Wegen Teilnahme an G-20-Protesten: Der 18jährige Italiener Fabio V. darf das Gefängnis nicht verlassen

Von Kristian Stemmler junge Welt 20.11.17

Seine Mutter stand am Freitag schon vor dem Jugendgefängnis auf der
Elbinsel Hahnöfersand, um ihren Sohn abzuholen. Doch Jamila B. musste
wieder umkehren. Obwohl das Amtsgericht Hamburg-Altona den Haftbefehl
gegen den italienischen G-20-Gegner Fabio V. am Donnerstag aufgehoben
hat, bleibt er in Untersuchungshaft – weil die Staatsanwaltschaft keinen
Millimeter nachgibt. Der Justizskandal um den jungen Italiener, der
während des G-20-Gipfels bei einem Polizeieinsatz im Industriegebiet
Rondenbarg am 7. Juli festgenommen worden war und seitdem in Haft sitzt,
weitet sich damit aus.

Die Amtsrichterin hatte den Haftbefehl gegen Zahlung einer Kaution von
10.000 Euro aufgehoben, da nur noch mit einer Verurteilung zu einer
Jugendstrafe auf Bewährung zu rechnen sei. Vier Polizisten hatten den
Angeklagten zuvor im Prozess nicht wiedererkannt. Doch das focht die
Staatsanwaltschaft nicht an. Sie legte beim Landgericht Beschwerde gegen
den Beschluss ein. Als die am Freitag abgewiesen wurde, zog die
Staatsanwaltschaft vors Hanseatische Oberlandesgericht (OLG). Bis das
entscheidet, bleibt Fabio in Haft.

Das sorgte für wütende Reaktionen. Am Samstag abend bewarfen 15 bis 20
Vermummte, wie der NDR am Sonntag berichtet, das Gebäude der
Generalstaatsanwaltschaft in der Innenstadt mit Steinen, Farbbeuteln und
mit Farbe gefüllten Flaschen, zündeten auf der Straße vor dem Gebäude
Autoreifen an. Diverse Scheiben gingen zu Bruch, die Feuerwehr löschte
die Reifen. Die Polizei fahndete mit einem Großaufgebot, ohne Erfolg.

 

Auch in »sozialen Netzwerken« wie dem Kurznachrichtendienst Twitter, bei
dem seit Wochen unter dem Hashtag #FreeFabio die Freilassung des
Italieners gefordert wird, war die Empörung groß. In den Fokus wurde am
Wochenende Berit von Laffert gerückt, die Staatsanwältin, die im Fall
Fabio die Anklage vertritt. […]

Bereits am Mittwoch hatte das Team der ZDF-Satiresendung »Heute-Show«
den Fall aufgegriffen, als Quizfrage aufgemacht: »Dieser 18jährige sitzt
seit vier Monaten in Haft. Die Anklage beruht allein auf seiner
Teilnahme an einer Demo – er selbst soll keine Gewalt ausgeübt haben. In
welcher Stadt ist Fabio V. angeklagt? A) Ankara B) Hamburg«.

Tatsächlich zweifeln immer mehr Fachleute an der Rechtsstaatlichkeit im
Fall Fabio V.: Amnesty International Italien appellierte bereits Anfang
Oktober an die deutschen Behörden, den Gipfelgegner freizulassen. Der
Prozess wird mittlerweile nicht nur vom italienischen Konsulat in
Hamburg, sondern auch vom Grundrechtekomitee und der »European
Association of Lawyers for Democracy & World Human Rights« (ELDH,
Europäische Vereinigung von Juristen für Demokratie und Menschenrechte)
beobachtet.

In einer Pressemitteilung vom Mittwoch erklärte das Grundrechtekomitee,
gegen Fabio V. lägen keine Beweise vor, die U-Haft sei »zu keinem
Zeitpunkt« gerechtfertigt gewesen. Die Justiz setze den Kurs fort,
G-20-Gegner zu »diffamieren«, Fabios Verfahren sei nur »eines der
klarsten und schockierendsten Beispiel«. Die Entscheidung über den
Haftbefehl liegt nun beim OLG, also dem Gericht, das diesen im Juli mit
der Begründung bestätigt hatte, wegen seiner »schädlichen Neigungen« sei
eine Verurteilung Fabios zu einer Haftstrafe ohne Bewährung zu erwarten.