten, hält sich die Repression in Basel nicht einmal an die eigenen Regeln der Rechtstaatlichkeit, sondern führt ihrerseits einen klar politisch motivierten Prozess.
Das überrascht keineswegs. Zwar hält sich der Repressionsapparat in vielen Fällen an die eigenen Gesetze, um den Schein demokratischer Integrität zu wahren, doch wenn es für die Aufrechterhaltung der Herrschaftsverhältnisse notwendig scheint, wird das Legalitätsprinzip ohne weiteres gebrochen. Diese Klassenjustiz dient letztlich einzig und allein der Aufrechterhaltung der Eigentumslogik und somit dem Erhalt des warenproduzierenden Systems. Die Justiz arbeitet im Interesse des Kapitals.
Auch die parlamentarischen Politiker:innen haben ein Interesse, hart gegen eine ausserparlamentarische Linke vorzugehen. Denn sie profitieren davon, wenn die Menschen Politik als etwas wahrnehmen, das nur im Parlament passiert. Sie profitieren davon, wenn die Menschen ihre eigene Handlungsfähigkeit nicht erkennen. Doch Politik passiert auf der Strasse und in unserem Leben, eine Abspaltung in eine „politische Sphäre“ stützt den Status quo.
Die Repression, die Einzelne erfahren, betrifft uns alle! Und genau deshalb ist es wichtig, einen politischen Prozess zu führen. Denn dieser bietet die Möglichkeit, der Repression geschlossen entgegenzutreten und anstelle von Resignation, unsere Position ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken. Anstelle von Vereinzelung, Solidarität treten zu lassen. Und anstelle von Angst eine Stärkung der Bewegung zu erreichen.
Wenn wir gegen die Angriffe des Staates zusammenstehen und die damit verbundenen Arbeiten und Kosten kollektivieren, gehen wir alle gestärkt daraus hervor.
Deshalb: Tragt euch die Prozesstermine, also den 18. und 19. August, in eure Agenden ein und kommt mit uns zum Gericht. Solidarisiert und beteiligt euch, schickt uns Bilder von Soliaktionen. Bis bald, an einem Konzi, im Gerichtssaal, auf der Strasse.
Kämpferische Grüsse, ihr hört wieder von uns,
die Soli-Gruppe – kleisterprozess@immerda.ch
(https://barrikade.info/article/5189)