Auftakt des § 129b-Prozesses gegen Mehmet D. vor dem OLG Hamburg

Am 20. Mai wird das Hauptverfahren gegen den kurdischen Exilpolitiker Mehmet D. vor dem 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts (OLG) eröffnet; vorgesehen sind Verhandlungstage bis Ende Juni.
Der Prozess vor dem OLG beginnt um 9.oo Uhr in Saal 237, Sievekingplatz 3, Hamburg
Die Anklage beschuldigt Mehmet D. der Mitgliedschaft in einer „terroristischen Vereinigung im Ausland” (§ 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 StGB). Er soll sich in der Zeit von Januar 2013 bis Mitte Juli 2014 in verschiedenen Regionen der BRD – u.a. im Sektor Nord – als mutmaßlicher Funktionär der PKK betätigt haben. Aussagen des Generalbundesanwalts zufolge sei Mehmet D. unter dem Decknamen „Kahraman” in den verschiedenen Gebieten für die Koordinierung der politischen Arbeit verantwortlich gewesen sowie für die Beschaffung von Spenden und Beiträgen für die PKK. Außerdem habe er sichergestellt, dass hinreichend Anhänger an Veranstaltungen und Schulungen teilnehmen und nicht zuletzt seien die ihm übergeordneten Kader der Europaebene über seine Arbeitsergebnisse unterrichtet worden.
Mehmet D. wurde am 29. August 2014 festgenommen und befindet sich in Untersuchungshaft.
Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Oktober 2010, den im Jahre 2002 eingeführten § 129b StGB auch gegen die PKK anzuwenden, wurden bereits fünf kurdische Aktivisten zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Weil der BGH deren Revisionen im vergangenen Jahr verworfen hat, sind diese Urteile rechtskräftig geworden.
Im März dieses Jahres endete ein weiteres Verfahren vor dem OLG Düsseldorf. Abdullah S. wurde zu einer Haftstrafe von 6 Jahren verurteilt; gegen dieses Urteil ist Revision eingelegt worden.
In Straf- bzw. Untersuchungshaft befinden sich derzeit fünf Aktivisten.
Im Verfahren gegen Mehmet D. wird die Verteidigung wie in den vorhergehenden Prozessen die historischen und völkerrechtlichen Aspekte des kurdischen Befreiungskampfes thematisieren, ebenso die Ende 2012 eingeleiteten Sondierungsgespräche zwischen Abdullah Öcalan und Vertretern der türkischen Regierung, die dramatischen Entwicklungen im Mittleren Osten und die Rolle der PKK-Guerilla im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS bzw. IS im Nordirak und in Nordsyrien (Rojava/Kobanê).
In diesem Zusammenhang wird auch die Frage der Ermächtigungen zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen nach § 129b zur Sprache kommen. In juristischen Kreisen wird diese Regelung als rechtsstaatlich äußerst problematisch bewertet, u.a. weil es alleine der Exekutive in Gestalt des Bundesjustizministeriums überlassen bleibt festzulegen, ob eine Vereinigung im Ausland als terroristisch oder als legitime Freiheitsbewegung zu gelten hat. Deshalb werden diese Verfolgungsermächtigungen hauptsächlich aus außenpolitischen Opportunitätserwägungen erteilt, die im übrigen nicht begründet werden müssen und gegen die eine Klage nicht möglich ist.
AZADÎ ist der Auffassung, dass solche politischen Verfahren gegen kurdische Aktivisten vor dem Hintergrund der gravierenden Veränderungen insbesondere im Mittleren Osten und der Tatsache, dass die kurdische Bewegung schon seit Jahren eine auf friedliche Konfliktlösung orientierte Politik betreibt, nicht mehr stattfinden dürfen.
Deshalb muss das PKK-Betätigungsverbot aufgehoben, alle Gefangenen freigelassen und laufende §129b-Verfahren eingestellt werden.
AZADÎ e.V.
Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden