Basel: Prozess zur Demo vom 24. Juni 2016

Am 24. Juni 2016 fand in Basel eine kleine, kämpferische Demonstration gegen Rassismus, Repression und Gentrifizierung statt.

Entlang der Route wurden diverse Gebäude angegriffen und es kam zu Konfrontationen mit den anrückenden Bullen, bei denen zwei von ihnen angeblich verletzt wurden. 14 Personen wurden an diesem Abend verhaftet und bei allen kam es in den darauf folgenden Tagen zu Hausdurchsuchungen. 7 Personen wurden zwei Tage nach der Verhaftung wieder freigelassen, gegen die restlichen 7 wurde U-Haft verhängt. Diese 7 verbrachten ca. 1 ½ bis 2 Monate in Untersuchungshaft. Eine Person jedoch, ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, verbrachte fast 6 Monate in U-Haft.

Im Dezember 2017 wurde gegen 18 Personen Anklage erhoben. Gegen 13, welche am 24.6. in Basel verhaftet wurden und 5 weitere Personen. Zwei dieser 5 sind angeklagt, weil Gegenstände mit ihrer DNA in der Nähe der Demoroute eingesammelt wurden. Die restlichen drei wegen SMS, die auf einem konfiszierten Handy gespeichert waren. 
Eine zum Zeitpunkt der Demo minderjährige Person wurde bereits Anfang 2017 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Es sind alle 18 angeklagt, folgende Delikte begangen zu haben:

Mehrfache qualifizierte Sachbeschädigung (öffentliche Zusammenrottung und grosser Schaden), Angriff, Landfriedensbruch, einfache Körperverletzung (mit einem gefährlichen Gegenstand), mehrfache versuchte einfache Körperverletzung (mit einem gefährlichen Gegenstand) eventualiter mehrfache versuchte schwere Körperverletzung, mehrfache Störung des öffentlichen Verkehrs, mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, Verletzung der Verkehrsregeln und Widerhandlung gegen das kantonale Übertretungsstrafgesetz.

Aus der Anklageschrift ist ersichtlich, dass die Staatsanwaltschaft eine Schiene fährt, die allen 18 Angeklagten vorwirft, diese Delikte gemeinsam und „arbeitsteilig“ begangen zu haben.

Der Prozess beginnt am 24. Oktober 2018 am Basler Strafgericht. Es sind 5 Tage eingeplant, die Urteilsverkündung ist am 30. Oktober. Die Verhandlung wird durch ein Dreiergericht geführt, welches theoretisch Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren verhängen kann.

Der Prozess ist öffentlich und es wird dazu aufgerufen, die Zuschauer*innenreihen mit solidarischen Menschen zu füllen. Es ist aber auch möglich, dass das Gericht die Verhandlung wegen ihrer Sicherheitsbedenken für geschlossen erklärt.

Zudem gibt es Mobilisierungen vor das Gericht am ersten und letzten Prozesstag:

Mittwoch, 24. Oktober 2018, am frühen Morgen
Dienstag, 30. Oktober 2018, am Nachmittag

Die genauen Zeiten werden noch bekannt gegeben. Achtet auf weitere Ankündigungen!

Quelle: https://barrikade.info/Basel-Prozess-zur-Demo-vom-24-Juni-2016-1444

Max Zirngast: „Ich bin ein Sozialist, ich verteidige universelle Werte“

Eine Untersuchungshaft kann in der Türkei über Jahre gehen, ohne dass Details der Anklageschrift veröffentlicht werden müssen, falls die Akte unter Verschluss ist. Nachdem Max Zirngast und parallel zu ihm drei Genoss*innen der linken, sozialistischen Organisation Toplumsal Özgürlük Parti Girişimi (TÖPG, dt.: Parteiinitiative Soziale Freiheit) am Dienstag, den 11. September um 5 Uhr morgens von Einheiten der Antiterrorpolizei festgenommen wurden, vergingen nun ganze 12 Tage, bis die Inhaftierten einem Staatsanwalt und einem Richter vorgeführt wurden.

In der Zwischenzeit setzte ihn die Antiterrorpolizei psychologischem Druck aus. Gemeinsam mit den Unterstützer*innen vor Ort skandalisierten wir dies sofort und konnten damit erreichen, dass es nicht weiter passierte. Auch außerhalb des Polizeipräsidiums drehten die Trolle am Rad: In regierungsnahen Medien, und infolge dessen auch in europäischen Zeitungen, wurde verbreitet, Max sei Mitglied einer illegalen, bewaffneten Terrororganisation namens „TKP Kıvılcım“ (dt.: TKP Funke). Gleichzeitig warfen ihm regierungsnahe Social Media-Trolle „PKK-Unterstützung“ vor. Konkrete Beweise für diese Anschuldigungen lagen und liegen bis jetzt nicht vor – überhaupt wurden noch nicht einmal konkrete Vorwürfe gemacht, da die Akte unter Verschluss ist.

Is this real? Terror-Cocktails und imaginierte Organisationen

Gestern hieß es dann plötzlich, die Inhaftierten würden dem Staatsanwalt und dem Haftrichter vorgeführt. Einige Unterstützer*innen hegten die Hoffnung, es sei mit einer positiven Entscheidung zu rechnen. Leider trat diese gute Wendung nicht ein. Max, sowie die Genoss*innen Mithatcan Türetken und Hatice Göz, wurden direkt im Anschluss an die Vernehmung in Untersuchungshaft gebracht. Kurze Zeit später erhielten wir Einblick in Max‘ Vernehmungsprotokolle bei Staatsanwalt und Richter sowie in das Entscheidungsschreiben des Richters. Darin zeigt sich der absolute Bankrott des sogenannten „Justizsystems“ der Türkei. Es befindet sich, wie der Anwalt Tamer Doğan auf der Pressekonferenz in Istanbulvom Donnerstag ganz richtig festhielt, „in den Händen der Antiterrorpolizei“. Um das Ausmaß des Irrsinns nachvollziehbar zu machen, veröffentlichen wir im Folgenden einige Szenarien aus den Vernehmungsprotokollen, die durch die Redaktion übersetzt wurden.

Den Protokollen nach wird Max seitens des Staatsanwalts etwa vorgeworfen, dass er viele linke Bücher besäße. Max verteidigt sich:

„Zwischen all den linken Publikationen bei mir zu Hause befinden sich im Übrigen auch viele Publikationen, die eher rechter Ideologie zuzuordnen sind. Man kann sogar Literatur und Kunst finden. Ich bin ein Forscher. Bei mir zu Hause gibt es an die 300 Bücher und andere Publikationen. In meiner Wohnung in Österreich gibt es nochmal doppelt so viele Bücher. Aber die Polizei hat nur Bücher mit Bezug zu linker Ideologie mitgenommen.“

Ein besonderer Stein des Anstoßes ist der Umstand, dass sich unter den eingesammelten Büchern auch einige des marxistischen Theoretikers Dr. Hikmet Kıvılcımlı (1902-1971) befinden. Max weist darauf hin, dass er zu Kıvılcımlı im Rahmen eines Uni-Seminars zu „Politischen Ideologien in der Türkei“ an der Technischen Universität des Mittleren Ostens (ODTÜ), vorgetragen habe – die Theorien sind also Bestandteil universitärer Lehre! Der Anwalt Murat Yılmaz fügt während der Befragung hinzu: Hikmet Kıvılcımlı sei mittlerweile eine historische Persönlichkeit geworden, im Staatsfernsehen TRT gäbe es sogar einen Dokumentarfilm über ihn.

Wir werden in Kürze einen kurzen historischen Abriss zu Kıvılcımlı, seinem Verhältnis zur Kommunistischen Partei der Türkei (TKP) und zu der politischen Tradition, die sich auf Kıvılcımlı bezieht, veröffentlichen. Wir wollen unsere Leser*innenschaft damit ermuntern, sich ein eigenes Bild zu Wirken und Leben des marxistischen Theoretikers zu machen.

Die gesamte restliche Befragung besteht aus solchen und ähnlichen Absurditäten. Warum er Bilder von diesem oder jenem Militanten einer „Terrororganisation“ auf seinem Handy habe, was er für das Ismail Küpeli herausgegebene Buch „Kampf um Kobanê“ geschrieben habe – Antwort im Übrigen, wie im Internet nachzulesen: „Die AKP als neuer Prinz: die Hegemonie des Finanzkapitals und ihre Widersprüche“ –,  ob er Propaganda für die PKK betreibe. Max verneint dies. Ein anderes Mal fragt der Staatsanwalt ganz allgemein, ob er „Verbindungen zu Terrororganisationen wie der DHKP/C, MLKP, THKO, PKK und anderen“ unterhalte. Fehlte nur noch die Auflistung des IS und der „Terrorcocktail“ wäre vollständig!

Max muss auch noch tatsächlich ablehnen, der „Ankara Verantwortliche der TKP/K“ zu sein. Er verweist darauf, dass er zum einen nie in illegale Aktivitäten involviert gewesen sei und es zudem eine Organisation namens „TKP/K“ gar nicht gäbe, weswegen er auch nicht Mitglied sein oder Propaganda für diese betreiben könne. Der Anwalt Murat Yılmaz legt später beim Richter sogar Beschlüsse des Gerichts für Schwerverbrechen in Adana aus dem Jahre 2015 sowie den Beschluss des 12. Gerichts für Schwerverbrechen in Ankara im Rahmen der Verfahrensnummer 2012/5 vor, die beide besagen, dass es „eine Organisation namens TKP Kıvılcım nicht gibt“.

Solidarität heißt für Freiheit kämpfen

Seine politische Haltung hält Max auch in der Vernehmung nicht hinter dem Berg, dies hat er noch nie getan. Zum Richter sagt er: „Ich bin ein Sozialist, ich verteidige universelle Werte.“ Beim Staatsanwalt fügt er hinzu:

„Es gibt keine Partei in der Türkei, die zu mir passt. Ich unterstütze die, die mir gedanklich nahe stehen. Das mache ich hier und das tue ich in Österreich. Die politische Geschichte der Türkei hat mich interessiert. Deshalb bin ich in die Türkei gezogen.“

Er hebt hervor, dass er für die Zeitschrift der TÖPG schrieb und Aktivitäten der TÖPG besuchte, wo sie ihn interessierten und zu seinen Forschungen beitrugen. Und er bejaht, dass er selbstverständlich die zeitgleich mit ihm inhaftierten Mitglieder der TÖPG, Mithatcan Türetken und Hatice Göz, kannte. Alles altbekannt, nichts davon versteckt, nichts davon rechtswidrig oder gar illegal. Im gesamten Protokoll gibt es nichts, was ein Beweis für irgendeine Straftat herhalten könnte, nichts, was darauf hinweist, dass er auch nur irgendwie in illegale Aktivitäten involviert sein oder etwa Straftaten begangen haben könnte. Und trotzdem entscheidet der Richter, dass Max, Mithatcan Türetken und Hatice Göz festzunehmen seien. Er begründet dies mit dem Umstand, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien (!), es einen starken Verdacht (!) auf Schuldigkeit gäbe und die Wahrscheinlichkeit der Flucht hoch sei.

Es ist offensichtlich, dass diese Entscheidung eine rein politische ist, die den Aktivismus und die politische Identität von Max und den anderen Genoss*innen kriminalisieren will. Das despotische Regime in der Türkei befindet sich schon seit geraumer Zeit in einer sich verschärfenden Spirale der Faschisierung, um mit den permanent aufbrechenden Krisen fertig zu werden. Hierfür beabsichtigt sie auch eine vollständige Auslöschung jedweder Opposition, um einen Diktaturfrieden herzustellen. Es ist geradezu zentral für Demokratie und Freiheit in der Türkei, dass dies dem Regime nicht gelingt. In den letzten 13 Tagen haben wir, als re:volt-Kollektiv, ohne Unterlass dafür gewirkt, die völlig absurde Verhaftung von Max Zirngast zu skandalisieren, Fehlinformationen entgegenzutreten, Solidarität mit ihm zu stärken und sichtbar zu machen. Wir waren dabei nicht allein. Familienangehörige, ein Unterstützer*innenkreis in der Türkei wie außerhalb sowie viele solidarische Menschen, Organisationen und in der Tat auch Kolleg*innen kämpften wir für die Freilassung von Max. Das ist uns nicht gelungen – noch nicht gelungen. Jetzt ist es unsere Aufgabe, eine breite Solidaritätsarbeit für Max Zirngast gemeinsam mit allen solidarischen Menschen auf die Beine zu stellen, um das nachzuholen. Das erste Treffen zur Gründung einer Solidaritätskampagne findet nächsten Mittwoch um 19 in Wien statt der Ort wird noch bekannt gegeben.

Freiheit für Max Zirngast!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Anmerkung:

1.] Das Bild stammt von einer Veranstaltung der jungen linken am 20. September in Wien.

2.] Folgt für Informationen zur Solidaritätskampagne dem Account @freemaxzirngast auf Twitter.

Quelle: https://revoltmag.org/articles/ich-bin-ein-sozialist-ich-verteidige-universelle-werte/

Türkei: “Es geht uns alle an”

Linke Aktivisten in Türkei verhaftet. Gastkommentar

Von Mesale Tolu

Am Morgen des 11. Septembers sind in der türkischen Hauptstadt Ankara mehrere Oppositionelle bei einer Razzia festgenommen worden. Nichts Verwunderliches, könnte man meinen, denn seit dem Putschversuch 2016 wurden ca. 40.000 Menschen auf diese Art inhaftiert. Sollte man sich langsam an diese aufgezwungene Routine gewöhnen? Nein, bloß nicht! Jede Razzia ist ein Einbruch in das Leben und die Privatsphäre der Menschen. Dieses Mal wurden vier Menschen aus ihren Familien und ihrem Freundeskreis herausgerissen. Einer von ihnen ist Max Zirngast, ein junger engagierter Journalist und Student an der traditionsreichen Technischen Universität des Nahen Ostens in Ankara. Er ist einer, der sich auch wagt, riskante Themen anzusprechen.

Nach Angaben seines Anwalts Teoman Özkan wurden mit Zirngast auch Hatice Köz, Burcu Pekdemir und Mithatcan Türetken festgenommen. Laut Haftbefehl wurden insgesamt acht Menschen gesucht, vier von ihnen wurden nicht in ihren Wohnungen aufgefunden. Özkan kennt diese politischen Verfahren, die von Beginn an mit einem Geheimhaltungsbeschluss versehen werden. Weder die Anwälte noch die Festgenommenen werden bis zum Verhör erfahren können, was ihnen vorgeworfen wird.

In der türkischen Presse kursierten bereits Nachrichten, die erahnen lassen, wie das Verfahren ausgehen wird. Die staatlichen Medien urteilen – noch vor den Richtern. »Terroristen« seien festgenommen worden, schrieben regierungsnahe Zeitungen. Es ist immer dasselbe Muster.

Nun sitzen Zirngast und die anderen Freunde im Polizeigewahrsam. Erst einmal für vier Tage. Ob der Staatsanwalt eine weitere Verlängerung beantragen wird, ist nicht gewiss. Es besteht die Hoffnung, dass sie noch diese Woche freikommen. Doch die Erfahrung zeigt, dass zu viele Menschen zu Unrecht für mehrere Monate ins Gefängnis müssen.

Ob Zirngast wegen seiner Texte oder seines Engagements als politischer Aktivist verurteilt wird, ist irrelevant. Denn egal ob als Journalist oder als Aktivist, hat er das Recht darauf, seine Meinung frei zu äußern oder an Veranstaltungen und Demonstrationen teilzunehmen. In einem Land, wo weder Intellektuelle, Künstler, Schauspieler, Schriftsteller noch Menschenrechtsaktivisten frei denken noch reden dürfen, ist die Unterscheidung zwischen Beruf und persönlicher Haltung aufgehoben.

Jeder sollte in einem Unrechtsstaat Haltung zeigen können, um eine Normalisierung der Festnahmen unschuldiger Menschen zu verhindern. Denn die Zensur von oben reicht in alle Lebensbereiche. Schauspiele werden zensiert, Journalisten für ihre Kolumnen angeklagt und Anwälte wegen der Verteidigung ihrer Mandanten verurteilt. Daher ist es wichtig, für Zirngast, Köz, Pekdemir und Türetken Freiheit und ein rechtsstaatliches Verfahren zu fordern.

Mesale Tolu ist Journalistin und Übersetzerin. Sie war 2017 für mehr als sieben Monate in der Türkei wegen des Vorwurfs der »Terrorismusunterstützung« inhaftiert.

https://www.jungewelt.de/artikel/339907.es-geht-uns-alle-an.html?sstr=mesale

Free Nekane – Wer kämpft gewinnt!

 

Mit Bildern und Stimmen dokumentieren wir die Free Nekane-Kampagne und schauen zurück, wie sie zur Befreiung führte. Während 17 Monaten haben Nekane und solidarische Menschen für ihre Freilassung gekämpft. Ein Jahr nach der Befreiung von Nekane wollen wir uns an diesen Erfolg erinnern.

Wo?
Restaurant Ziegel oh Lac (Rote Fabrik), Zürich

ab 18 Uhr
Ausstellung der Bilder und Texte von Nekane aus dem Knast und der Bewegung draussen. Die Ausstellung wird bis am 11. November 2018 im Ziegel oh Lac gezeigt

19 Uhr
Im Gespräch mit Nekane verbinden wir die Kämpfe innerhalb und ausserhalb der Mauern. Mit Videos und Audios geben wir Einblicke in die Kampagne.
Anschliessend Essen, Gedichte und Musik.

Organisiert von Radio LoRa und dem Free Nekane-Bündnis

www.freenekane.ch

https://www.facebook.com/events/250772512241308/

Quelle: https://barrikade.info/Free-Nekane-Wer-kampft-gewinnt-1382

Broschüre zum Münchner TKP/ML Prozess erschienen

Dieser Prozess wird nicht im Gerichtssaal, sondern auf der Straße entschieden”

Seit dem Juni 2016 findet vor dem Oberlandesgericht München einer der größten politischen Schauprozesse seit Jahrzehnten statt. Angeklagt sind zehn Genoss*innen, die laut Bundesanwaltschaft (BAW) der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch/Leninistisch (TKP/ML) angehören sollen. Die TKP/ML wurde 1972 gegründet und ist zeit ihres Bestehens in der Türkei verboten. Im Zuge des Militärputsches vom 12. September 1980 mussten zahlreiche Mitglieder und Sympathisant*innen ins europäische Ausland fliehen, um ihrer Ermordung oder Verhaftung durch die Junta zu entgehen.

Obwohl die Partei auf keiner internationalen Terrorliste auftaucht und in der BRD nicht verboten ist, erteilte das Bundesjustizministerium eine Verfolgungsermächtigung nach §129b (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung). Es folgte am 15. April 2015 eine mit mehreren europäischen Ländern koordinierte Razzia, um die Beschuldigten festzunehmen und drei von ihnen nach Deutschland auszuliefern.

Den zehn Aktivist*innen wird nun der Prozess gemacht, ohne dass es nennenswerte Ergebnisse oder ein absehbares Ende gäbe.

Die Broschüre wird von der Roten Hilfe e.V. und ATIK gemeinsam herausgegeben. Sie will einen Überblick über das laufende Verfahren bieten, die Hintergründe beleuchten und dazu aufrufen, sich solidarisch im Sinne der Angeklagten einzumischen.

Der TKP/ML-Prozess in München

Rote Hilfe e.V. und ATIK (Hg.)

2018. Brosch. A4. 31 S.

2,- Euro

zu beziehen über: literaturvertrieb@rote-hilfe.de

Quelle: https://www.rote-hilfe.de/77-news/903-broschuere-zum-muenchner-tkp-ml-prozess-erschienen

Der in Griechenland inhaftierte Revolutionär Turgut Kaya wurde aus der Haft entlassen!

Der Revolutionär Turgut Kaya wurde im Februar 2018 aufgrund eines internationalen Haftbefehls in Griechenland festgenommen und seine Auslieferung an die Türkei durch ein Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofs in Athen bestätigt. Um gegen diesen Entschluss zu protestieren ist Turgut Kaya am 31. Mai, einen Tag nach dem Urteil, in den Hungerstreik getreten.

Sein Widerstand und sein Wille haben in kürzester Zeit dazu geführt, dass sich in Athen, Europa und weltweit demokratische, fortschrittliche und revolutionäre Organisationen, Parteien und Einzelpersonen mit ihm solidarisierten und sich seinem Protest anschlossen, um seine Auslieferung an die Folterzellen der faschistischen türkischen Regierung aufzuhalten. Denn von Anfang an war allen bewusst, dass dies nicht ein Angriff gegen die Person Turgut Kayas war, sondern gegen jeglichen revolutionären Widerstand und organisierten Kampf. Es ging darum, eine revolutionäre Identität und den Kampf zu kriminalisieren.

Der Hungerstreik Kayas, der über 50 Tage andauerte, die tagtäglich stattfindenden Protestaktionen auf den Straßen Athens und die internationalen Solidaritätsaktionen und -bewegung haben schließlich dazu geführt, dass die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zurückgezogen werden musste.

Im Rahmen der Kampagne „Free Turgut Kaya“ wurde nach etlichen Wochen am 20. Juli zunächst Kayas Recht auf Asyl anerkannt. Einige Tage darauf hat Kaya bekannt gegeben, dass er aufgrund der Errungenschaften der Kampagne und der internationalen und revolutionären Solidarität seinen Hungerstreik für eine gewisse Zeit pausieren würde. Am 31. Juli 2018 wurde schließlich bekannt gegeben, dass das Justizministerium den Entscheid über die Auslieferung an die Türkei durch das Oberste Gerichtshof gekippt habe, woraufhin Kaya auch aus seiner seit Februar andauernden Haft entlassen wurde.

Im Namen des internationalen Solidaritätskomitees mit den politischen Gefangenen (UPOTUDAK) begrüßen wir die politische Arbeit vor Ort und auch weltweit und möchten nochmals betonen, welche Kraft und Stärke die internationale Solidaritätsbewegung entfalten kann, was auch im Falle Kayas bestätigt wurde. Gemeinsam und mit diesem Erfolg wurde nochmals gezeigt, dass der Kampf für eine Welt jenseits von Unterdrückung, Ausbeutung und Repression nicht kriminalisiert werden kann!

Wir als ATIK-UPOTUDAK werden uns auch in Zukunft auf internationaler Ebene für die internationale Solidarität mit den politischen Gefangenen einsetzen und den Widerstand gegen die Angriffe auf politische Gefangene stärken.

Denn „getroffen hat es einen, aber gemeint sind wir alle“!

Hoch die internationale Solidarität!

ATIK- Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa

UPOTUDAK- Internationalen Solidaritätskomitees mit den politischen Gefangenen

Griechenland: Pola Roupa zu lebenslänglich + 25 Jahren verurteilt

Das Urteil im Prozess gegen Pola Roupa, Militante des Revolutionären Kampf, wegen den Angriffen gegen die Griechische Nationalbank und die Büros des Internationalen Währungsfonds in Athen in 2014 ist gefällt worden. Es lautet lebenslange Haft plus 25 Jahre wegen “Führung einer terroristischen Organisation” und “physische Anstiftung” zur Umsetzung der Aktionen. Dieser Prozess weist zwei Elemente auf, die ihn im Vergleich zu den vorhergehenden “Anti-Terror” Prozessen in Griechenland unterscheiden.

Gemäss dem Ankläger wäre der Angriff, welcher die Front der Griechischen Nationalbank zerstörte, total geglückt und hätte der Sprengstoff das ganze Gebäude schlicht und ergreifend zerstört, wenn die Wache nicht Zeit gehabt hätte, die metallenen Storen zu senken. Daraus hätte der Zusammenbruch des griechischen Bankensystems resultieren können und – angesichts des Zeitpunkts der Aktion – ein Zusammenbruch des griechischen Wirtschaftssystems. Es ist das erste Mal, bei dem ein Staatsanwalt die möglichen Folgen der Aktionen des Revolutionären Kampf derart anerkennt (ein Minister hatte dies zuvor bereits im Rahmen eines Interviews getan). Üblicherweise negieren die Staatsanwälte bei solchen Prozessen sämtliche politischen Folgen bewaffneter Aktionen (effektive wie tatsächliche) und diese Negierung ist die Grundlage auf welcher die Einschätzung als “politisches Verbrechen”, welche durch die griechische Verfassung vorgesehen wird, ruht.

Die zweite Neuerung in diesem Prozess ist, dass der Staatsanwalt die Verurteilung von Pola Roupa wegen dieser beiden Aktionen nicht wegen ihrer persönlichen Beteiligung erreicht hat, sondern als “Anführerin” des Revolutionären Kampf und “Anstifterin” zu diesen Aktionen.

Quelle: https://secoursrouge.org/Grece-Pola-Roupa-condamnee-a-la-prison-a-vie-25-ans

Turgut Kaya: Interview mit Betül Kaya (Partizan)

Könnt ihr uns etwas über die politische Geschichte von Turgut Kaya erzählen?

Turgut Kaya wurde als Student, während seiner politischen Arbeit für die demokratischen Rechte der Studenten, das erste Mal vom faschistischen türkischen Staat festgenommen. Nach zweimonatiger Inhaftierung im Bayrampasa Gefängnis wurde er entlassen. 1994 wurde er wiederum wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ festgenommen. Während dieser Zeit hat der Staat seine Festnahme verleugnet, damit die Öffentlichkeit ihn aus den Augen verliert. Nach Tagen unter schwerster Folter wurde er schlussendlich inhaftiert.

Nach 3 Jahren Haft wurde Kaya entlassen und er hat seine politischen Aktivitäten fortgeführt. Kurz darauf wurde er erneut aufgrund „Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation“ festgenommen. Die Vorwürfe waren dieselben wie beim letzten Mal. Er wurde schwer gefoltert und mit Kollaborateuren mit dem türkischen Staat in dieselbe Zelle gesteckt. Nach Morddrohungen und Belästigungen gegen ihn wurde er versetzt.

2005 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Da begann er als Journalist bei der Zeitschrift Özgür Gelecek zu arbeiten. Doch auch diese Freiheit sollte nicht lange dauern. Er wurde in eines der F-Typ-Isolationsgefängnisse verlegt, wiederum gefoltert und wiederum jahrelang inhaftiert. Man kann zusammenfassend also sagen, dass seine politische Biographie bis jetzt aus Kampf und darauffolgende Gefangenschaft besteht.

Wieso sitzt er jetzt in Griechenland im Knast?

Als Kaya für einen politischen Auftrag nach Griechenland gehen musste, wurde er an der Grenze aufgrund einer Interpol-Fahndung der Türkei festgenommen. Denn die türkische Regierung ist weiter hinter ihm her, mit demselben Vorwurf bei seinen vorherigen Verhaftungen. Kaya wird von ihnen in einer sogenannten „Red Alert“-Liste geführt, in der die nach Ansicht des türkischen Staats gefährlichsten Personen aufgeführt werden. Bei der Gerichtsverhandlung am 30. Mai 2018 haben das Gericht und die griechische Regierung sich dann für seine Auslieferung in die Türkei entschieden.

Und wie schätzt ihr dieses Urteil ein?

Unserer Meinung nach hat die griechische Justiz und Regierung am 30. Mai eines der fatalsten Entscheidungen ihrer Geschichte getroffen. Dieser Entscheid bedeutet ganz klar die Kollaboration zwischen Griechenland und der Türkei, obwohl sie ihre Beziehungen nach aussen als eher zerstritten darstellen. Um gegen diese Haltung Griechenlands und gegen den Entscheid der Auslieferung zu protestieren, hat unser Genossen einen Hungerstreik begonnen. Nun ist er schon seit über einem Monat im Hungerstreik. Sein gesundheitlicher Zustand hat sich dramatisch verschlechtern. Aufgrund von Magenkrämpfen und andauerndem Erbrechen wurde er vor 2 Tagen in das Gefängnisspital gebracht, um behandelt zu werden. Man muss dazu sagen, dass die Justiz ihn während dieses Streiks in das Gümülcine Gefängnis an der Grenze zur Türkei verlegen wollte. Doch Aktionen und Proteste dagegen konnten dies verhindern.

Seit seiner Verhaftung gibt es viel Solidaritätsarbeit zu seinem Fall.

Ja, es wurden Proteste und Aktionen in ganz Europa und in Athen organisiert und durchgeführt. Gespräche mit verschiedenen griechischen Ministern wurden organisiert, man nahm Kontakt auf mit dem griechischen Migrationsminister und es gab zwei Demonstrationen vor dem griechischen Justizministerum. GenossInnen haben sich vor dem griechischen Parlament angekettet und somit Aufmerksamkeit in der griechischen Hauptstadt geschaffen.

Doch wir sind mit einer Regierung konfrontiert, die sich um nichts schert. Wir kriegen keine Antwort auf unsere Aktionen und Bemühungen. Das einzige was gesagt wird ist:„Wenn Griechenland die 2 putschenden Soldaten nicht ausliefert, wird es einen Revolutionär erst recht nicht ausliefern.” Vitsas, der Minister für Migration hat wörtlich bestätigt, dass eine Auslieferung nicht in Frage kommt. Doch für uns ist die Praxis ausschlaggebend und bestimmend. Und da sieht die Situation anders aus. Während den GenossInnen von Kaya keinerlei Auskunft über seine Situation gegeben wird, werden andererseits die Wahlen in der Türkei für demokratisch erklärt und Tsipras selbst gratuliert Erdogan zu seinem Erfolg.

Das reiht sich in die Zusammenarbeit der EU-Staaten mit dem NATO-Mitglied Türkei der letzten Jahre ein.

Natürlich, wir fragen uns, ob Tsipras nicht weiss, dass die Wahlen in der Türkei unter einem Ausnahmezustand stattfanden, dass sich tausende Menschen im Gefängnis befinden und die Wahlen nur mit Manipulation zu so einem Ergebnis gekommen sind? Nun werden sich Tsipras und Erdogan auf der NATO-Konferenz treffen, um über die Situation der zwei nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten zu sprechen. Wird dort auch über Turgut Kaya verhandelt? Wird ein Deal verhandelt ob Tsipras unseren Genossen nun in die Hände des Faschismus gibt, damit er dort in den Folterzellen vernichtet wird? Warum finden wir keine Antwort auf unsere Fragen und unser Genosse keine Antwort auf seinen Hungerstreik?

Wir möchten klarstellen: Es ist ein Verbrechen gegenüber den Völkern dieser Welt mit R.T. Erdogan, einem Diktator, der vom griechischen Volk und von allen Völkern dieser Welt als faschistisch angesehen wird, zusammenzuarbeiten. Die Forderungen unseres Genossen Kaya zu ignorieren, der zu Unrecht als Geisel gehalten wird, bedeutet, dass die Syriza Regierung die Folgen dafür tragen wird was mit ihm passiert. Darum: Seid keine Mitverbrecher der faschistischen Türkei. Stoppt die Auslieferung von Turgut Kaya sofort!

Das Interview wurde am 1. Juli 2018 geführt. Turgut Kaya ist weiterhin im Hungerstreik. Mehr Informationen zu seinem Fall gibt es auf freeturgutkaya.blogspot.com/2018/ oder https://www.facebook.com/FreeTurgutKaya/

Hungerstreik gegen Geiselaustausch

Türkischem Kommunisten Turgut Kaya droht Auslieferung von Griechenland an die Türkei

Seit mehr als einem Monat verweigert Turgut Kaya die Nahrungsaufnahme. Mit seinem Hungerstreik wehrt sich der in der griechischen Hauptstadt Athen inhaftierte kommunistische Journalist gegen seine drohende Auslieferung an die Türkei. Aufgrund seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes wurde Kaya am Wochenende in die Krankenstation des Gefängnisses Korydallos eingeliefert.

Kaya war am 28. Februar aufgrund eines über Interpol verbreiteten Haftbefehls der türkischen Justiz in der Nähe der griechisch-türkischen Grenze festgenommen worden. Er wird beschuldigt, Leitungskader der maoistischen Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch (TKP/ML) zu sein. Auf der Liste der meistgesuchten »Terroristen« des türkischen Innenministeriums findet sich Kayas Name in einer Reihe mit denen des Führungskaders der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Cemil Bayik und des Sektenführers Fethullah Gülen, der für den Putschversuch vor zwei Jahren verantwortlich gemacht wird. Rund eine Million Euro (vier Millionen Türkische Lira) Kopfgeld sind auf die Ergreifung Kayas ausgesetzt, der in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 14 Jahren und sieben Monaten verurteilt wurde.

Kaya ist seit seiner Studienzeit Anfang der 90er Jahre politisch aktiv, mehrfach wurde er inhaftiert und schwer gefoltert. Zuletzt saß er wegen seiner Mitarbeit an der legalen sozialistischen Zeitung Özgür Gelecek sechs Jahre lang unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in Untersuchungshaft. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen überlange Untersuchungshaft kam er 2012 frei. Er setzte sich zuerst nach Griechenland ab, kehrte dann aber heimlich in die Türkei zurück, wo er bis zu seiner erneuten Flucht seine politische Tätigkeit im Untergrund fortführte.

Obwohl Kaya nach seiner Festnahme unverzüglich Asyl beantragt hatte, erklärte das Oberste Verwaltungsgericht in Athen Ende Mai eine Auslieferung für zulässig. Die endgültige Entscheidung liegt seitdem bei Justizminister Stavros Kontonis von der Partei Syriza.

Süleyman Gürcan von der »Konföderation der Arbeiter aus der Türkei in Europa« (ATIK), die seit Wochen Protestaktionen vor diplomatischen Vertretungen Griechenlands organisiert, äußerte gegenüber junge Welt die Befürchtung, dass Kaya gegen zwei in der Türkei inhaftierte griechische Soldaten ausgetauscht werde könnte. Die Soldaten waren im März während einer Grenzpatrouille einige hundert Meter auf türkisches Territorium vorgedrungen, Ankara wirft ihnen deshalb Spionage vor.

Die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras steht zunehmend unter Druck aus nationalistischen Kreisen, weil es ihr nicht gelungen ist, die Soldaten aus der Haft eines NATO-Partners freizubekommen. Umgekehrt fordert die Türkei die Auslieferung von acht nach Griechenland geflohenen türkischen Soldaten, die am Putschversuch im Juli 2016 beteiligt waren. Deren Auslieferung wurde jedoch vom Obersten Verwaltungsgericht in Athen für unzulässig erklärt, so dass für einen »Geiselaustausch« nur Kaya übrigbliebe.

Der Vorstand der deutschen Partei Die Linke hat wie auch die linke Demokratische Partei der Völker (HDP) aus der Türkei und die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) an die griechische Regierungspartei ­Syriza appelliert, Kaya freizulassen. In Athen gibt es nahezu täglich Protestaktionen von türkischen Emigranten.

Unterdessen droht dem zusammen mit Kaya festgenommenen Hidir Gönek in Griechenland eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren wegen »Menschenschmuggels«. Im Verhör wies Gönek, der ebenfalls ein aus der Türkei stammender Kommunist ist, den Vorwurf der Schleusertätigkeit zurück. Er kenne Kaya schon seit langer Zeit und habe ihm aus politischen Gründen geholfen. Der Prozess gegen Gönek, der im Gefängnis von Komotini festgehalten wird, ist für den 6. Juli angesetzt.

Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/335184.hungerstreik-gegen-geiselaustausch.html?sstr=kaya