Category Archives: Knastkämpfe

Veranstaltung: Kämpfende Gefangene in Kolumbien – 22.1. Zürich

Freiheit für alle politischen Gefangenen in Kolumbien!
Solidarität mit den sozialen und revolutionären Kämpfen in Kolumbien!

Tausende von Kämpfer/innen sitzen in Kolumbien im Gefängnis. Es sind Bäuerinnen und Bauern, die ihr Land verteidigen, Mitglieder von bewaffneten, linken Organisationen, die gegen die Angriffe der kolumbianischen Armee kämpfen, sowie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, die sich gegen die Ausbeutung durch Nestle, Coca Cola und Chiquita Banana verteidigen. Die Bedingungen in den überfüllten Gefängnissen bedeuten für viele Aktivistinnen und Aktivisten eine direkte Bedrohung für ihr Leben. 71 Gefangene sind aktuell durch mangelnde medizinische Hilfe vom Tod bedroht.

Drei Namen sollen hier genannt werden, um auf die alarmierende Situation dieser 71 Gefangenen hinzuweisen. Aris Alberto Carillo Pinto. Er wurde am 11. August 2013 im Kampf an den Beinen verwundet und gefangenen genommen. Trotz Operationen verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Mittlerweile kündigten die Ärzte an, dass eines seiner Beine amputiert werden müsse. Nancy Isabel Salcedo Navarro. Sie wurde am 24. Dezember 2007, als gesunde Frau verhaftet und wegen Anstiftung zur Rebellion verurteilt. Mittlerweile leidet sie an Depressionen und Schizophrenie. Mehrmals wurde sie in Kliniken eingewiesen. Trotz ihres schlechten Gesundheitszustandes weigert sich die kolumbianische Regierung sie  freizulassen. Jhon Fredy Gomez. Er wurde 2011 nach schweren Angriffen und Bombardierungen der kolumbianischen Armee verhaftet. Während fünf Monaten war er bewusstlos. In dieser Zeit wurde er zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er leidet unter Anfällen und Erinnerungslücken.

Kolumbien ist das dritte Land dieser Welt an Biodiversität und das fünfte Land in der Produktion und Verarbeitung von Wasser. Über 100 Flüsse durchqueren die Fläche. Die Gebirgskette Paramo Santurban ist reich an Gold. Konzerne, wie Glencore, verbrauchen aber nahezu alles Wasser der grossen Flüsse.

In Davos reden die Damen und Herren auch dieses Jahr wieder von Frieden und Fortschritt. In Wirklichkeit bedeutet es Krieg und Elend. Nur unser gemeinsamer Widerstand kann eine Änderung bringen.

Veranstaltung Freiheit für alle politischen Gefangene in Kolumbien

Freitag 22. Januar 2016 19Uhr Rosengartenstrasse 1 Zürich

Grussbotschaft der Gefangenen-Gewerkschaft zu den Sylvester-Demos

Gefangene, ob in Beschäftigungsverhältnisse oder nicht, bewegen sich. Die seit dem Mai 2014 bestehende Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), die in etwa 70 Haftanstalten mit vielen Hundert Mitgliedern und noch mehr Sympathisierenden präsent ist, ist ein Ausdruck hiervon. Aktuell vermutlich der bedeutendste hierzulande.

Wir nehmen als GG/BO die u.a. in Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und Freiburg stattfindenden Sylvester-Demonstrationen vor den Haftanlagen dieser Republik zum Anlass, um uns direkt hier und heute an Euch hinter Gittern zu wenden: Ihr habt Euch mit der GG/BO ein eigenes Sprachrohr geschaffen. Und die mediale Resonanz ist Euch seit mehr als anderthalb Jahren gewiss. Ihr seit schon längst keine “Häftlinge” oder “Insassen” mehr – nein, ihr seid inhaftierte Gewerkschafter_innen und engagierte Gefangene, die im solidarischen Verbund mit Kolleg_innen vor den Anstaltstoren um sozial- und arbeitsrechtliche Mindeststandards ringen. Mindestlohn, komplette Sozialversicherung und die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern sind zu einem Thema geworden – durch Euch!

Trotz der nicht unwesentlichen Teil-Erfolge stehen wir als GG/BO vor großen Hürden: unser rasanter Mitgliederzuwachs stellt uns vor enorme strukturelle Probleme. Wir haben mitunter große Mühe, um´s salopp zu sagen, den Laden zusammenzuhalten. Zu viel bleibt unterwegs liegen und kann mangels Zeit und Kraft nicht so absolviert werden wie es eigentlich erforderlich wäre. Wir sind zu häufig nicht nur am Rande unserer Kapazitäten, sondern zu oft weit darüber hinaus.
Aber wir wollen nicht lamentieren. Dafür besteht unter´m Strich auch keine Veranlassung, denn der GG/BO-Aufbauprozess zeigt nicht nur das Potential drinnen und draußen, sondern schafft die sprichwörtliche Bewegung, die wir alle als Basisgewerkschafter_innen und Aktivst_innen in sozialen Kämpfen suchen.

Unser Ziel muss es sein, die GG/BO innerhalb, aber auch außerhalb der Knäste, personell und organisatorisch zu stärken. Ansätze liegen reichlich vor. Zu Beginn des neuen Jahres wird es darauf ankommen, den Strukturaufbau voranzutreiben und die GG/BO zu festigen. Und vor allem zu dezentralisieren und zu regionalisieren. Ganz oben auf unserer Agenda steht, weitere Spiel- und Gestaltungsräume zu öffnen, damit sich inhaftierte Kolleg_innen bewegen können.
Zudem wollen wir unsere Kontakte zu den Basisgewerkschaften FAU und IWW, aber auch zu Sektoren in den Einzelgewerkschaften des DGB erweitern und vertiefen.

Wir wissen, wir liegen richtig: wir haben nicht nur die richtigen Themenstränge aufgemacht, sondern es gelingt zum Teil bereits, die soziale Frage hinter Gittern in ihrer ganzen Dimension – wie jüngst durch den Butzbacher Gefangenenprotest – konkret und praktisch aufzuwerfen. Und genau an diesen Punkten wollen wir direkt anknüpfen – mit EUCH!

Gewerkschaftliche Solidarität ist unteilbar – drinnen und draußen!
Kein Knast ohne GG/BO!
Volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern!

Quelle: http://aufbau.org/index.php/rote-hilfe-international-2/2139-grussbotschaft-der-gefangenen-gewerkschaft-zu-den-sylvester-demos

Bern: Tutti Liberi – für eine Welt ohne Knäste

In der Silvesternacht haben wir in Bern einen solidarischen Gruss an die Gefangenen im Regionalgefängnis geschickt. Der Gruss richtet sich aber nicht nur an die dort gefangenen Menschen, sondern an alle, welche weltweit unter staatlicher Repression leiden. Dazu zündeten wir Feuerwerk und hinterliessen an der Fassade des Amtshaus Farbflecken.
Feuer und Flamme allen Knästen
Die meisten Menschen kommen wegen Eigentumsdelikten oder weil sie sich nicht den herrschenden Normen unterwerfen wollen in den Knast. Die Herrschaft will mit dem Freiheitsentuzg Einzelner ein Zeichen der Einschüchterung an die ganze Gesellschaft senden. Doch solange das Eigentum ungleich verteilt ist und Autoritäten herrschen, wird es immer Menschen geben, die dagegen aktiv werden. Wir wollen diese Herrschaft und die Knäste nicht, sondern eine herrschaftsfreie Welt. Dass wir heute an den grauen Gittern, des Amtshaues gerüttelt haben, war das Mindeste, um unsere offene Feindschaft mit diesem System zu zeigen.

Ein neues Jahr bricht an und alle Welt feiert. Doch, gibt es wirklich einen Grund zum Feiern? Auch im kommenden Jahr werden Kriege aufgrund konstruierter Grenzen gefochten, Menschen werden neben privatiesierten Trinkwasserquellen verdursten, andere auf der Flucht im Meer ertrinken. Und auch im neuen Jahr werden Millionen von Menschen weggesperrt, weil sie sich nicht so verhalten, wie der Staatsapparat dies verlangt. Deshalb heben wir unsere Gläser nicht zum Feiern, sondern füllen sie mit Farbe und werfen sie überall dorthin, wo sich Machtstrukturen manifestieren. Darauf, dass wir irgendwann genug sein werden, um die Knäste, die Regierungsgebäude, die Banken und noch viel mehr einzureissen und ein für alle mal dem Erdboden gleichmachen können.

Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2015/12/96458.shtml

Freiheit für Mehmet Yesilçalı!

Auch die zweite Instanz (Obergericht) hat der Auslieferung von Mehmet an Deutschland grünes Licht erteilt. Wie erwartet schliesst sich das Obergericht dem politischen Urteil der ersten Instanz an. Dies heisst für Mehmet und seine Anwälte bis vor Bundesgericht ziehen zu müssen, um dort auf ein juristisch und nicht politisch motiviertes Urteil zu hoffen. Für uns bleibt klar, dass wir weiterhin Mehmet unterstützen und gegen eine Auslieferung an Deutschland Widerstand leisten.

Freiheit für alle politischen Gefangenen! Weg mit 129a&b!

Update 02.12.2015; Auch die zweite Instanz (Obergericht) hat der Auslieferung von Mehmet an Deutschland grünes Licht erteilt. Wie erwartet schliesst sich das Obergericht dem politischen Urteil der ersten Instanz an. Dies heisst für Mehmet und seine Anwälte bis vor Bundesgericht ziehen zu müssen, um dort auf ein juristisch und nicht politisch motiviertes Urteil zu hoffen. Für uns bleibt klar, dass wir weiterhin Mehmet unterstützen und gegen eine Auslieferung an Deutschland Widerstand leisten. Desshalb kommt alle an die Aktion vor der Deutschen Botschaft am kommenden Donnerstag (Aktionstag für verhaftete ATIK Mitglieder_innen) 10.12.15 in Bern!

10.12.15 | 15 Uhr | Haltestelle Brunnadernstr. | Bern |DEMO: auf zur Deutschen Botschaft!

Nach wie vor sitzt Mehmet in Fribourg im Gefängnis – Podiumsdiskussion zu den Gefangenen und dem 129a/b Paragraphen in Basel: 27.09. um 14 an der Mülheimerstrasse 94

Deutschland: HS Beendet

Hunger- und Bummelstreik seitens der Inhaftierten in der JVA Butzbach wird zum 11.12. 2015 beendet – die Auseinandersetzung um die soziale Frage hinter Gittern setzt sich indes fort!
Berlin, 10. Dezember 2015

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der am 1. Dezember 2015 begonnene Hunger- und Bummelstreik von Inhaftierten in der hessischen JVA Butzbach wird in wenigen Stunden beendet. Auf einer außerordentlichen Sitzung der Interessenvertretung der Gefangenen (IVdG) und der Butzbacher Sektion der Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) mit Angehörigen der Linksfraktion im hessischen Landtag haben die engagierten Gefangenen beschlossen, ihren Protest in der Form eines Hunger- und Bummelstreiks mit Beginn des morgigen Tages zum Abschluss zu bringen. Nachdem die hessische Justizministerin Frau Kühne-Hörmann sich dem Dialog mit den Gefangenen verweigert hatte, hatten mehrere Inhaftierte diese Form des Protestes gewählt, um sich und ihren Anliegen endlich Gehör zu verschaffen. Dies ist durch das hohe Maß der öffentlichen Aufmerksamkeit für den Fall sowie durch den fulminanten Solidarisierungsgrad erreicht worden. Fast vier Wochen hindurch hat die medial weitergetragene Debatte über die Situation des Sozial- und Lohndumpings hinter Gittern angehalten. Mindestlohn, Sozialversicherung und Gewerkschaftsfreiheit für inhaftierte Menschen sind dadurch für eine viel breitere Öffentlichkeit zu einem Thema geworden, als es vorher der Fall war. Nicht zuletzt durch das Engagement des “Netzwerks für die Rechte inhaftierter Arbeiter_innen” konnten die Butzbacher Gefangenen wichtige neue Bündnispartner_innen für ihre legitimen Interessen gewinnen. Eine Unterstützungserklärung des Netzwerks wurde von über 150 großteils namhaften Wissenschaftler_innen, Menschenrechtsaktivist_innen und Gewerkschafter_innen und Menschen aus unterschiedlichen sozialen Bewegungen unterzeichnet. Die Gefangenen bedanken sich in diesem Zusammenhang ausdrücklich für die Vielzahl solidarischer Bekundungen, die sie erhalten haben. Nach dem Ende des Hunger- und Bummelstreiks wird die Auseinandersetzung um die Erfüllung der sozial- und vollzugspolitischen Zielsetzungen der inhaftierten Gewerkschafter und engagierten Inhaftierten auf anderen Ebenen weitergeführt werden. Die GG/BO wird daran arbeiten, ihre Mitgliederbasis in der JVA Butzbach, die sich während es
Gefangenenprotests deutlich erhöht hat, weiter zu stärken. Sie wird sich außerdem dafür einsetzen, dass verschiedene Punkte auf parlamentarischer Ebene untersucht werden. Die Inhaftierten setzen
außerdem darauf, dass sich die Solidaritätsstrukturen, die sich vor den Anstaltstoren gebildet haben, weiter festigen. Ziel ist, dass der begonnene Austausch um die Verwirklichung der Koalitionsfreiheit für Gefangene fortgesetzt und intensiviert wird. „Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die soziale Frage hinter Gittern und die breit getragene Kampagne, die sich um den Gefangenenprotest in der JVA Butzbach entfaltet hat, sind aus der Sicht der GG/BO ein deutliches Signal, dass eine praktische Solidarität zwischen inhaftierten und nicht inhaftierten Kolleg_innen möglich ist“, so der GG/BO-Sprecher, Oliver Rast.

Politische Gefangene in der Türkei

Am 27. November wurde in der Türkei eine politische Gefangene der Maoistischen Kommunistischen Partei (MKP) aus „Sicherheitsgründen“ vom Typ-E Frauengefängnis in Elazığ in ein Typ-F Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Aus demselben Knast wurde am 11. November berichtet, dass Gefangene der Volksfront (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front – Devrimci Halk Kurtuluş Partisi-Cephesi (DHKP-C)) und der MKP von Soldaten und Gefängniswärterinnen angegriffen, beleidigt und sexuell misshandelt wurden, nachdem sie sich weigerten, Leibesvisitationen zuzulassen, zu denen die Gefangenen sich nackt ausziehen sollten. In der Folge wurde den Gefangenen sowohl verweigert die Krankenstation aufzusuchen als auch die Ereignisse zu dokumentieren.

Am 10. November wurde ein weiterer Angehöriger der MKP aus „Sicherheitsgründen“ in ein anderes Typ-F Hochsicherheitsgefängnis verlegt, zuvor wurden ihm Kommunikation und Besuche verwehrt.

Neben diesen Berichten über den Umgang der Reaktion mit den inhaftieren politischen Gefangenen, zeigt sich in der letzten Woche auch auch, was für Gründe bereits ausreichen, um in den Knast zu wandern. Nachdem Putin im Zusammenhang mit dem am 24. November abgeschossenen Flugzeug in der Nähe der türkischen Grenze erklärte, das Flugzeug wurde abgeschossen, um die Aufdeckung von Öllieferungen des Islamischen Staat (IS) an die Türkei zu verhindern, wurden am 26. November zwei Journalisten mit dem Vorwurf der Spionage festgenommen. Sie veröffentlichten 2014 Material, das Munitionslieferungen des türkischen Geheimdienstes MİT (Millî İstihbarat Teşkilatı – Nationaler Nachrichtendienst) an syrische Milizen, mutmaßlich Angehörige des IS dokumentiert. Ebenso mit dem Vorwurf der Spionage wurden zwei Generäle und ein Oberst der Militärpolizei verhaftet, die im Januar 2014 einen Munitionstransport auf dem Weg nach Syrien stoppen liessen.
Geschrieben von phle

http://political-prisoners.net/item/3943-politische-gefangene-in-der-tuerkei.html

Deutschland: »Gefängnisse sind extralegale Billiglohninseln«

Hessen: Inhaftierte fordern Mindestlohn und Gewerkschaftsfreiheit. Sie sind in Streik getreten. Ein Gespräch mit Oliver Rast

Interview: John Lütten

Am Montag lief ein Ultimatum aus, dass Inhaftierte der JVA Butzbach dem Justizministerium gestellt hatten. Sie fordern u. a. den Mindestlohn für Arbeit in der hauseigenen Werkstätte, eine Rentenversicherung und das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung. Seit Dienstag befinden sich Gefangene im Hunger- und im Bummelstreik. Wie kam es dazu?

Etwa 50 Inhaftierte der JVA sind Mitglieder der »Gefangenen-Gewerkschaft«, und es kam dort schon häufiger zur Einschränkung ihrer Arbeit durch die Anstaltsleitung. Auslöser der jetzigen Situation war, dass Inhaftierte interne Dokumente einsehen konnten, in denen die Verkaufspreise der Waren – u. a. Trampolinmatten – standen. Den zum Teil vierstelligen Summen steht ein Tageslohn der Inhaftierten von nur knapp 11 Euro gegenüber. Sie haben daraufhin eine Petition aufgesetzt, die u.a. unsere Kernforderungen – Mindestlohn, Sozialversicherung und Gewerkschaftsfreiheit – enthält und die aktuell von 62 Gefangenen unterzeichnet wurde. Seit Ende September haben die Inhaftierten sowohl die JVA als auch das Ministerium zu einem Dialog aufgefordert. Da ihr Anliegen jedoch ignoriert wird, hatten sie Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, CDU, schlussendlich ein Ultimatum gestellt.

René Brosius, Sprecher des Justizministeriums, hält Ihnen entgegen, dass Gefangene keine regulären Beschäftigten seien und darum auch keine entsprechenden Ansprüche hätten.

Das ist ein administrativer Trick. Tatsächlich unterliegt die Arbeit der Gefangenen keinem privatrechtlichen Verhältnis, sondern einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, weshalb sie nicht als Arbeitnehmer definiert werden. Allerdings unterliegen ja auch Beamte einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis, woraus niemand ein Verbot der Koalitionsfreiheit ableiten würde. Gefangene verkaufen ihre Arbeitskraft gegen Entgelt, daher ist es auch Lohnarbeit. Inhaftierte produzieren keinen Ausschuss, sondern Mehrwert, und die Produktion hinter Gittern ist betriebswirtschaftlich organisiert. Diese und weitere Dinge zeigen: Gefangene sind abhängig Beschäftigte, darum muss auch ihnen die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit zustehen, die laut Gesetzestext für »jedermann« gilt.

Wenn es sich um eine gewerkschaftliche Auseinandersetzung handelt, warum drohen die Insassen mit einem Hungerstreik statt mit einer klassischen Arbeitsniederlegung?

Weil in Hessen eine Arbeitspflicht besteht. Würden die Gefangenen zu einem Ausstand aufrufen, wäre das eine Aufforderung zur Meuterei, die Disziplinarmaßnahmen zur Folge hätte. Wer in den Hungerstreik tritt, unterliegt allerdings aus medizinischen Gründen nicht der Arbeitspflicht. Er ist daher die einzige Möglichkeit, sich dem Zwang zu entziehen.

Sie kritisieren das »vollzugliche Arbeitswesen« generell als »Sonderwirtschaftszone«, in der keinerlei arbeitsrechtliche Regulierung besteht, obwohl für die Privatwirtschaft produziert wird …

Die »Gefängniswirtschaft« ist ein fester Bestandteil regionaler Produktionsnetze, sie fungiert als »verlängerte Werkbank«. Eine Befragung unserer Mitglieder hat gezeigt, dass Gefängnisse u. a. für Zulieferer der Automobilbranche oder für die Elektronikindustrie produzieren – auch die Sitzpolster im Berliner Abgeordnetenhaus sind von Inhaftierten der JVA Tegel hergestellt worden. Hier findet de facto staatlich geschütztes Sozial- und Lohndumping statt. Den arbeitenden Gefangenen erwartet nach der Haft aufgrund der fehlenden Rentenversicherung die Altersarmut.

Welche Unterstützung erfahren Sie von seiten der DGB-Gewerkschaften?

Wir stellen eine zunehmende Aufgeschlossenheit für unsere Arbeit fest. Vielen Hauptamtlichen wird deutlich, dass Gefängnisse eine extralegale Billiglohninsel sind, derer die DGB-Gewerkschaften sich annehmen müssen. Wir sehen zwar, dass gewisse Berührungsängste gegenüber inhaftierten Beschäftigten existieren. Man muss sich aber vergegenwärtigen, dass wir hier von mehreren zehntausend Menschen sprechen, die faktisch im Niedriglohnsektor arbeiten – ein nicht unerhebliches Mobilisierungspotential also. Die Auseinandersetzung um den Niedriglohnsektor sehen wir als eine von mehreren Schnittmengen zwischen unserer Arbeit und der der DGB-Gewerkschaften.

Solidarität mit dem Hungerstreik in der JVA Butzbach

Widerstand lässt sich nicht einsperren!GGBO

Auch hinter den Gittern der Knäste regt sich Widerstand. Bereits seit einigen Jahren, schliessen sich immer mehr Gefangene in Deutschland und mittlerweile auch in Österreich der Gefangenengewerkschaft GG/BO an und kämpfen gegen die schamlose Ausbeutung der Gefangenen als billige Arbeitskräfte. Bundesweit haben sich mehr als 850 Häftlinge in über 70 Justizvollzugsanstalten gewerkschaftlich organisiert.
In Knästen müssen die meisten Gefangenen einer Arbeit nachgehen. Mehr als 1,87 Euro pro Stunde können sie dabei nicht verdienen. Eine Altersvorsorge existiert nicht. Besonders perfide ist hierbei, dass Gefangenen nicht nur für interne Arbeiten als BilligarbeiterInnen missbraucht werden, sondern sogar private Unternehmen, günstig für den Markt produzieren können. Gefängnisse kommen somit modernen Sonderwirtschaftszonen gleich, welche es Unternehmen, beispielsweise aus der Automobilindustrie, ermöglichen, Profite auf dem Buckel der Eingesperrten zu erwirtschaften.
Auf Verhandlungen wollen die Behörden nicht eingehen. So erklärte ein Sprecher des Hessischen Justizministeriums der TAZ, den Gefangenen „fehle die Eigenschaft als Arbeitnehmer“.

Dieser menschenfeindlichen Politik stellen sich nun Gefangene der JVA Butzbach mit einem der wenigen, aber wohl stärksten Mittel, die im Knast möglich sind, entgegen. Heute, dem 1. Dezember, traten mehrere Häftlinge in den Hungerstreik. Der Arbeitskampf gegen die Ausbeutung und für einen Mindestlohn, sowie eine Altersvorsorge macht auch vor Zäunen und Stacheldraht keinen Halt.
So wie der Kampf für ein würdevolleres Leben und gegen Ausbeutung und Unterdrückung keinen Halt vor Knastmauern macht, kann auch unsere Solidarität die Mauern, Stacheldraht und Zäune überwinden.

Solidarität mit den Hungerstreikenden in der JVA Butzbach!
Solidarität mit den Arbeitskämpfen in- und ausserhalb der Knäste!
Revolutionäre Grüsse an die GG/BO!

Revolutionäre Jugend Gruppe (Bern)

Deutschland: Hungerstreik für Mindestlohn

In der hessischen JVA Butzbach kündigen Gefangene unbefristete Proteste ab 1. Dezember an
Deutsche Gefängnisse seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, kritisiert die Gewerkschaft GG/BO. In der JVA Butzbach könnte Protest in dieser Sache zum Hungerstreik werden.

Einst wurde die JVA Butzbach wegen ihrer Trainerausbildung für Häftlinge gelobt. Nun droht ein Hungerstreik.

In der hessischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach droht ab 1. Dezember ein unbefristeter Hungerstreik von Gefangenen. Die im Haftalltag für reguläre Lohnarbeit eingesetzten Gefangenen kritisieren ihre Arbeitsbedingungen und fordern »Minimalstandards« für Löhne und soziale Absicherung, bestätigte Oliver Rast, Sprecher der neuen Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO), auf »nd«-Anfrage.

»Mit unserem ›Hungerschrei‹ wollen wir ein Zeichen setzen«, so Jürgen Rößner, Sprecher der GG/BO-Sektion Butzbach. »Wir fordern Mindestlohn und Rentenversicherung für alle gefangenen Arbeiter(innen), Tariffähigkeit, Abschaffung der Arbeitspflicht, volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern und Solidarität drinnen und draußen.« Eine Petition mit diesen Forderungen, die »nd« in Kopie vorliegt, haben »nd«-Recherchen zufolge bereits weit über 100 Gefangene unterzeichnet. Grundgesetz, Resozialisierungsgrundsatz und Urteile des Bundesverfassungsgerichts, argumentiert Rößner, sicherten auch Gefangenen das Recht auf ungehinderte gewerkschaftliche Betätigung zu.

Ein Auslöser des Konflikts in der JVA Butzbach mit ihren rund 500 Gefangenen war dem Vernehmen nach ein Dokument im Zusammenhang mit der Produktion von Klettergerüsten für Spielplätze durch die gefängniseigene Schlosserei. Die Häftlinge, sagt GG/BO-Sprecher Rast, hätten die Preise für die Produkte mit ihren Stundenlöhnen in Höhe von maximal 1,50 Euro abgeglichen und seien zu der Schlussfolgerung gekommen, dass sie mit ihrer Arbeit der JVA traumhafte Gewinnmargen bescherten. Entgegen der politischen Zielsetzung einer Resozialisierung von Gefangenen »produziert dieses zur Zeit perfide Strafvollzugssystem den Rückfall von Gefangenen und entlässt sie in die resozialisierte Altersarmut, weil es sich nicht an seine ureigene Gesetzgebung und Verordnung hält«, beklagt Rößner.

Butzbach ist kein Einzelfall. Deutsche Gefängnisse, sagt Rast, seien längst zu »Sonderwirtschaftszonen« mit Billiglöhnen geworden, in denen teilweise auch private Unternehmen ohne Sozialabgaben produzieren und ausbeuten ließen.

Für Unmut unter den Gefangenen sorgen auch die Folgen des Personalabbaus im Strafvollzug. So sind laut Rast vielfach sportliche Aktivitäten und Ausgänge gestrichen worden. Dies komme einer Verschärfung der Freiheitsstrafe gleich. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), ein Ableger des Deutschen Beamtenbunds (DBB), beklagt »Arbeitsunzufriedenheit, Demotivation und zunehmenden Krankenstand« des vorwiegend beim BSBD organisierten Gefängnispersonals. »Die Arbeitssituation ist gefährlich und befindet sich in einer totalen Schräglage«, so die hessische BSBD-Landeschefin Birgit Kannegießer.

Die Butzbacher Gefangenen sind auch deshalb sauer, weil Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) bislang nicht auf ein Schreiben reagierte, das Ende September von der gewählten Interessenvertretung der Gefangenen verfasst wurde. Die Unterzeichner des Briefes hatten darin ihre Probleme geschildert, um ein Gespräch gebeten und sich für Lösungen offen gezeigt. »Es kann nicht sein, dass die Ministerin nicht auf die Sorgen der Gefangenen reagiert hat und diese nun keine andere Möglichkeit mehr sehen, als in einen Hungerstreik zu treten«, so die SPD-Landtagsabgeordneten Heike Hofmann und Lisa Gnadl. Beide forderten von der Justizministerin Aufklärung über Zustände in Butzbach.

»Nach jahrelanger Arbeit in der JVA muss man am Ende auch Rentenansprüche haben«, betont auch die LINKE-Abgeordnete Marjana Schott. »Wenn die Ministerin den Gedanken der Resozialisierung und die Anliegen der Gefangenen ernst nehmen würde, hätte sie auf den Gesprächswunsch reagiert.« Dass die Gefangenen nun mit einem Hungerstreik auf ihre prekäre Lage aufmerksam machen wollten, sei »erwartbar gewesen«, so Schott.

Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden, nd 23.11.2015