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Die politische Verfolgung von Nekane Txapartegi geht weiter

Spanischer Staat droht mit neuem Auslieferungsantrag

Eineinhalb Jahre nach ihrer Freilassung drohen die spanischen Behörden mit einem neuen Haftbefehl gegen Nekane Txapartegi. Dabei hatten das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft erachtet, dass die baskische Journalistin im spanischen Staat gefoltert wurde. Trotzdem blieb es den Schweizer Behörden bisher erspart, zu den Foltervorwürfen Stellung zu nehmen. Am Mittwoch, den 22. Mai 2019, war Nekane Txapartegi bei der Bundesanwaltschaft in Bern vorgeladen, um per Videokonferenz durch das spanische Sondergericht Audiencia Nacional befragt zu werden. Die Anschuldigungen gegen Nekane Txapartegi basieren erneut auf einem unter Folter erzwungenen Geständnis von 1999; dies war bereits beim Rechtshilfegesuch im Jahr 2016 der Fall. Nekane Txapartegi ging in Begleitung ihrer AnwältInnen und zweihundert solidarischer Menschen zur Bundestaatsanwaltschaft. Sie wies die Schweizer Behörden darauf hin, dass sich das Rechtshilfegesuch der Audiencia Nacional ausdrücklich auf den Inhalt des unter Folter abgegebenen Geständnisses bezieht. Da der spanische Antrag völkerrechtswidrig und daher nach Schweizer Recht unzulässig ist, lehnte Nekane Txapartegi die Anhörung per Videokonferenz ab. Die spanischen Behörden kündigten an, einen Haftbefehl zu erlassen und die Schweiz mit einem neuen Auslieferungsgesuch zu konfrontieren.

Folter im spanischen Staat, Haft in Zürich
1999 wurde Nekane Txapartegi, damals Stadträtin von Asteasu, durch die Guardia Civil festgenommen und während 5 Tagen schwer gefoltert und vergewaltigt. Nekane Txapartegi wurde unter Folter gezwungen, ein vorgefertigtes Geständnis zu unterzeichnen. Aufgrund dieses Geständnisses verurteilten sie die spanischen Behörden im Jahr 2007 zu 11 Jahren Haft. Nekane Txapartegi flüchtete vor drohender weiterer Folter und Verhaftung. Seit mehreren Jahren lebt sie mit ihrer Tochter in der Schweiz. Im Frühling 2016 wurde sie aufgrund eines Auslieferungsantrages durch den spanischen Staat in Zürich inhaftiert. Mit ihren Anwälten rekurrierte sie gegen die Auslieferung und stellte zugleich einen Asylantrag an die Schweiz. Nach 17 Monaten Haft kam Nekane Txapartegi 2017 frei, da die spanischen Behörden das Auslieferungsbegehren zurückgezogen haben. Dies weil das spanische Gericht die ursprüngliche Haftstrafe reduziert hatte und die Haftstrafe deshalb verjährt war.

Bundesgericht: Folter ist «glaubhaft»
Aufgrund der Reduktion der Haftstrafe musste die Schweiz letztlich keine Stellung zum Foltervorwurf beziehen. Die beiden obersten Gerichte der Schweiz sprachen jedoch eine unmissverständliche Ermahnung zum Thema Folter aus. So stufte das Bundesgericht die Foltervorwürfe am 31. Oktober 2017 als «glaubhaft» ein. Und auch das Bundesverwaltungsgericht kam in seinem Urteil anlässlich der Asylbeschwerde von Nekane Txapartegi am 27. November 2017 zum Schluss, dass ihre Verletzungen in Haft stetig zunahmen und es «angesichts der damaligen Umstände durchaus möglich ist, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Tres Cantos der Guardia Civil sowie im Gefängnis Soto del Real physischen wie auch psychischen Misshandlungen ausgesetzt war.»

Bundesverwaltungsgericht rügt SEM
Damit rügte das Bundesverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM), wies das Asylgesuch jedoch nicht an dieses zurück, womit eine Neubeurteilung ausblieb. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass das spanische Gericht die verhängte Haftstrafe offiziell für verjährt erklärt habe und die Betroffene daher keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Diese Einschätzung wird durch die erneute politische Verfolgung jetzt aber in Frage gestellt.

Mai 2019: UNO bestätigt Folter erneut
Sollte der spanische Staat nun tatsächlich einen erneuten Auslieferungsantrag stellen, hätte die Schweiz einige Schwierigkeiten, diesem stattzugeben. Stattdessen wäre die Schweiz gezwungen, dieFoltervorwürfe genau zu untersuchen. Denn erst im vergangenen Jahr – am 14. Februar 2018 – hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den spanischen Staat wegen schwerer Misshandlung in Haft in zwei Fällen verurteilt. Zuvor war der spanische Staat in Strassburg schon acht Mal wegen nicht oder ungenügender Untersuchungen von Foltervorwürfen verurteilt worden. Und am 20. Mai 2019 – zwei Tage vor der erneuten Einvernahme Nekane Txapartegis – bestätigte der Menschenrechtsausschuss der UNO die Folter eines Verhafteten im Jahr 2007. Im gleichen Jahr also, in dem Nekane Txapartegi geflüchtet ist. Die erneute politische Verfolgung ist retraumatisierend. Die Schweiz ist aufgefordert, das absolute Folterverbot zu respektieren und der Überlebenden von sexualisierter Folter angemessenen Schutz zu bieten.

Freenekane Bündnis, 24.05.2019
Medienkontakt: freenekane.medien@gmail.com

Spanische Polizei verhaftet Anwälte und andere Personen im Baskenland

In einer hochgradig zynischen Operation nutzt Spanien die europaweite Diskussion um das terroristische Attentat in Paris für einen eigenen schweren Anschlag auf die Meinungsfreiheit und auf das Recht anwaltlicher Vertretung. Am Montag morgen verhaftete die spanische paramilitärische Polizei Guardia Civil im Baskenland und in Madrid zwölf Rechtsanwälte und vier weitere Personen unter angeblichem Terrorismusverdacht. Sie durchsuchte auch die Anwaltsbüros. In Bilbo (span. Bilbao) drang die Polizei auch in den Sitz der linken Gewerkschaft LAB ein, und beschlagnahmte dort u.a. Spendengelder. Seit die ETA im Oktober 2011 ihren bewaffneten Kampf beendete und ein Konsens in der baskischen Bevölkerung besteht, politische Projekte auf friedliche und demokratische Weise durchzusetzen, geht die Gewalt im Baskenland einzig und allein von der spanischen Regierung aus. Die spanische Regierung verfolgt die politischen Aktivitäten der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung immer noch mit Massenprozessen als Terrorismus und versucht, politische Aktivisten als »Terroristen« zu jahrelangen Gefängnisstrafen zu verurteilen. Erst am Samstag haben 80.000 Baskinnen und Basken in Bilbo eindrucksvoll für ein Ende der spanischen Politik unmenschlicher Sondergesetze gegen die 460 baskischen politischen Gefangenen demonstriert. Man darf annehmen, dass die gestrigen Verhaftungen auch eine Art Racheaktion auf diese Demonstration und auf die gute Arbeit der Juristen sind. Verhaftet wurde auch die Rechtsanwältin Amaia Izko, die vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die spanische Politik der nachträglichen Haftverlängerung (Doktrin Parot) kippte. Spanien musste daraufhin Ende 2013 nahezu 80 Gefangene freilassen. Außer ihr wurden auch die  Anwältinnen Eukene Jauregi und Haizea Ziluaga in Madrid festgenommen. Sie sind Verteidigerinnen im Massenprozess gegen 35 Aktivisten der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung, der am Montag vor dem Sondergericht Audiencia Nacional in Madrid fortgesetzt werden sollte. Julen Arzuaga ist Abgeordneter der Linkskoalition EH Bildu im Regionalparlament der Autonomen Baskischen Gemeinschaft. Er stand für seine jahrelange Menschenrechtsarbeit selbst vor einigen Jahren in einem Massenprozess vor Gericht und war von einer mehrjährigen Gefängnisstrafe bedroht. Er nannte die Nachricht von den Verhaftungen »miserabel für die Menschenrechte und für die Sehnsucht dieses Volkes nach Frieden«.

Uschi Grandel

Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2015/01-13/048.php (c) Junge Welt 2015