Folter und Rechtsverletzungen nach Putschversuch in türkischen Gefängnissen und Stadtteilen

Gefängnisbeobachtungskommission der CHD (Vereinigung Progressiver JuristInnen) veröffentlichte einen Bericht, in dem die Maßnahmen in den Gefängnissen nach dem Putschversuch vom 15. Juli erörtert werden. Demzufolge wurden den Gefangenen nach Ausrufen des Ausnahmezustands fast alle Rechte entzogen. Die Kommission spricht von “Folter in allen Gefängnissen”.

Details zu den Rechtsverletzungen in den Gefängnissen gaben die Anwälte Günay Dag, Güclü Sevimli und Bülent Simsek bei einer Pressekonferenz im Vereinsgebäude des JuristInnenverbandes wieder.

Ra. Günay Dag teilte mit, dass dieser Bericht infolge von Gefängnisbesuchen in der Region Marmaris fertig gestellt wurde. In der Periode des Ausnahmezustands hätten ihren Beobachtungen zufolge Repression und Gewalt in den Gefängnissen massiv zugenommen. Die größte Rechtsverletzung sei demnach im Zusammenhang mit dem Recht auf Verteidigung zu sehen.

Dag berichtete, dass Gespräche zwischen den Gefangenen und ihren AnwältInnen aufgezeichnet werden, bzw. dass ein Beamter bei den Gesprächen anwesend sei. Behauptungen bezüglich Folter und Misshandlungen seien in allen Gefängnissen ernsthaft angestiegen. Dag sagte “Die Gefängnisse wurden in Folterzentren verwandelt” und fügte hinzu, dass die Gefängnisse nahezu Konzentrationslagern gleichen.

Dag merkte auch an, dass ein Bericht von Amnesty International, indem von Folter an Festgenommenen aufgrund des Putschversuchs die Rede ist, vom Justizminister dementiert wurde. “Auch unsere Beobachtungen gehen dahin, dass in den Gefängnissen massive Folter gegenüber diesen Personen angewandt wird. Die Worte des Justizministers reflektieren nicht die Tatsachen”.

Auch Rechtsanwalt Güclü Sevimli brachte zum Ausdruck, dass mit dem Ausnahmezustand Rechtsverletzungen und Folter in kritischem Ausmaß zugenommen haben.

Sevimli betonte, dass die für die FETÖ angedrohten Verbote gegen alle Gefangenen eingesetzt werde. Die politischen Machthaber nützen den Putschversuch dazu, um ihre gewünschten Maßnahmen in den Gefängnissen umzusetzen, sagte Sevimli.

Er zählte folgende Fakten auf:

* Gefangene im Bakırköy Gefängnis, die gegen ein Besuchsverbot protestierten wurden in das Silivri Gefängnis verlegt.

* 32 wegen DHKP-C Mitgliedschaft inhaftierte Frauen, die von Bakirköy nach Silivri zwangsverlegte wurden, sahen sich Folter und Belästigungen ausgesetzt. Ihre AnwältInnen wurden während des Besuchs ihrer Mandantinnen angegriffen.

* In den F-Typ Gefängnissen Nr. 1 und 2 in Tekirdag dringen die Wärter in die Zellen ein und prügeln auf die Gefangenen ein.

* Am 2. August wurden vom Sincan Gefängnis zahlreiche Zwangsverlegungen ins Tekirdag Gefängnis vorgenommen.

* Aufgrund der Versetzung des zweiten Direktors Haydar Ali Ak ins Edirne F-Typ Gefängnis hat die Folter in dem Gefängnis zugenommen.

* Die Situation der kranken Gefangenen sind nach wie vor ein massives Problem. Mahmut Boz wird etwa im Edirne F-Typ Gefängnis die Behandlung verweigert.

* Das Recht der Gefangenen auf Besuch, Unterhaltung und Kommunikation wurde eingeschränkt.

* Den Gefangenen werden Nacktdurchsuchungen aufgezwungen. Jene, die sich wehren, sind Folter ausgesetzt.

* Zeitungen wie Özgür Gündem, Evrensel, Birgün und Cumhuriyet werden den Gefangenen nicht ausgehändigt.

Zuletzt sprach Ra. Bülent Simsek und stellte ebenfalls fest, dass die politischen Machthaber den Ausnahmezustand dafür benutzen, um längst geplante Rechtsverletzungen in den Gefängnissen mittels gesetzlicher Beschlüsse umzusetzen.

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Im Izmir Sakran Frauengefängnis werden 9 DHKP-C Gefangene in verbrannten Zellen gefangengehalten. Sie wurden jeglicher Rechte beraubt. Der Widerstand der revolutionären Gefangenen dauert in vielen Städten an…und sind von Folter und Angriffen überschattet….. Solidarität mit den Gefangenen in der Türkei – gegen den Faschismus vor und nach dem Putschversuch!!

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Dilek Kaya und Rojda Yalinkilic, die aus Protest gegen den Ausnahmezustand ihre Zellen im Sincan Frauengefängnis in Brand steckten wurden nach Gebze verlegt….

Nachdem in der Türkei ein Gerichtsbeschluss zur Schließung der kurdischen Oppositionszeitung Özgür Gündem ergangen war, zögerte der Polizeiapparat der AKP nicht lange, um am Dienstag, 16.08.2016, das Büro der Zeitung in Istanbul zu stürmen.

Anstatt angebliche Beweise zu suchen, wurde ein Großteil des Inventars verwüstet, Computer und sämtliche Gegenstände beschlagnahmt.

Auch der oppositionelle TV Sender IMC Tv, der die Razzia filmen wollte, wurde an der Medienarbeit gehindert und beschimpft.

24 JournalistInnen wurden mit Handschellen am Rücken unter Einsatz von Gewalt festgenommen, schreibt das Idil Kulturzentrum, die offizielle Kultureinrichtung der Band Grup Yorum, die sich in einer Stellungnahme mit der Özgür Gündem und den Festgenommenen solidarisierte.

Die Festgenommenen wurden in verschiedene Polizeizentren gebracht. Die Polizei will sie bis Freitag im Gewahrsam behalten.

Folgende Personen werden in den Polizeizentren von Karaköy, Kasımpaşa und Taksim festgehalten:

Karaköy Polizeiwache:

Doğan Güzel, Ersin Çaksu, Kemal Bozkurt, Zeki Erdem, Sinan Balık, Yılmaz Bozkurt, Davut Uçar, Mesut Kaynar, Fırat Yeşilçinar und Hüseyin Gündüz

Taksim Polizeiwache:

Elif Aydoğmuş, Gülfem Karataş, Sevdiye Ergürbüz, Reyhan Hacıoğlu, Amine Demirkıran, Güney Aksoy und Burcu Özkara,

Kasımpaşa Polizeiwache:

Önder Elaldı, Ender Öndeş, Sinan Balık, İnan Kızılkaya, Bilir Kaya, Bayram Balcı, sowie der Kameramann des TV-Senders IMC Gökhan Çetin.

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Angriff in Sarigazi – Folterspuren und zahlreiche Festnahmen

Mit gepanzerten Wägen haben Spezialeinheiten der Polizei und Gendarmerie in Istanbul Sarigazi angegriffen und bei einer Razzia 8 Personen festgenommen.

Mit einer Stellungnahme protestierte gestern (17.08.2016) die Volksfront im Viertel Esenyurt gegen den Angriff auf Revolutionäre in Sarigazi:

“Der Ausnahmezustand (türk. Bezeichnung: OHAL), der als angebliche Maßnahme gegen die FETÖ (Fetullah Gülenbewegung) ausgerufen wurde, hat sich ohne Verzögerung gegen die Revolutionäre gerichtet. Erst gestern (16. August 2016) versuchten sie die Özgür Gündem durch eine Razzia zum Schweigen zu bringen, heute attackierten sie ein Haus im Inönü Wohnviertel in Sarigazi und nahmen 9 Revolutionäre fest. In dem von der Polizei gestürmten Haus wurden Aufnahmen gemacht, auf denen Blutspuren am Boden zu erkennen sind. Diese Aufnahmen und Zeugenaussagen machen deutlich, dass bei der Festnahme der Revolutionäre Folter angewandt wurde. Die AKP übt verstärkt ihren Faschismus gegenüber der Bevölkerung und den Revolutionären aus. Am 17.August wurde gegen 12:00 Uhr ein Haus in Sarigazi angegriffen. Die Polizei brach alle Türen auseinander. 9 Festnahmen wurden bestätigt, ZeugInnen sprechen von 15 unter Folter Festgenommenen….”

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Aus dem revolutionären Istanbuler Wohnviertel Cayan im Stadtteil Okmeydani wurde gemeldet, dass vor einem geplanten “Gerechtigkeitsmarsch” am 14. August die Polizei Gasbomben auf die Protestmenge abwarf. 4 Personen wurden demzufolge auf brutale Weise festgenommen, 2 von ihnen ohne Beweislage und ersichtlichen Grund verhaftet.

Die AKP bedient sich seit dem Putschversuch am 15. Juli eines Ausnahmegesetzes, das alle 3 Monate verlängert werden kann und sämtliche Grundrechte, wie auch das Versammlungsrecht aufhebt.

Dagegen gibt es vielerorts verstärkten Protest, um sich dieser Maßnahme zu verweigern. Die Namen der beiden verhafteten Mitglieder der Volksfront (Halk Cephesi) lauten Kamil Sarikaya und Yasin Celep.

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