Monthly Archives: October 2014

Griechenland: Erklärung von Antonis Stamboulos, inhaftiert in Athens Polizeihauptquartier

„Polizeihauptquartiere, Politiker und Zeitungen; verschiedene Namen, dieselben Schweine“

Am 1. Oktober 2014 wurde ich verhaftet, bekam eine Kapuze über den Kopf gezogen und wurde in einen Verhörraum der Antiterroreinheit gebracht. Von 17 Uhr bis ein Uhr morgens war eine Bande vermummter Bullen damit zugange, während mir die Hände auf dem Rücken gefesselt waren, mir DNA und Fingerabdrücke abzunehmen und mich mit Gewalt zu fotografieren, immer begleitet von höhnischen Bemerkungen, Würgegriffen, Verdrehungen und Schlägen. Sie drohten mir damit, Elektroschocks anzuwenden und dachten wohl, das würde mich dazu bringen, mit ihnen zu kollaborieren. Um ein Uhr morgens sah ich zum ersten Mal unmaskierte Bullen, die mir sagten, ich würde des Terrorismus beschuldigt. Bis 5 Uhr dreißig am Morgen blieb ich in einer 1 mal 3 Meter großen Zelle eingesperrt, immer mit den Händen hinter dem Rücken gefesselt. Am nächsten Tag versuchten sie noch einmal, mich zu fotografieren.

Vom ersten Moment an verweigerte ich Essen und Wasser und verlangte, mit einem Anwalt zu sprechen. 24 Stunden nach der Inhaftierung ließen sie mich schließlich eine Anwältin benachrichtigen, und ich schaffte es, bevor ich vor den Staatsanwalt gebracht wurde, wenigstens ein paar Minuten mit ihr zu sprechen.

Ich teile das gerade Beschriebene mit Kampfgenossinnen und Kampfgenossen als eine kleine Erfahrung des Kampfes.

Egal ob die Haltung des Staates uns gegenüber milde oder hart ist – was immer von den Umständen abhängt – er kann uns in Momenten der Not niemals brechen, solange wir uns der Verantwortung bewusst sind, die wir aufgrund unserer Position als Anarchistinnen und Anarchisten haben.

Es sind die harten Zeiten im Kampf, die uns ein starkes Bewusstsein verleihen. Unter diesen Umständen hält jede und jeder von uns die Ideale der Gesellschaft, für deren Aufbau wir kämpfen, aufrecht. Im Kampf um die Befreiung aus der Klassengesellschaft ist sehr viel Blut vergossen worden und deswegen würden nur Idioten erwarten, dass wir uns vor irgendwelcher Bullenschikanen beugen. Ich habe mich aus zwei Gründen gegen die Bemühungen der staatlichen Lakaien, meine persönlichen Daten zu ermitteln, gewehrt. Erstens wegen meiner eigenen Werte, denn ich glaube, dass ein anarchistischer Revolutionär und eine anarchistische Revolutionärin dem Klassenfeind nicht das kleinste bisschen Boden überlassen darf. Und zweitens, weil ich mir der Schwere der Sache, in die verwickelt bin, bewusst war und deswegen meine mir in Kameradschaft und Freundschaft verbundene Umgebung vor den Klauen derer, die mich gefangen halten, schützen wollte. Als die Clouseaus unfähig waren, meinen Namen rauszufinden, war ich nicht im geringsten gewillt, ihn ihnen zu geben. Zu dem Zeitpunkt, da ich dies schreibe, zwei Tage nach der Festnahme, hat die Polizei mich „schließlich“ identifiziert.

Es ist klar, dass die Beamten der Antiterroreinheit und besonders ihre politischen Vorgesetzten aus meiner Verhaftung einen Sensationserfolg machen wollten. Deshalb das Durchsickern von Informationen an die Presse in Bezug auf das Notizbuch, das angeblich „präzise ausgearbeitete, zeitlich festgelegte Aktionspläne” mit Zielen, Fahrrädern und Würstchen enthalten würde.* Sie schneidern ihre erfundene Geschichte so zurecht, dass sie in ihr Szenario passt; ein Szenario, das sie am Ende immer als die Gewinner dastehen lässt.

Es ist nicht Sache von Polizei und Staatsanwaltschaft, zu wissen, was ich gemacht habe, wer ich bin und warum ich dort war, wo ich mich zum Zeitpunkt meiner Gefangennahme befand; es geht sie wirklich nichts an, sondern allein mich. Deshalb muss ich mich vor irgendwelchen Wächtern der bourgeoisen Legalität nicht rechtfertigen, sondern einzig vor der revolutionären Bewegung, den Genossinnen und Genossen und den Menschen, die gewählt haben, nicht als raya (Sklave) zu leben.

Ich betrachte diese erste Kommunikation mit der Außenwelt als notwendig, da ich mich nicht der Illusion hingebe, nicht in Untersuchungshaft zu landen.

Für die nächste Zeit werde ich durch die Diener des Kapitals gefangen gehalten, aber mein Herz gehört nach wie vor dem Lager der Revolution.

Der Kampf geht weiter.
Lang lebe die Revolution.
Lang lebe Anarchie.

Antonis Stamboulos
aus dem Polizeihauptquartier Alexandras Avenue 173
am frühen Morgen des 4. Oktober 2014

* Bemerkung d. Ü.: Als der Genosse nach seiner Verhaftung im Athener Bezirk Vyronas immer noch nicht identifiziert war, erklärte der Polizeichef öffentlich, dass eines der herausragendsten „Fundstücke“ handgeschriebene Notizen seien, bei denen es sich angeblich um Codebezeichnungen für Sprengstoff handelte.

Quelle: http://de.contrainfo.espiv.net/2014/10/05/griechenland-erklarung-des-anarchisten-antonis-stamboulos-inhaftiert-in-athens-polizeihauptquartier/

Athen, Griechenland: Anarchistischer Gefangener Antonis Stamboulos beginnt Hunger- und Durststreik

Nach seiner Verhaftung am 1. Oktober 2014 wird der des Terrorismus beschuldigte Antonis Stamboulos gegenwärtig in Untersuchungshaft gefangen gehalten.

Am 6. Oktober kündigte der Genosse in einem weiteren offenen Brief einen Hunger- und Durststreik an und verurteilt die Tatsache, dass er im Gefangenentransferzentrum in Athen festgehalten wird. Außerdem protestiert er gegen die fortwährende Medienhetze gegen ihn, der durch Antiterrorbullen angefeuert wird.

Der Presse werden ohne Ende Szenarios voller Terrorwahn zugespielt, damit es der Antiterroreinheit leichter fällt, ihn zu vernichten. Der gefangene Genosse wurde unter anderem als führendes Mitglied der Stadtguerillagruppe „Revolutionärer Kampf“, als einer der Bankräuber von Kleitoria (Achaea, Griechenland) und als angeblicher Nachfolger des getöteten Genossen Lambros Foundas porträtiert, während die Sprachrohre der Mächtigen verbreiteten, dass die gesuchte Anarchistin Pola Roupa mit ihrem Kind angeblich auf den Stufen zu seiner Wohnung in der Kallifrona Straße in Kypseli, einem vermeintlichen „Unterschlupf“, gesehen worden sei. Zugleich sagten Möchtegern-InformantInnen und andere lächerliche Spitzel nur zu bereitwillig gegen ihn aus, so behauptete ein Nachbar seiner Eltern z.B., er habe aus dem Keller ihres Hauses Explosionen gehört.

Die Tatsache, dass die Bullen ihn ins Gefangenentransferzentrum gerbracht haben – entgegen dem Antrag des Staatsanwalts, ihn nach Koridallos zu bringen – offenbart ihre Absicht, ihn in ein anderes, abgelegenes Gefängnis zu bringen. Es geht weniger um ihn als vielmehr darum, seine Verwandten zu zermürben, die zu stundenlangen Reisen gezwungen sein werden, damit sie ihn im Gefängnis besuchen können, und darum, die Arbeit seiner Verteidigerin noch schwieriger zu machen, als sie bereits ist.

Antonis Stamboulos erklärte, dass er es nicht zulassen wird, dass die Drecksäcke der Antiterrorpolizei und ihre Bosse ihm nahestehende Personen fertigmachen. Deshalb (noch bevor sie ankündigen, wohin sie ihn zu verfrachten beabsichtigen) warnte er, dass er nicht akzeptieren wird, irgendwo andershin zu kommen als nach Koridallos, in die Nähe seiner Familie und seiner Anwältin.

Deshalb hat er seinen Hunger- und Durststreik am 6. Oktober begonnen.

Quelle (leicht überarbeitet): http://de.contrainfo.espiv.net/2014/10/07/athen-griechenland-anarchistischer-gefangener-antonis-stamboulos-beginnt-hunger-und-durststreik/

Ulrike Meinhof lebt!

Ulrike wäre am 7. Oktober 2014 80 Jahre alt geworden.

Viel ist schon zu ihr geschrieben worden und ich denke, sie wird präsent in den Herzen und Köpfen der revolutionären Linken weltweit bleiben. Nicht nur bei denen, sondern auch bei Einigen, die anfangen, sich zu wehren.

Wie soll ich zu Ulrike schreiben? Wie können wir sie, eine Revolutionärin, angemessen würdigen?
Am einfachsten ist es ist für mich, einige Stationen ihres Lebens zu skizzieren, die vor allem mir wichtig waren. Mir ist dabei bewusst, dass das alles nur Auszüge sein können.

1967/1968

Während einer Demonstration gegen den Besuch des Schah von Persien am 2. Juni 1967 in Westberlin wurde der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen.
Die Erschießung Ohnesorgs war ein Fanal für Viele aus meiner Generation: wir begriffen, was für ein Staat die BRD ist – kein demokratischer Staat, sondern autoritär, der nie mit dem Faschismus gebrochen hatte, denn viele ehemalige Nazis wie Kiesinger, Lübke, Globke, Buback oder Schleyer übten wichtige Funktionen im sogenannten Rechtsstaat aus. Die Regierung der BRD war natürlich für das Folterregime Iran ein wichtiger Handelspartner.
Der Polizist Kurras wurde wegen der Erschießung von Benno nie belangt.
Die BRD war für die USA ein wichtiger Militärstützpunkt, ein Drehkreuz, von wo aus die USA die Bombenangriffe gegen die Bevölkerung Vietnams koordinierte. 1972 griff deshalb die RAF, in der Zeit war auch Ulrike dort organisiert, zwei US-Stützpunkte in Frankfurt und Heidelberg an.
Mir empfahlen FreundInnen nach dem 2. Juni 1967, die Artikel von Ulrike in der Zeitschrift “Konkret” zu lesen. Vieles war mir als knapp 17-jährigem in der Zeitschrift neu und unverständlich. Doch über Ulrikes Texte bekam ich langsam einen Begriff von der Situation und fing an, mich zu politisieren.
Die Reportagen Ulrikes über Heime, über proletarische Jugendliche, waren mir wichtig. Ihr Film “Bambule”, über eine Rebellion in einem Heim für heranwachsende Frauen, durfte 24 Jahre nicht im Fernsehen gezeigt werden, weil Ulrike sich kurz vor Aufführung im Fernsehen der RAF angeschlossen hatte.
Viele von uns, so auch ich, haben später ähnliche Arbeiten mit unterprivilegierten Jugendlichen gemacht. In Hamburg holten wir z. B. 1973 Jugendliche aus Heimen raus, die dann mit uns zusammen das Haus in der Ekhofstraße besetzten und militant verteidigten.
Ein knappes Jahr später, am 10. April 1968, schoss ein durch die Springer-Presse, Berliner Senat und Bundesregierung aufgehetzter Arbeiter auf den bekanntesten Sprecher der Außerparlamentarischen Opposition (APO) Rudi Dutschke und verletzte ihn lebensgefährlich.
An diesem Tag nahm ich mit Freunden an meiner ersten Demonstration teil, gemeinsam blockierten wir den Springerverlag in Hamburg, um die Auslieferung dieser Hetzblätter zu verhindern. Ulrike begleitete diese Aktionen nicht nur journalistisch, sondern war selbst auf der Straße. Im Grunde fing sie schon damit an, die Aufhebung von Kopf- und Handarbeit zu praktizieren und damit die Fessel und damit den Bruch des bürgerlichen Leben zu forcieren.
Ende des Jahres 1968 wurde deutlich, dass diese anti-autoritäre Bewegung an Grenzen stieß. Sie splitterte sich in verschiedene Organisationen auf. Schon in dieser Zeit berichtete sie in “Konkret” über eine Aktion gegen Kaufhäuser. Andreas Baader und Gudrun Ensslin und zwei weitere Männer zündeten aus Prostest gegen den Konsumterror und den Vietnamkrieg 2 Kaufhäuser in Frankfurt an. Sie wurden alle zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt
Ulrike schrieb in “Konkret” 14/1968 dazu:
„Das progressive Moment einer Warenhausbrandstiftung liegt nicht in der Vernichtung der Waren, es liegt im Gesetzesbruch…
Es bleibt aber auch, was Fritz Teufel auf der Delegiertenkonferenz des SDS gesagt hat: es ist immer noch besser, ein Warenhaus anzuzünden, als ein Warenhaus zu betreiben. Fritz Teufel kann manchmal wirklich sehr gut formulieren.“
Anfangs war diese Kaufhausaktion in der Protestbewegung sehr umstritten, selbst der SDS, die radikalste Studentenorganisation, distanzierte sich. Das änderte sich und Ulrikes Artikel haben bestimmt dazu beigetragen. Es zeigt sich an diesem Artikel aber auch, dass über die Anwendung von revolutionären Interventionsmethoden breit diskutiert wurde, d. h. die später entstehenden bewaffneten Gruppen wie die RAF oder die „Bewegung 2. Juni“ waren Ergebnisse davon und agierten weltweit mit anderen Guerillagruppen gegen den Imperialismus.
Das Zitat von Fritz drückt auch aus, dass das Leben im Kapitalismus für viele damals keine Perspektive war, im Grunde das, was heute mit „Kapitalismus tötet!“ bezeichnet wird.

RAF

Am 14. Mai 1970 wurde Andreas Baader, der wegen der militanten Aktion gegen Kaufhäuser eingesperrt war, in Berlin befreit. Das ist sozusagen die „Geburtsstunde“ der RAF.
Als Gefangene sagte Ulrike Meinhof 1974 im Prozess dazu:
„unsere aktion am 14. mai 1970 ist und bleibt die exemplarische aktion der metropolenguerilla. in ihr sind/waren schon alle elemente der strategie des bewaffneten, antiimperialistischen kampfes enthalten: es war die befreiung eines gefangenen aus dem griff des staatsapparats. ….war exemplarisch, weil es im antiimperialistischen kampf überhaupt um gefangenenbefreiung geht, aus dem gefängnis, dass das system für alle ausgebeuteten und unterdrückten schichten des volkes schon immer ist und ohne historische perspektive als tod, terror, faschismus und barbarei;“
http://www.labourhistory.net/raf/read.php?id=0019710501

Ulrike kannte ich ja nicht persönlich, sondern nur durch ihre Artikel. Ich konnte trotzdem ihren Schritt in die RAF gut nachvollziehen. Sie redete nicht nur von Umsturz, sondern versuchte, das auch praktisch werden zu lassen.

Des-Informationspolitik der Herrschenden

Viele Militante hatten Kinder: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ilse Schwipper oder Willy Peter Stoll.
Natürlich versuchten oft die Medien, Polizei und Geheimdienste, die Militanten generell wegen ihrer Kinder zu erpressen und/oder zu diffamieren. Das betraf auch Ulrike. Einmal, weil sie selbst zu den Waffen griff und zum Anderen, weil sie als Frau ihre Kinder zurück ließ.
Tauchten KämpferInnen ab, um den Kampf mit anderen Mittel weiterzuführen, sorgten sie dafür, dass es für die Kinder eine gute Lösung gab.
Wenn die Kontakte auf Grund dieser Bedingungen beendet werden, ist es für beide Seiten nicht einfach, eine optimale Lösung für die Eltern und Kinder zu finden.
Klar war, die zurückgelassenen Kindern sollten gut unterkommen, sei es bei linken GenossInnen oder korrekten Verwandten.
So erzählte der kommunistische Schriftsteller Christian Geissler in einem Radiointerview 2005, dass sich Ulrike kurz vor ihrem Schritt in die RAF viele Gedanken um ihre zurückgelassene Kinder machte.
So sollten ihre Kinder in ein Palästinenserlager gebracht werden, was bekanntlich durch Stefan Aust, der eng mit den Geheimdiensten zusammenarbeitet, verhinderte wurde.
http://www.political-prisoners.net/nullaefinito/Christian_Geissler/Interview_mit_Christian_Geissler.mp3
Nach der Verhaftung von Illegalen wurde teilweise der Kontakt zu den Kindern wieder aufgenommen.

Was tun

Ich hatte ja schon die Zersplitterung der radikalen Linken Ende der sechziger Jahre angesprochen: viele gingen in die SPD oder DKP und Andere gründeten kommunistische Gruppen. All diese Ansätze waren entweder opportunistisch und/oder revisionistisch. Kurzum, sie hatten nichts mehr mit den progressiven Inhalten der APO zu tun: anti-kapitalistisch, antagonistisch und internationalistisch.
Wir hingegen versuchten, unsere Praxis mit der Politik der Guerilla zu verbinden.
Da war es nur konsequent, die Gefangenen aus der RAF aus den Isolationsbunker heraus zu kämpfen. Ich schloss mich deshalb den „Komitees gegen Folter an den politischen Gefangenen in der BRD“ an.
Nach der Festnahme zahlreicher Mitglieder aus der RAF wurde mit strikter Isolation und Sonderbehandlung versucht, die Gefangenen zu brechen und zu zerstören. Ulrike wurde am 15. Juni 1972 in Hannover durch Verrat verhaftet.
Die Weggesperrten aus der RAF wurden in verschiedenen Knästen vollständig isoliert. Ulrike z. B. wurde im „Toten Trakt“, d. h. in einem leeren, unbelegten, von der restlichen Anstalt auch räumlich isolierten Trakt der JVA Köln-Ossendorf, eingesperrt. Sie wurde von jeglicher Außenwelt akustisch und visuell abgeschnitten. Ihre Zelle war vollständig weiß gestrichen. Es war ihr verboten, Bilder, Kalender o. ä. an die Wände zu hängen. Das Fenster ließ sich gar nicht, später nur einen winzigen Spalt, öffnen, davor engmaschige, kaum durchsichtige Fliegengaze. Die Neonbeleuchtung wurde auch nachts nicht abgeschaltet. Im Winter war die Zelle permanent unterkühlt.
Zu den Wirkungen dieser wissenschaftlich ausgeklügelten „Weißen Folter“ schreibt Ulrike Meinhof in einem Brief: „Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf … Das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst, das Gefühl, das Gehirn schrumpelt einem allmählich zusammen, wie Backobst z. B., das Gefühl, man stünde ununterbrochen, unmerklich, unter Strom, man würde ferngesteuert – das Gefühl, die Assoziationen würden einem weggehackt – das Gefühl, die Zelle fährt. …. Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschance hat; völliges Scheitern, das zu vermitteln; … Das Gefühl, es sei einem die Haut abgezogen worden.“
Uns gelang es durch zahlreiche Aktionen, neben Ulrike die insgesamt acht Monate da drin war, auch Gudrun Ensslin, die mit ihr drei Monate zusammen im Toten Trakt isoliert war, heraus zu holen.
Isolationsfolter wurde also systematisch 1972 gegen die Gefangenen aus der RAF, der „Bewegung 2. Juni“ und später auch gegen Gefangene aus dem anti-imperialistischen Widerstand angewandt.
Die Inhaftierten kämpften dagegen in zehn kollektiven Hungerstreiks gegen die rigiden Bedingungen.
Wir konnten trotz unseres vielfältigen Widerstandes weder die Isolation stoppen, noch verhindern, dass neun Gefangene aus diesen Zusammenhängen den Knast nicht überlebten.

Der Tod Ulrike Meinhofs

Am 8. Mai 1976 wird Ulrike Meinhof in ihrer Zelle tot aufgefunden. Eine internationale Untersuchungskommission, die im übrigen durch die deutschen Behörden auf verschiedenste Art und Weise behindert wird, kommt u. a. zu folgendem Ergebnis:
„Die Behauptung der staatlichen Behörden, Ulrike Meinhof habe sich durch Erhängen selbst getötet, ist nicht bewiesen, und die Ergebnisse der Untersuchungen der Kommission legen nahe, dass sich Ulrike Meinhof nicht selbst erhängen konnte. Die Ergebnisse der Untersuchungen legen vielmehr den Schluss nahe, dass Ulrike Meinhof tot war, als man sie aufhängte, und es beunruhigende Indizien gibt, die auf das Eingreifen eines Dritten im Zusammenhang mit diesem Tod hinweisen. … jeder Verdacht (ist) gerechtfertigt angesichts der Tatsache, dass die Geheimdienste – neben dem Gefängnispersonal – Zugang hatten zu den Zellen des 7. Stocks, und zwar durch einen getrennten und geheimen Eingang.“
http://www.labourhistory.net/raf/documents/0019760508_03.pdf

Trotzdem wurde und wird offiziell und medienwirksam Ulrike Meinhofs Tod als Selbstmord dargestellt.

Was bleibt

Sei es die Ausbeutung und die Kriege im Trikont, im Inneren die Gewalt und die Unterdrückung auf den Straßen, die Verschärfung in den Heimen und den Knästen – gegen all das hat sich Ulrike gewehrt.
All diese Bedingungen haben sich nicht verbessert, sondern in den letzten 25 Jahren eher noch verschärft und warten auf revolutionäre Veränderungen!
So wird die Isolation „Made in Stammheim“ auch weiterhin gegen Gefangene hier eingesetzt. Die Maßnahmen bekommen vor allem die §129b Gefangenen und die rebellischen Eingesperrten zu spüren. Die Isolationsfolter wird von der BRD in andere Länder exportiert, wie im Sommer nach Griechenland.
Das alles sind Gründe, gegen die Ulrike mit Anderen kämpfte, es liegt an uns, diesen Kampf um Befreiung weiter zu führen.
Machen wir uns keine Illusionen, der Weg dahin wird lang und hart sein!

“was die herrschende klasse an uns hasst, ist, dass die revolution trotz hundert jahre repression, faschismus, antikommunismus, imperialistischer kriege, völkermord wieder ihren kopf erhebt” (aus der Rede von Ulrike am 13. 9. 74 vor Gericht in Berlin wegen der Befreiung von Andreas Baader)

Ulrike lebt!

Redaktion des Gefangenen Info

Quelle: http://political-prisoners.net/item/3158-ulrike-meinhof-lebt.html

Erklärung von Nikos Maziotis, Mitglied des Revolutionärer Kampf, für die Ehrerweisung an die RAF und die Revolutionärin Ulrike Meinhof durch die Internationale Roten Hilfe.

Am 7. Oktober werden 80 Jahre seit der Geburt der Revolutionärin Ulrike Meinhof, eines der Gründungsmitglieder der Guerillagruppe RAF, vergangen sein. Meinhof, und die RAF haben einen Platz im Pantheon der Geschichte der revolutionären Bewegungen für die Befreiung der Menschheit von den Übeln der Unterdrückung und Ausbeutung gewonnen. Sie haben eine unauslöschliche Spur in der Geschichte hinterlassen; sie sind der Massstab für Generationen von RebellInnen und KämpferInnen. So wie für die RAF die antiimperialistischen und antikolonialen Kämpfe der Völker der Dritten Welt, wie die der VietnamesInnen und der Tupamaros ein Vorbild waren, so wurde die RAF zu einer Quelle der Inspiration und des Bezugs für Generationen von RebellInnen, sicher für viele in meiner Generation. RevolutionärInnen wie Meinhof trafen Entscheidungen, die sie dazu brachten alles zu wagen, um ihr Leben und ihre Freiheit im Kampf zu riskieren, wie alle anderen, die sich für den Pfad des Guerilla-Kampfes entschieden haben. Viele von ihnen wurden in bewaffneten Kämpfen gegen die Hunde des Staates getötet, sie starben im Hungerstreik im Gefängnis oder wurden in Gefängnissen getötet. Ulrike Meinhof wie auch Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe wurden ermordet, während sie Gefangene in den Gefängnissen von Stammheim waren, sie bezahlten den Preis dener, die sich für den Weg des Guerilla-Kampfes entschieden hatten. Derselbe Preis wurde von Puig Antich, Agustin Rueda, Oriol Solé, Mara Cagol, Anna Maria Ludman, Lorenzo Betassa, Riccardo Dura, Piero Panciarelli, Christos Kassimis, Christos Tsoutsouvis, Thomas Weisbecker, Georg von Rauch, Mario Galesi und Lambros Foundas bezahlt. Die Liste derer, die af dem Schlachtfeld starben ist sowieso endlos. Der Preis wurde von denen bezahlt, die als Gefangene im Hungerstreik starben, wie Holger Meins und Sigurd Debus, den Mitgliedern der IRA oder den kommunistischen Kämpfern in der Türkei im Hungerstreik im Jahr 2000. Der Preis wurde von denen bezahlt, die viele Jahre im Gefängnis verbrachten und bis zum Ende standhaft blieben, wie Joëlle Aubron, Prospero Gallinari oder der libanesische Rebell Ibrahim Abdullah, der seit 1984 in Frankreich inhaftiert bleibt. Wer sich dafür entschied, ein Rebell zu sein und sich für den bewaffneten Kampf und den Guerillakrieg entschied weiss, dass der Weg zur Befreiung des Menschen aus den Fesseln des Kapitals, des Imperialismus und des Staates nicht mit Blumen bestreut ist, sondern mit dem Tod, mit Blut, Kugeln, mit Gewalt, Gefängnis und Isolation gepflastert ist, was alles grosszügig von unserem Feind angeboten wird.

Ulrike Meinhof ist unter denen, die ein leuchtendes Beispiel sind, die bis zum Ende konsequent blieben. Meinhof, wie so viele andere GenossInnen, die sich den Reihen der Aufständischen anschlossen, durchbrachen die etablierten Rollen der sexistischen Gesellschaft, die Frauen als untergeordnete oder unterwürfige Underdogs der Männer sahen und änderten ihre Stellung als würdige und gleichwertige KämpferInnen, die mit der Waffe in der Hand kämpften. Wir vom Revolutionärer Kampf glauben, dass die beste Ehrung unserer KameradInnen die ihr Leben im Kampf gaben, die Fortsetzung desselben Kampfes ist, in dem sie fielen. Heute, mehr als 40 Jahre nach der Gründung der RAF und unter völlig anderen Bedingungen; unter den Bedingungen der globalen kapitalistischen Krise – die längste in der Geschichte des Kapitalismus – ist der Mangel an bewaffneten Aktionen in den Städten des entwickelten kapitalistischen Territoriums Europa und den USA deutlicher als je zuvor. Heute unter den Bedingungen des globalen Kapitalismus, entgegen der Überzeugung der 70er Jahre, dass die Front des imperialistischen Krieges in den Ländern der Dritten Welt wie Vietnam ist und die Rückseite in dem Gebiet Europas liegt, wo die amerikanische Kriegsmaschine auftankt, sind heute die vordere und die Rückseite des sozialen und des Klassenkampfes in der gleichen Gegend, in der der Europäischen Union und den USA. Es ist hier, wo die Entscheidungen für den brutalen Angriff des transnationalen Kapitals gegen die Menschen unter dem Vorwand der Schuldenkrise getroffen werden, wo der grösste Sozialraub orchestriert wird, die grösste Umverteilung von unten nach oben in der sozialen Hierarchie. Das heisst, in Deutschland, in Frankfurt, wo das Hauptquartier der Europäischen Zentralbank ist, in Paris, wo der Internationale Währungsfond einen Sitz hat, in Brüssel, wo der Sitz der Europäischen Union ist. Heute in Europa und in den Städten des entwickelten Kapitalismus, ist der bewaffnete Kampf notwendiger denn je. Um das Kapital der Europäischen Union zu zerstören, ist es notwendig, ein System zu untergraben, das in der grössten Krise seiner Geschichte steckt.

Der Kampf heute wird am Beispiel all derer geführt, die in früheren Zeiten ihr Leben gaben oder im Gefängnis eingesperrt waren und ungebrochen blieben.

Ehre für Ulrike Meinhof

Ehre den Toten des sozialen und des Klassenkampfes

Ehre den Reuelosen

Nikos Maziotis Mitglied des Revolutionärer Kampf

Ulrike war ein Teil des Kollektiv RAF – Orientierung im revolutionären Kampf!

Am 7. Oktober jährt sich der Geburtstag von Ulrike zum achtzigsten Mal. Anlass sich im Kontext wichtiger Fragestellungen des revolutionären Prozesses mit dem Stellenwert des bewaffneten Kampfes auseinander zu setzen: seine historische Einordnung, seine aktuelle Bedeutung. Denn Geschichtsbewusstsein erlaubt die Ettapisierung des revolutionären Prozesses und darin die Bestimmung der aktuellen Phase.

Für uns war Ulrike immer Teil des Kollektivs RAF und damit Orientierung im revolutionären Kampf. Und von dessen Aktualität gehen wir aus, auch wenn uns vergangene Fehleinschätzungen und die momentanen schwierigen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht entgangen sind. Imperialistische Kriege, reaktionäre und klerikale Mobilisierungen, Flüchtlinge, Abbau sozialer Errungenschaften sollen kein Anlass für eine revolutionäre Veränderung sein? Ohne Zweifel, das Kräfteverhältnis dafür war schon besser, doch gerade darum braucht es die Anstrengungen zum Aufbau der revolutionären Seite! Denn diese gesellschaftlichen Krisenprozesse erzeugen nicht automatisch revolutionäres Klassenbewusstsein. Gleichzeitig bringen jedoch die fundamentalen Strukturveränderung in den hochindustrialisierten Metropolen ein grosses ‚Unruhe- und Gewaltpotential’ mit sich.

Es passt ausgezeichnet in die politische, militärische und kulturelle reaktionäre Offensive der Herrschenden, dass auch die letzten Spuren der revolutionären Erfahrungen der 1970er Jahren aus dem Gedächtnis getilgt werden sollen. Offensichtlich steckt der revolutionäre Stachel, dieser ‚fundamentaler Fehltritt der Geschichte’ wie es in den bürgerlichen Medien geheissen hat, noch immer tief. Wo es dem kapitalistischen Staat nicht gelingt Widerstand zu integrieren muss er mit allen Mitteln vernichtet werden: Die Militanten, die Gefangenen, die Ideen und ihre Geschichte.

Dagegen sehen wir unser Geschichtsbewusstsein. Diese historischen Erfahrungen sollen aufgearbeitet und somit für die heutigen Debatten nutzbar gemacht werden. Der bewaffnete Kampf für eine kommunistische Gesellschaft war nicht das Hirngespinst einiger Wirrköpfe, sondern Antwort auf eine konkrete gesellschaftliche Situation in den 1960er und 70er Jahren. Während in den hochindustrialisierten Ländern es den Herrschenden gerade auch auf der Grundlage des Mehrprofits aus den kolonialisierten Länder gelang die Ausbeutung sozial abzufedern und revolutionäre Ansätze zu zerschlagen, hatte sich mehr und mehr der Widerspruch zwischen dem kolonialen und feudalen Trikont und den imperialistischen Zentren als der entscheidende revolutionäre Faktor herausgestellt – Algerien; Cuba; Vietnam; Angola; etc. Verheissungsvoll waren die Kämpfe in Afrika, Asien und Lateinamerika in den 70er Jahren. Dieser Tatbestand war nicht ohne Folgen auch für die revolutionäre Theorie und Strategie in den Metropolen geblieben. Insbesondere in der BRD.

Aufbauend auf der Neubestimmung des Subjekts der sozialen Umwälzung, der Lehre von der ursprünglichen sozialistischen Akkumulation und des Übergangs der neudemokratischen in die sozialistische Revolution entwickelten diese Länder bzw. Befreiungsbewegungen in der Auseinandersetzung mit ihren Unterdrückern die Strategie des langandauernden revolutionären Volkskrieges Die Revolutionierung des Trikont, die nach ihrem Sieg auf die hochindustrialisierten Länder übergreifen würde. Eine Internationalisierung des Klassenkampfes mit grosser Auswirkung auf die revolutionären Bewegungen in den Metropolen. Die Befreiung der unterdrückten und vom Imperialismus ausgebeuteten Völker durch die antiimperialistischen Befreiungsbewegungen ermöglichte auch der revolutionären Linken in Europa eine neue Machtperspektive.

Allerdings war dieser Aufbruch ganz und gar nicht determiniert, sondern es galt die Entwicklung aktiv zu fördern. Innerhalb des jeweiligen objektiven Rahmens müssen Entscheidungen getroffen, die richtige Möglichkeit unter verschiedenen ausgewählt werden. Mit anderen Worten, objektive Verhältnisse bedeuten nie die Hände in den Schoss zu legen und auf ‚günstigere’ Verhältnisse zu warten. Aufgrund des globalen Charakters des Imperialismus war er auch an jedem Ort angreifbar und durch eine zusätzliche Front weiter zu schwächen. Insbesondere in Deutschland und den USA war dieses Verhältnis zentraler Impuls für die revolutionäre Bewegung.

Am konsequentesten wurde die Verbindung zwischen diesem theoretischen Ansatz und der revolutionären Praxis in Europa durch die Stadtguerilla hergestellt. Besonders der Kampf des Vietcong und die damit verbundene internationalistische Solidaritätsbewegung war quasi die subjektive Bedingung aus der sich die Rote Armee Fraktion entwickelt hatte. Es war dieser antiimperialistische Kontext der die strategische Funktion der Stadtguerilla definierte: Die Einkreisung der Metropolen durch die Befreiungskämpfe, durch den Aufbau der äusseren Front zu ergänzen. Mit militärischen Interventionen sollte das imperialistische Hinterland destabilisiert werden. Die RAF bezog sich in ihrer strategischen Orientierung einerseits auf die chinesischen Kommunisten Lin Biao anderseits auf Mao. Lin Biao stellte zwischen dem langandauernden Volkskrieg und der Weltrevolution eine Analogie her, nach der die ‚Weltdörfer’ die ‚Weltstädte’ langsam einkreisen würden. Von Mao wiederum wurde die Volkskrieg-Theorie der inneren und äusseren Linien übernommen. Die äussere Linie waren die Metropolen, also auch die BRD.

Unmittelbare strategische Bedeutung für die Stadtguerilla kam dabei der Focus-Theorie zu, in der das Verhältnis zwischen den kämpfenden Avantgarde und den Massen neu definiert wurde. Die Tupamaros in Uruguay interpretierten dieses Konzept so, dass es für die Stadtguerilla in Europa bestimmte Vorbildfunktion hatte. Sie begannen ihren Kampf in geographischen Verhältnissen die für einen ruralen Guerillakampf nicht geeignet war. In den urbanen Zentren, in Montevideo, hingegen sei der Klassenkampf so polarisiert, dass die Guerilla sich wie der Fisch im Wasser bewegen könne. Die Verbindung mit der sozialen Basis würde wiederum durch die bewaffneten Aktionen geschaffen, der bewaffnete Kampf könne ohne Massenorganisation begonnen werden. Die bewaffnete Aktion bringe nicht nur revolutionäres Bewusstsein sondern auch revolutionäre Bedingungen hervor.

Tatsache ist, dass es kleine bewaffnete revolutionäre Stadtguerilla-Gruppen mit gezielten Angriffen schaffen den kapitalistischen Staat herauszufordern, blosszustellen und zu verunsichern. Bewaffnete Aktionen, Feuergefechte mit den Repressionskräften, erfolgreiche Expropriationen, die Etablierung origineller Prinzipien der Konspiration, der Aufbau von illegalen Strukturen, waren auch in Europa erfolgreich. Allerdings fehlte in diesem Zusammenhang eine weitergehende politische Machteroberungsstrategie. Ohne politischen Aufbau einer Massenperspektive diente diese Praxis letztlich dazu den empirischen Beweis zu liefern, dass bewaffneter Widerstand möglich ist. In wie weit dadurch Bewusstsein in der Klasse geschaffen werden konnte hat die Geschichte beantwortet.

Die Kämpfe, Entwicklungen und Debatten der 70er und 80er Jahre, die von Ulrike Meinhof mitgeprägt wurden, gehören mittlerweile zwar der Vergangenheit an, Sie sind bereits Ge­schichte. Doch sie sind ein historischer Abschnitt, der auch heute noch jeden Ansatz von revolutionärer und kommunistischer Politik entscheidend prägt.

Rote Hilfe des Revolutionären Aufbau Schweiz

7.10. 2014

Interview: Wienke Zitzlaff über ihre Schwester Ulrike

Am 7. Oktober 2014 wäre Ulrike Meinhof (Mitglied der Roten Armee Fraktion) 80 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Jahrestags hat Wienke Zitzlaff, Ulrikes Schwester, dem WDR ein längeres Interview gegeben. Wienke ist selber politisch aktiv und blickt auf eine lange Geschichte zurück. 1986 hat sie beispielsweise der Libertad ein längeres Interview über den Zustand der deutschen revolutionären Linken gegeben. Sie war auch eine der treibenden Kräfte bei der Hinterfragung der “Selbstmordthese” im Fall von Ulrike. In ihren Worten:

Die  Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sind so voller Widersprüche, dass die These der Staatsanwaltschaft vom “Selbstmord” von uns angezweifelt werden muss.

Solidarität mit Rojava

Seit mehreren Wochen werden die befreiten kurdischen Gebiete in Nord-Irak und Syrien angegriffen. In den letzten Tagen hat sich die Situation rund um die syrisch-türkische Grenzstadt Kobane zugespitzt. Von mehreren Seiten greift der “Islamische Staat” die kurdische Stadt an, während an der Grenze stationierte türkische Polizisten und Soldaten den Grenzübertritt von KurdInnen verhindern, die sich dem bewaffneten Kampf gegen den “IS” anschliessen wollen. Dabei kommt es immer wieder zu Angriffen von Seiten der türkischen Truppen auf die Protestcamps. Die Türkei nutzt die Situation dazu, die Einrichtung einer “Pufferzone” zu fordern. In der Einschätzung der kurdischen Bewegung kommt ein solcher Vorschlag der “Unterstützung des IS gleich.” Zudem wurde der Waffenstillstand mit der Türkei durch den KCK aufgekündigt.

Angesichts all dieser Entwicklungen haben die Karakök Autonome TR/CH einen dringenden Aufruf zur Solidarität mit Rojava verfasst, den wir im Folgenden gerne publizieren:

Rojava ist ein autonom verwaltetes Gebiet (ehemals zu Syrien gehörend), welches durch kurdische Freiheitskämpfer_innen im November 2013 befreit wurde. Die Bevölkerung besteht aus 2.5 Millionen Menschen. Die Verwaltung aller Alltagsstrukturen (z.B. Schulen, Bäckereien, Kliniken, Tankstellen) findet auf basisdemokratischer Ebene statt. Eine zentralistische Regierung gibt es nicht. Alle in der Region lebenden Menschen, unabhängig von Ethnie, Religion oder Sprache, sind im Volksrat vertreten. Entscheidungen werden hierdurch selbstbestimmt und von unten gefällt. Es besteht eine Frauenquote von 40% in allen Verwaltungen. Das ist nicht nur im Nahen Osten einzigartig. Zusätzlich organisieren sich Frauen in autonomen Strukturen. Es gibt Frauenzentren, in denen Selbstorganisierung und Empowerment stattfindet. Die Strukturen orientieren sich deutlich an anarchistischen Ideen, so flossen in der konkreten Umsetzung des Projektes Ideen von Bakunin, Kropotkin, aber auch Zerzan ein.

Rojava ist eine sichere Insel für alle Ethnien oder Minderheiten, die in der Region unterdrückt oder verfolgt werden – Araber, Sunniten, Armenier, Assyrer, Aleviten, Yeziden, darunter z.B. auch christliche Minderheiten. Ebenfalls setzt sich die Region gegen die Diskriminierung von Homo- und Transsexuellen ein. Erklärtes Ziel ist der Aufbau einer rätedemokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft. Das Projekt ist als solches einzigartig auf der Welt und die Region gilt als eines der sichersten Gebiete in Syrien – auch, weil sie bewaffnet gegen aussen verteidigt wird.

Angriff von allen Seiten

In der aktuellen Situation ist Rojava von allen Seiten bedroht. Einerseits von der ISIS, welcher Rojava ein Dorn im Auge ist. Andererseits vom Assad-Regime und der türkischen Regierung, welche das autonome Rojava angreifen. Unter diesen Bedingungen zu bestehen, ist nicht leicht.

Umgebende Regierungen kontrollieren die Grenzen und verhindern Import wie Export. Es fehlt an Lebensmitteln, Medikamenten, medizinischer Versorgung, Unterkünften. Die Stromversorgung wurde durch die ISIS gekappt, damit ist auch die Wasserversorgung zusammengebrochen. Grenzdörfer von Rojava werden durch die ISIS angegriffen, so erfolgte letzte Woche der Angriff auf Kobane, wobei 300 Kämpfer_innen, welche das Gebiet verteidigen, ums Leben kamen. Rojava ist als autonomes, basisdemokratisches Projekt akut bedroht und damit alle Menschen, die hier Zuflucht und Hoffnung gefunden habe. Die Menschen leiden Hunger, sind obdachlos oder sterben durch Krankheit und bewaffnete Angriffe.

Wie können wir Rojava unterstützen?

Am wichtigsten ist es, über das Projekt zu berichten, die Informationen zu streuen, denn in europäischen Medien ist kaum etwas zum Thema zu lesen. Berichtet über Rojava in eurem Umfeld, auf euren Websiten und Blogs. Macht Aktionen oder Kampagnen. Regelmässige Infos auf Englisch findet ihr in der Online-Zeitung „Firatnews“ → http://en.firatajans.com (oder indem ihr uns kontaktiert). Ganz konkret fehlt es auch an Geld für Lebensmittel, Kleidung, Unterkunft, Medikamente. Beiträge an folgendes Konto gelangen direkt an die Bevölkerung:

Heyva Sor A Kurdistane Schweiz, Zürich
Kontonummer: 80-017192-8
Zahlungsweg: Stop Isis

Zeigen wir der Bevölkerung von Rojava, dass sie nicht alleine ist und sorgen wir dafür, dass dieses einzigartige Gebiet weiter bestehen kann!

Karakök Autonome