Von Heike Schrader, Athen, junge Welt 23.4.2015
Mehr als 40 Tage hatten politische Gefangene in Griechenland mit einem Hungerstreik für weitreichende Veränderungen im Strafvollzug gekämpft. Ein Gesetz, das einen erheblichen Teil dieser Forderungen umsetzt, wurde am späten Montag abend mit den Stimmen der beiden Regierungsparteien Syriza und Anel verabschiedet.
Mit ihm werden unter anderem die Sondergefängnisse von Typ C wieder abgeschafft. Diese waren erst von der Vorgängerregierung unter Antonis Samaras eingeführt worden – angeblich um als Hochsicherheitstrakte Ausbrüchen vorzubeugen. Statt dessen dienten sie der vollständigen Entrechtung widerständiger Inhaftierter. In diesem »Gefängnis im Gefängnis« wurde ihnen unter anderem das Recht auf Hafturlaub und auf Arbeit zur Verringerung der abzusitzenden Strafe entzogen. Darüber hinaus galten starke Einschränkungen bei Besuchs- und Kommunikationsrechten. Weiterhin sieht das Gesetz eine ganze Reihe Maßnahmen zur Haftverschonung von Minderjährigen, Behinderten und Über-75jährigen vor. Auch bisher in Untersuchungshaft genommene verdächtigte Angehörige von nach dem Antiterrorstrafrecht Verurteilten sollen künftig nicht in der Zelle, sondern unter Hausarrest auf ihren Prozess warten.
Des weiteren wird mit dem Gesetz die 2009 eingeführte Strafverschärfung im Falle einer Vermummung aufgehoben, diese gilt nun nur noch bei Raubüberfällen. Bisher wurde zum Beispiel ein unter Vermummung begangener Straftatbestand automatisch als Verbrechen eingestuft. Für diese Änderungen hatten sich nicht nur die Hungerstreikenden, sondern auch die griechische Linkspartei bereits zu Oppositionszeiten eingesetzt.
Nicht erfüllt wurde dagegen die Forderung der politischen Gefangenen, die beiden Gesetze zu kriminellen und terroristischen Vereinigungen abzuschaffen. Unter den Paragraphen 187 und 187 a werden in Griechenland vorzugsweise mutmaßliche Mitglieder militanter Gruppen oder bewaffnet kämpfender Organisationen angeklagt. Die Anklage im derzeit laufenden Prozess gegen 69 Mitglieder der neofaschistische Organisation »Chrysi Avgi« (Goldene Morgendämmerung) stützt sich allerdings ebenfalls auf den Paragraphen 187. Zu Oppositionszeiten hatte Syriza zumindest noch die Abschaffung zumindest des Paragraphen 187 a zu terroristischen Vereinigungen gefordert.
Die Kommunistische Partei Griechenlands, KKE, stimmte den Artikeln über die Abschaffung der Typ-C-Gefängnisse, des Vermummungsgesetzes und der Haftverschonung für mindestens zehn Jahre einsitzende Gefangenen über 75 zu. Die anderen Parteien stimmten gegen alle oder die meisten Artikel und enthielten sich beim Rest der Stimme.
Eine der verabschiedeten Regelungen hat der Regierung bereits einen ernsten Konflikt mit den USA beschert. Artikel 6 des neuen Gesetzes sieht die Haftverschonung auch von zu lebenslanger Haft verurteilten Gefangenen vor, die zu mehr als 80 Prozent schwerbehindert sind und mindestens zehn Jahre ihrer Strafe abgesessen haben. Sie sollen ihre Strafe im Hausarrest und mit einer elektronischen Fußfessel weiter verbüßen.
Unter diese Regelung fällt der seit 2002 inhaftierte Savvas Xiros. Der fast blinde und im Knast an Multipler Sklerose erkrankte ehemalige Stadtguerillero der Organisation 17N ist zu 98 Prozent schwerbehindert. Seine mögliche Verlegung in den elektronisch überwachten Hausarrest wurde von den USA jedoch umgehend als als »zutiefst unfreundlichen Akt« bezeichnet. Verurteilte Terroristen müssten ihre Strafe vollständig im Gefängnis absitzen, erklärte US-Botschafter David Pearce noch vor der Abstimmung und drohte bei Verabschiedung der Reform mit Konsequenzen. Unmittelbar danach setzten die Vereinigten Staaten den ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilten Bruder von Savvas, Christodoulos Xiros, sowie den als Mitglied der Organisation »Revolutionärer Kampf« Verurteilten Nikos Maziotis auf ihre Terroristenliste. Dagegen nützten auch die Beteuerungen des griechischen Außenministers Nikos Kotzias gegenüber seinem US-Kollegen John Kerry nicht, Savvas Xiros würde keineswegs in die Freiheit entlassen, sondern in den überwachten und eingeschränkten Hausarrest verlegt.