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Mumia zum Schweigen bringen

USA: Anwälte des politischen Gefangenen klagen vor Bundesgericht auf Behandlung von Abu-Jamals Hepatitis-Erkrankung. Behörden verschleppen notwendige Maßnahmen

Von Jürgen Heiser

Die Anwälte des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal haben in der vergangenen Woche vor einem US-Bundesgericht Klage gegen Justizvollzugsbeamte des Bundesstaats Pennsylvania eingereicht. Seit Monaten schon versuchen Bret Grote vom »Abolitionist Law Center« in Pittsburgh und sein Kollege Robert Boyle aus New York, eine Untersuchung und Heilbehandlung ihres seit Monaten ernsthaft erkrankten Mandanten durch externe Vertrauensärzte durchzusetzen. Doch die zuständigen Behörden ignorieren Abu-Jamals Recht auf körperliche Unversehrtheit bis heute. Zuletzt war nun bekanntgeworden, dass der linke Journalist an akuter Hepatitis C erkrankt ist »und die Behörden schon seit 2012 die Diagnose kannten«, wie Noelle Hanrahan von Prison Radio mitteilte. Weder Abu-Jamal noch seine Anwälte waren darüber informiert worden. Erst das Beharren der Anwälte und Vertrauensärzte auf weiteren Blutuntersuchungen brachte nun die Wahrheit an den Tag.

Das skrupellose Verhalten der Verantwortlichen zieht sich wie ein roter Faden durch Abu-Jamals Krankengeschichte, die erst öffentlich wurde, als er Ende März mit einem Diabetesschock als Notfallpatient aus dem Mahanoy-Gefängnis in eine Klinik verlegt werden musste. Dadurch wurde bekannt, dass die Behörden seit 2014 eine angemessene Heilbehandlung hintertreiben und erst handelten, als die Lage äußerst kritisch wurde. Dieser Vorfall alarmierte die internationale Solidaritätsbewegung für den seit über 33 Jahren inhaftierten Aktivisten, dessen Todesurteil erst 2011 in lebenslange Haft umgewandelt worden war. Es wurden Spenden zur Finanzierung eines Vertrauensärzteteams gesammelt. Seit Monaten arbeitet dieses unter der Leitung von Dr. Joseph Harris, doch bislang wurde den Medizinern nur telefonischer Kontakt zu ihrem Patienten erlaubt. Eine Untersuchung durch diese Ärzte könnte hingegen der erste Schritt zu der längst überfälligen Heilbehandlung sein.

Die Anwälte wollen nun durch die Anrufung des Bundesgerichts erreichen, dass es gegen die »Verweigerung der notwendigen medizinischen Behandlung vorgeht«. Die Unterlassung der Behörden habe »Abu-Jamal im Frühjahr fast umgebracht«. Die Gefängnisärzte hätten schon drei Wochen vor dem Diabetesschock gewusst, dass Abu-Jamal unter einem gefährlich hohen Blutzuckerspiegel litt, jedoch keinerlei Maßnahmen dagegen ergriffen und ihren Mandanten darüber völlig im unklaren gelassen, kritisierten die Anwälte.

Noch dramatischer sei jedoch das Verschweigen der Infektion der Leber mit dem Hepatitis-C-Virus. Erst »das Insistieren des Mandanten, seiner Anwälte und Vertrauensärzte auf neuen Bluttests« habe die »Bestätigung für seine aktive Erkrankung an Hepatitis C erbracht«, so Grote und Boyle. Anwälte und Angehörige gehen davon aus, dass diese Infektion »die eigentliche Ursache für seine Gesundheitskrise ist«. Doch auf der Krankenabteilung des Gefängnisses weigere man sich auch jetzt noch, die notwendige Behandlung einzuleiten, obwohl es mittlerweile Medikamente gebe, die in 95 Prozent der Fälle eine Heilung bewirkten. »Diese Medikamente sind jedoch in den USA sehr teuer«, so die Anwälte, »da die Pharmaunternehmen, die über die Patente verfügen, ihre Monopolstellung bei der Preisgestaltung ausnutzen«. Das »Department of Corrections« (DOC) habe als weisungsbefugte Gefängnisbehörde von Pennsylvania zur Anwendung dieser Medikamente bislang keine verbindliche Regelung erlassen. Das bedeute, dass derzeit »geschätzt mehr als 10.000 an Hepatitis C erkrankte Häftlinge in der Obhut des DOC nicht behandelt werden«. Seit Juni ist eine Sammelklage zahlreicher betroffener Gefangener vor Gericht anhängig, um die medizinische Therapie gegen Hepatitis C zu erzwingen.

Im Zusammenhang mit den neuen Nachrichten über die Nichtbehandlung Abu-Jamals erinnerteBaskinfo an die Befürchtung, die Abu-Jamals Ehefrau Wadiya im April geäußert hatte: »Was über das Todesurteil nicht erreicht werden konnte, könnte durch Nichtbehandlung einer Krankheit erreicht werden – Mumia endgültig zum Schweigen zu bringen.«

Quelle: https://www.jungewelt.de/2015/08-11/003.php

Mumia Abu-Jamal: Revolutionäre Tradition

Von Assata Shakur

Als ich das erste Mal die Aufnahme eines von Mumia Abu-Jamal im
Gefängnis geschriebenen und gesprochenen Radiobeitrags hörte, begriff
ich sofort, warum Justiz und Polizei der Vereinigten Staaten von
Amerika von Anfang an so entschlossen waren, ihn hinzurichten. Dabei
bediente sich Mumia, der damals der einzige politische Gefangene mit
afrikanischen Wurzeln im Todestrakt war, noch nicht einmal einer
besonderen aufrührerischen Rhetorik. Was er sagte, war so klar, so
wahrhaftig, dass ich augenblicklich alles aus den Händen legte und mich
voll und ganz auf seine Worte konzentrierte.

Mumia Abu-Jamal – Journalist, Ehemann, Vater, Großvater – ist ein
brillanter Autor und Redner. Er besitzt die Fähigkeit, das zu sagen,
was gesagt werden muss, und zwar auf eine sehr anschauliche und
eindringliche Art. Seine Sprache, seine Stärke und seine Intelligenz
erinnern mich besonders an einen Mann: El-Hajj Malik El-Shabazz, auch
bekannt als Malcolm X. Mumia Abu-Jamal setzt auf eine wahrhaft
überzeugende Weise Malcolms Tradition und die Traditionen so vieler
unserer Freiheitskämpfer fort, die ihr Leben im Befreiungskampf unseres
Volkes riskiert haben.

Wenn ich in den letzten Jahren Malcolms Geburtstag feierte (morgen, am
19. Mai, ist sein 90. Geburtstag; jW), dann musste ich immer
unwillkürlich auch an Mumia denken, den Mann, der so unendlich viele
Jahre im Todestrakt zubringen musste, aber dennoch stark und
wunderschön blieb und entschlossen weiter für unsere Sache kämpfte.
Mumia, politischer Aktivist, Revolutionär und Humanist, folgte
gewissenhaft Malcolms Spuren. Wir spüren deutlich, wie Malcolms
Energien durch Mumia weiterwirken. Und wir spüren Mumias Energien, wenn
er Malcolms Vermächtnis in die Tat umsetzt.

Würde Malcolm X heute noch leben, dann, so bin ich mir sicher, würde er
dafür kämpfen, Mumias Leben zu retten. Würde Malcolm X heute noch
leben, dann würde er auch dafür kämpfen, alle politischen Gefangenen zu
befreien. An euch, Schwestern und Brüder, trage ich deshalb im Namen
von Malcolm X die besondere Bitte heran, mit all euren Kräften für
Mumias Leben zu kämpfen und ihn aus dem eisernen Griff seiner
Unterdrücker zu befreien.

Euch, die ihr unsere Vorfahren ehrt, fordere ich eindringlich dazu auf,
auch die lebenden Heldinnen und Helden unseres Kampfes zu ehren. Wenn
ihr die Namen der Sklavenbefreier Nat Turner und Harriet Tubman und den
von Malcolm X würdigt, dann ermahne ich euch, auch die Namen der
politischen Gefangenen Sundiata Acoli (41 Jahre in Haft), Mutulu Shakur
(28 Jahre in Haft) und Mumia Abu-Jamal (33 Jahre in Haft) und vieler
anderer zu würdigen. Vergesst keinen unserer lebenden Kämpfer und gebt
sie niemals preis. Wenn wir ihrem Kampf gegenüber gleichgültig sind,
sind wir es auch unserem eigenen gegenüber. Wenn wir die lebenden
Protagonisten unserer Geschichte preisgeben, dann geben wir auch uns
selbst preis. Wir haben nicht vermocht, Malcolm X zu retten, aber wir
können Mumia retten. Wir können ihn retten, und wir müssen ihn retten!
Weil wir unseren Bruder Mumia lieben, und weil wir ihn hier draußen an
unserer Seite im Kampf für die Freiheit brauchen. Befreien wir Mumia
Abu-Jamal und alle politischen Gefangenen! Setzen wir unsere Tradition
fort – bis zur endgültigen Freiheit!

Übersetzung: Jürgen Heiser

Assata Shakur, Mitglied der Black Panther Party, 1973 unter
konstruierter Anklage zu lebenslanger Haft verurteilt, entkam 1979 aus
einem US-Gefängnis. Seit 1984 genießt sie politisches Asyl in der
sozialistischen Republik Kuba, wo sie als Repräsentantin der
afroamerikanischen Freiheitsbewegung anerkannt ist.

http://www.jungewelt.de/2015/05-18/014.php