Griechenland: Lambros-Viktoras Maziotis Roupas bei Verwandten

Heute, am Sonntag 8. Januar 2017, bekam die Grossmutter mütterlicherseits von Lambros-Viktoras Maziotis Roupas nach einer neuen Entscheidung des Staatsanwalts die vorläufige Obhut für ihn. Seine Inhaftierung in der psychiatrischen Abteilung (!) des Kinderspitals in Athen wurde so endlich beendet. Das sechs Jahre alte Kind verliess das Spital unter der Begleitung seiner nächsten Verwandten.

In der Zwischenzeit gab es Proteste durch Gefangene in den Männer- und Frauenknästen von Koridallos, im Frauenknast von Elaionas in Thebes und im Knast von Trikala.

Die Mitglieder des Revolutionären Kampf Nikos Maziotis, Pola Roupa und Kostantina Athanasopoulou haben ihren Durst- und Hungerstreik unterbrochen.

Ein Gericht wird innerhalb von sechs Monaten über die definitive Obhut für das Kind entscheiden.

Greece: Lambros-Viktoras Maziotis Roupas placed with relatives

Greece: Lambros-Viktoras Maziotis Roupas placed with relatives

Today, Sunday January 8th 2017, after a new prosecutor’s order, temporary custody of Lambros-Viktoras Maziotis Roupas was given to the grandmother on his mother’s side, so his captivity in the psychiatric unit(!) of the children’s hospital in Athens was finally terminated. The six-year-old child left the hospital escorted by his first-degree relatives.

Meanwhile, there were protests by inmates at Koridallos men’s and women’s prisons, Elaionas women’s prison in Thebes, and Trikala prison.

Revolutionary Struggle members Nikos Maziotis, Pola Roupa and Kostantina Athanasopoulou have interrupted their thirst and hunger strike.

A court will decide on the final custody of the child within six months.

Greece: Lambros-Viktoras Maziotis Roupas placed with relatives

 

Interview mit dem anarchistischen Gefangenen Nikos Maziotis aus Griechenland.

Das Gespräch wurde schriftlich auf englisch geführt. Nikos ist 2016 zu lebenslänglich verurteilt worden.

Redaktion des „Gefangenen Info“.

Nikos, du hast geschrieben: „Die anarchistische anti-autoritäre Bewegung hat nicht das Niveau der anderen sozialen Bewegungen und Volksmassen übertroffen, die mit den Kräften der Unterdrückung aneinandergeraten sind und wiederholt versucht haben in das griechische Parlament bei den großen Demonstrationen zwischen 2010 und 2012 zu gelangen.“ Unserer Fragen dazu: Was ist deine Kritik bezüglich der Besetzung des Parlaments? Zu legalistisch und illusionär, weil die Machtfrage nicht auf diese Art und Weise gestellt werden kann? Ist das Parlament nicht der richtige Platz, weil Entscheidungen wo anders getroffen werden?

Ich widerspreche nicht dem Versuch der Besetzung des Parlaments. Ich beteiligte mich an einigen der Demonstrationen im Oktober 2011 und Februar 2012, bei dem tausende von Menschen und GenossInnen mit den Riot-Cops gekämpft haben mit dem Bestreben in das Parlament zu gelangen.

Das Parlament ist der Platz an dem die herrschende Klasse, die Bourgeoisie, die Entscheidungen zur Ausbeutung und Unterdrückung der Bevölkerung trifft. Durch das Parlament wurden alle Maßnahmen und Programme zur „Rettung“ für die internationalen Organisationen, IWF, EZB und Europäische Kommission, eingeführt.

Meine Kritik bezieht sich darauf, dass die anarchistische antiautoritäre Bewegung keine politische Positionen gegen die Politik des „Memorandums“ und gegen die Kreditprogramme hat, die der IWF, EZB, die europäische Kommission und der griechische Staat gegen die griechische Bevölkerung verhängt hat. Die „Bewegung“ konnte der Bevölkerung keine Alternative zu dieser Politik vorschlagen. Die „Bewegung“ hatte keine Analyse und keine politische Position über die Probleme unserer Zeit: die Schulden, das Memorandum, die Euro-Zone, die europäische Union. Die „Bewegung“ hatte keine Analyse der ökonomischen Krise des Kapitalismus. Zum Beispiel gab es keine Antwort auf die Dilemmas „in der Eurozone bleiben, oder raus“ oder „in der Europäischen Union bleiben, oder raus“, Euro oder Drachme. So ist die Besetzung des Parlaments nicht genug, um eine generelle Lösung auf die Probleme, eine revolutionäre Lösung auf die Krise zu finden.

Die einzige Intervention der Anarchisten auf die Ereignisse der Periode war die Beteiligung an den Riots vor dem Parlament mit tausend anderen Menschen. Aber dies war nicht genug und die Riots und die Demonstrationen von tausenden von Menschen haben die Umsetzung der Politik, die von dem IWF, der EZB und der EU verhängt wurden, nicht stoppen können.

Generell ist die anarchistische antiautoritäre Bewegung in einer großen Schwächen und das ist der Grund warum sie nicht als eine revolutionäre Bewegung mit klaren Positionen organisiert werden kann. Das ist der Grund warum die Bewegung keinen Einfluss auf die Massen haben konnte, die gegen die Politik des Memorandums demonstriert hatte. Sie konnte nicht die revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft vorschlagen.

Die Nicht-Existenz einer realen revolutionären Bewegung mit antikapitalistischen und antiautoritären Charakteristischen, die eine soziale Revolution als eine Antwort auf die Krise und der Rettungspolitik des Systems vorschlägt, ist der Grund, dass die Demonstrationen und die Riots der Periode von 2010-2012 niedergeschlagen wurde. Das ist der Grund, dass seit 2012 der soziale Widerstand und die Streiks weniger und nicht massiver geworden sind. Die Menschen haben ihre Hoffnung verloren und sie glauben nicht, dass die Streiks und Demonstrationen die Politik der griechischen Regierung ändern werden. Ein anderes Resultat der Demonstrationen 2010-2012 war, dass viele Leute und GenossInnen in den Wahlen von Mai-Juni 2012 und Januar 2015 Syriza mit der Illusion gewählt haben, dass eine linke Regierung wie Syriza die Situation ändern würde und die Gläubiger bekämpfen würde. Syriza versprach, als sie in der Opposition war, dass sie die Rettungsprogramme – die Kreditvereinbarungen – abschaffen würde und eine sozialdemokratische Politik durchführen würde. Nach ein paar Monaten wurde der Widerspruch offensichtlich, weil Syriza die gleiche Politik wie die vorhergegangene Regierung fortsetzte und für das 3. Memorandum stimmte. Bei der 3. Kreditvereinbarung 2015 stimmten sogar die 62% der Leute, die an dem Referendum von 5. Juli 2015 teilnahmen, gegen die Forderungen der Gläubiger.

Der Revolutionäre Kampf sagte in der Erklärung, in der wir die Verantwortung für den Angriff gegen die Bank von Griechenland und das Büro der dauerhaften Repräsentanten des IWF in Griechenland übernahmen, dass wenn Syriza weiterhin in der Opposition wäre, dass die sozialdemokratischen Programme der Syriza nicht realistisch seien und wenn sie zur Regierung würden sie ein neoliberales Programm und Maßnahmen einführen und das Memorandum akzeptieren würden wie die anderen Regierungen zuvor. Was wir 2014 vor den Wahlen gesagt haben wurde 2015 verifiziert.

Diese schlimme Entwicklung, die Niederschlagung der Demonstrationen von 2010-2012, die Weiterführung der Politik des Memorandums – die Kreditvereinbarung von IWF, EZB, Europäischer Kommission in den letzten 6 Jahren, die Wahl des 3. Memorandums der linken Regierung unter Syriza, dies alles sind Resultate der Nicht-Existenz einer revolutionären Bewegungen.

Der Revolutionäre Kampf (RK) erklärt seit 2009, dass die Krise eine Möglichkeit für eine soziale Revolution in Griechenland ist und die anarchistische antiautoritäre Bewegung eine revolutionäre Bewegung aufbauen muss mit klaren politischen Position, eine Bewegung die notwendigerweise den bewaffneten Kampf nutzt, um das Regime zu stürzen.

In der Frage, ob das Parlament als ein Ort genutzt werden kann wo die Bevölkerung ihre Entscheidungen treffen können, ist meine Antwort Nein. Was zählt ist nicht der Platz oder das Gebäude des Parlaments, sondern das was das Parlament repräsentiert. Ich bin ein Anarchist und natürlich bin ich gegen die bürgerliche Demokratie und die parlamentarische Demokratie der Bourgeoise.Ich unterstütze die „direkte Demokratie“, wenn die Bevölkerung in den Versammlungen an denen sie überall wo sie stattfinden, am Arbeitsplatz, in den Communities, in den Nachbarschaften der Städte, den Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, überall, teilnimmt, redet und entscheidet.

Als Anarchist unterstütze ich ein konföderalistisches System, das den Staat und die Marktwirtschaft ersetzt. Ein konföderalistisches System, das große Versammlungen (Anm. d. Übersetzers:‚assembleas‘), Arbeiterräte einschließt. Für die Kooperation oder die Koordination aller Volksversammlungen, der Räte, der Kollektive, der Kommunen, müssen die Delegierten der Gremien gewählt werden und direkt abberufen werden können, nicht nach 4 Jahren wie bei der Regierung der bürgerlichen Demokratie.

Die Tradition der revolutionären und Arbeiterbewegung hat viele Beispiele von Experimenten direkter Demokratie wie die Pariser Kommune 1871, die die erste Revolution war, bei der die Arbeiterklasse ihre Macht demonstrierte, wie die Soviets (Anm. d. Übersetzers: Räte) in Russland bevor die Bolschewiken sie in ein Werkzeug der Diktatur umwandelten, wie die Räte der Arbeiter und Soldaten in der deutschen Revolution 1918-19, wie die Arbeiterkomitees und Kollektive der Bauern in der spanischen Revolution und im spanischen Bürgerkrieg 1936-39.

Heute gibt es Experimente des Kommunalismus der Zapatisten im Südosten Mexikos in Chiapas und des demokratischen Konföderalismus in Kurdistan, die auf Volksversammlungen in den kurdischen Gemeinden und Städten basiert, z.B. in Rojava und anderen Gebieten Kurdistans. Ich glaube nicht, dass die Zerstörung des Kapitalismus und des Staates durch das Parlament der bürgerlichen Demokratie zu Stande kommt, sondern durch eine bewaffnete soziale Revolution.

Natürlich sollten wir in unserem Kampf alle Formen nutzen: Demonstrationen, Besetzungen, selbstorganisierte Strukturen, aber wenn wir eine Revolution machen wollen, dann ist es notwendig den bewaffneten Kampf zu nutzen, um das Regime zu stürzen und das revolutionäre Experiment zu schützen. In der letzten Erklärung (Anm. d. Übersetzers: des Revolutionären Kampfes) von 2014, die sich auf den Angriff auf eine Filiale der Bank von Griechenland und auf das Büro des Vertreters der IWF, bezog, erklärte der Revolutionäre Kampf, dass ein revolutionärer Prozess in Griechenland heute mit einbeziehen sollte: Die Verweigerung der Zahlung der Schulden, Der Austritt aus der Euro-Zone und der europäischen Union, die Enteignung des kapitalistischen Eigentums, der Banken, der multinationalen und griechischen kapitalistischen Firmen und die Enteignung des Staatseigentum, die Vergesellschaftung des Eigentums von Kapitalisten und des Staates, die Vergesellschaftung der Industrie, der Transports-, Bildungs-, Gesundheitsstrukturen und die Selbstverwaltung von diesen durch die Arbeiter und das Volk, die Zerstörung des Staates und die Ersetzung durch ein konföderalistisches System, das alle Versammlungen und Räte überall, an den Arbeitsplätzen, in den Dörfern, in den Stadtteilen von Städten, mit einschließt, die Zerstörung der Polizei und der Staatsarmee und die Ersetzung von diesen durch eine bewaffnete Miliz, einer Art Volksarmee.

Der Revolutionäre Kampf schlug ein spezifisches politisches Programm vor und rief die anarchistische-antiautoritäre Bewegung zu einem Dialog dazu auf, wie eine revolutionäre Bewegung mit klaren politischen Positionen entstehen kann, aber unglücklicherweise passierte dies nicht.

Was ist dein Standpunkt zur Funktion von Deutschland im Verhältnis zu Europa und Griechenland?

Ich glaube, dass die Rolle Deutschlands innerhalb der europäischen Union und was die griechische Schuldenkrise, sowie generell der Schuldenkrise in Europa angeht, sehr wichtig ist. Wir sollten nicht vergessen, dass Deutschland zusammen mit anderen Ländern, wie Frankreich, in den 50zigern zur Entstehung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beigetragen hat. Als das am weitesten entwickelte Land in Europa unterstützt (Anm. des Ü.: Deutschland) die vollständige Umsetzung der Vereinbarungen der Europäischen Union, wie die zu Stabilität und Entwicklung von Lissabon, die die Schulden der europäischen Länder betrifft und die Reduzierung des Defizits auf 3% des Bruttoinlandsproduktes festlegt.

Was die griechische Schuldenkrise angeht, so hat Deutschland eine wichtige Rolle für die vollständige Umsetzung der harten Austeritätsmaßnahmen der Kreditvereinbarungen seit 2010. Mit anderen Ländern, wie Frankreich, Finnland, Österreich, der Slowakei und der baltischen Staaten, hat Deutschland immer eine harte Position gegen Griechenland vertreten. Seit dem Beginn wollte Deutschland keinen Schuldenschnitt für die griechischen Schulden, weil viele deutsche Banken wie die Deutsche Bank, die Postbank und Commerzbank den griechischen Schulden ausgesetzt sind. So würde ein Schuldenschnitt der griechischen Schulden einen großen Schaden für die deutsche Banken bedeuten. Als 2012 der Schuldenschnitt erfolgte wurden nicht nur die deutschen Banken ihre Anteile an den Schulden Griechenlands los und der Schaden blieb für sie gering.

Die Politik Deutschlands hat antideutsche Gefühle in einem großen Teil der griechischen Bevölkerung hervorgerufen und viele politische Kräfte, von extrem rechten Kräften bis hin zu extrem linken Kräften schüren diese Gefühle. Aber Deutschland ist nicht der einzige Verantwortliche für die Konfrontationen mit der griechischen Schuldenkrise und für die Strafposition Griechenlands in der Europäischen Union. Frankreich hat die selbe Position, weil französische Banken wie die Societe General, Credit Agricole und andere auch den griechischen Schulden ausgesetzt sind. Daher wollte Frankreich aus den selben Gründen keinen Schuldenschnitt seit 2010 und unterstützte die vollständige Umsetzung der harten Austeritätsmaßnahmen der Kreditvereinbarungen.

So ist das Problem nicht der „schlechte“ Schäuble oder die „schlechte“ Merkel, sondern die Struktur der Europäischen Union. Die Europäische Union ist eine Allianz der kapitalistischen Klassen Europa, aber manche von ihnen dominieren, wie die der deutschen, französischen, britischen und anderen. Eine revolutionäre Perspektive muss die Zerstörung der Europäischen Union beinhalten, aber dies ist nur ein Teil der revolutionären Perspektive in Europa mit antikapitalistischen Charakteristiken, was mit dem Brexit bewiesen wurde.

Auch extrem rechte politische Kräfte und Nationalisten haben eine anti-europäische Rhetorik. Der Brexit wurde unterstützt durch Nationalisten wie Nigel Paul Farage , der ein Regime des nationalen Kapitalismus und des starken Nationalstaats zurück möchte, wie bevor es die Europäische Union gab. Sie wollen die Zerstörung der Europäischen Union und sie bekämpfen die Globalisierung.

Als anarchistische, revolutionäre Linke, als Antiimperialisten müssen wir nicht nur die Zerstörung der Europäischen Union unterstützen, sondern auch die Zerstörung der Marktwirtschaft und des Nationalstaates. Wir müssen für die Konföderation der Bevölkerungen Europas und weltweit kämpfen, für eine internationale Kommune der europäischen und der weltweiten Bevölkerung. Das ist der wirkliche Kommunismus, eine Gesellschaft ohne Klassen und Staat.

Was ist deine Sicht auf die reformistische und revolutionäre Linke in Deutschland?

Ich weiß nicht viel über die Linke in Deutschland, weder über die reformistische, noch über die revolutionäre. Bezüglich der reformistischen Linken ist meine Meinung, dass in den Umständen in denen wir heute als ein Resultat der Krise leben, es keine Hoffnung gibt die Situation durch die Anwendung reformistischer Politik zu ändern. Die Reformisierung des Kapitalismus ist eine Illusion. In Griechenland kollabierte diese Illusion, wie ich bereits zuvor gesagt habe, als Syriza im Januar 2015 an die Regierung kam und für die neoliberalen Maßnahmen, das 3. Memorandum und die 3. Kreditvereinbarung stimmte. Daher ist die reformistische Linke, nicht nur in Deutschland, sondern überall nur eine Illusion. Die reformistische Politik, die sozialdemokratische Politik, die Intervention des Staates in die Ökonomie, der „Sozialstaat“ ist heutzutage nicht überall auf Grund der Globalisierung und der Krise realistisch.

Der einzig realistische Weg die Folgen der kapitalistischen Attacke, als ein Resultat der Krise, zu ändern ist die Revolution, der Sturz und die Zerstörung des Kapitalismus und des Staates. Der Grund der ökonomischen Krise ist die Existenz des Kapitalismus, nicht die neoliberale Form, wie die Reformisten sagen Die Existenz des Kapitalismus führt zu Krisen. Für mich ist es interessanter über die revolutionären Kräfte und die revolutionäre Perspektive zu sprechen. Ich muss sagen, dass in Griechenland das Verständnis der Begrifflichkeit „Links“ ein anderes ist als in Deutschland. Links repräsentiert in Griechenland nichts revolutionäres was Regimeparteien wie Syriza und die kommunistische Partei bezeugen, aber auch wenn wir über einige maxistisch-leninistische, maoistische, trotzkistische Gruppe, die Linken und die außerparlamentarische Linke sprechen. Es gibt keine revolutionäre Linke in Griechenland.

Ich gehe davon aus, dass in Deutschland die revolutionäre Linke oder die revolutionären Kräfte in der Krise sind, dass sie seit der Wiedervereinigung Deutschlands Anfang der 90er, nach dem Fall der Mauer, schwach sind. Das war ein allgemeines Resultat der Niederschlagung der revolutionären Bewegung und der Niederschlagung der west-europäischen Stadtguerilla, in dieser Zeit. Diese Niederschlagung in Kombination mit dem Fall des Regimes in Osteuropa hatte die Dominanz des Neoliberalismus, die Diktatur der Märkte, die Globalisierung des Kapitalismus, die Kriege in den 90ern im Irak und Jugoslawien und nach 2001 den Krieg gegen den „Terrorismus“ als Resultat.

Unter diesen Bedingungen hat die Politik der USA und der Europäischen Union im mittleren Osten das Erstarken der radikalen Islamisten und die Angriffe in Europa, in Madrid, London und heute in Frankreich und Belgien hervorgerufen. Als Reaktion auf den radikalen Islamismus gab es eine Verstärkung des Nationalismus und Nazismus, eine Stärkung der extrem rechten Kräfte, die Staaten haben mehr Sicherheitsmaßnahmen vorgenommen und sie schließen die Grenzen für Flüchtlinge und Migranten aus Syrien, Afghanistan und Irak.

Auf der anderen Seite ist die Bevölkerung in Europa zu schwach um den Attacken des Kapitalismus nach dem Ausbruch der Krise von 2008 etwas entgegenzusetzen. Diese Situation macht die Existenz von revolutionären Kräften dringend notwendig, nicht politische Räume für den Protest, sondern revolutionäre Kräfte, die das Regime, die Strukturen der Europäischen Union und generell der kapitalistischen Zentren angreifen.

Das ist der Grund, warum ich denke, dass die Guerilla Aktion und der bewaffnete Kampf jetzt noch dringend notwendiger ist, als vor 40 Jahren, als die westeuropäische Guerillas noch existierten. Ich denke, dass heute die Existenz von revolutionären Kräften oder Bewegungen in den kapitalistischen Zentren wie Deutschland, Frankreich, Groß Britannien, den USA und in Italien noch notwendiger ist. Deutschland hat heute eine zentrale Rolle in der Politik der europäischen Union und generell im weltweiten kapitalistischen System. Es ist das meistentwickelte Land in Europa und die Basis der Europäischen Zentral Bank, die zusammen mit dem IWF und der Europäischen Kommission für die Politik eines massenhaften sozialen Diebstahls an der Bevölkerung, insbesondere in den Ländern des europäischen Südens, ist.

Wir müssen für eine revolutionäre Perspektive in Europa kämpfen wo auch immer wir sind. Wir sind sehr weit weg von diesem Ziel, aber wir müssen die Krise des Systems ausnutzen. Wir brauchen einen starken politischen Willen und wir müssen realisieren, dass der revolutionäre Kampf ein tatsächlicher Krieg ist und ein Krieg ohne Blut existiert nicht.

Was ist die Bedeutung des gegenwärtigen Internationalismus?

Unser Kampf gegen den Kapitalismus und den Staat ist international, ist global. Der Kampf kann nicht auf ein Land begrenzt sein. Die Verbindung und die Solidarität zwischen den Bewegungen und Kämpfen auf internationaler Ebene ist sehr wichtig, weil wir unter den Bedingungen der Globalisierung des Kapitalismus leben und alle Funktionen des Systems sind miteinander verflechtet.

Der Internationalismus sollte auf der Entstehung von starken revolutionären Bewegungen in jedem Land basieren. Die revolutionären Bewegungen sollten klare Positionen haben, eine Aktivitität gegen den Kapitalismus und den Staat und sie sollten auch Einfluss und Kontakt auf die Massen und die sozialen Kämpfe haben. Wenn wir eine revolutionäre Perspektive haben, dann sollten wir realisieren, dass diese Perspektive nicht durch ein Land begrenzt werden kann, weil die Revolution nicht in einem Land überleben kann. Es ist kein realistisches Szenario.

Der Internationalismus ist eine Grundlage unseres Kampfes. Wir müssen lokal oder auf nationaler Ebene agieren, aber wir sollten auf internationaler Ebene denken.

Nikos Maziotis
Prison Korydallou
T.K. 18110 Korydallos
Athens
Greece

Athen, Griechenland: Drei Mitglieder vom Revolutionären Kampf im Hunger und Durststreik.


Solidarität aus Zürich (7.1.2017)

Am frühen Morgen des 5. Januar 2017 wurden zwei Mitglieder des Revolutionären Kampfes, die flüchtige Gefährtin Pola Roupa und die Anarchistin Konstantina Athanasopoulou in einem Vorort von Athen gefangengenommen. Antiterror-Einheit der Bullen haben einen Unterschlupf überfallen, in dem sich Pola und ihr sechsjähriger Sohn aufhielten, während Konstantina in einem anderen Haus in der Nähe verhaftet wurde.

Nachdem Lambros-Viktoras Maziotis Roupas (der kleine Sohn von den Revolutionären Kampf Mitgliedern Nikos Maziotis und Pola Roupa) gewaltsam seiner Mutter weggenommen wurde, wird er, von Bullen bewacht (!), in einem Kinderkrankenhaus gefangen gehalten. Er erhält dort keine Besuche von seinen nächsten Verwandten. Sogar die gesetzlichen Vertreter*innen seiner Eltern dürfen nicht zu ihm.

Die griechischen Behörden und insbesondere die für Minderjährige zuständige Staatsanwältin Frau Nikolou, verweigert es noch, das Kind an Verwandte ersten Grades zu übergeben.

Als Antwort darauf, haben drei Mitglieder des revolutionären Kampfes (der anarchistische Gefangene Nikos Maziotis, die wieder gefangene Pola Roupa und die gerade verhaftete Konstantina Athanasopoulou, seit dem 5. Januar einen Hunger-und Durststreik begonnen. Sie fordern, dass der sechsjährige Junge sofort bei seiner Tante und Großmutter untergebracht wird. (Verwandte mütterlicherseits).

In einem offenen Brief verkündet Nikos Maziotis u.a., dass “Unser Sohn das Kind zweier Revolutionär*innen ist und er stolz auf seine Eltern sei. Wir werden uns nicht erpressen lassen. Wir verteidigen unsere Wahl mit unserem Leben.”

Am 6. Januar, während der Überführung der Frauen zum Evelpidon Gericht, rief Pola: “Die Würmer halten mein Kind im Paidon (Kinderkrankenhaus in Athen), bewacht durch bewaffnete Bullen, im Alter von sechs Jahren. Er ist ein Kriegsgefangener“ und „Lang lebe die Revolution“. Weiter hat sie erklärt „Ich bin eine Revolutionärin und ich habe mich für nichts zu entschuldigen”

Es folgt die Erklärung von Konstantina:

“Ich bin Anarchistin, Mitglieder der bewaffneten revolutionären Organisation Revolutionärer Kampf (Epanastatikos Agonas). Die einzigen Terrorist*innen sind der Staat und das Kapital. Ich verweigere das Essen und Trinken bis das Kind meiner Gefährt*innen Pola Roupa und Nikos Maziotis ihren Verwandten übergeben wird. “
Konstantina Athanasopoulou

Im Inneren haben anarchistische Gefangene und andere Insass*innen verschiedener Flügel von Koridallos Männer- und vom Frauengefängnis aus Solidarität mit den Gefangenen des Revolutionären Kampfes (die sich momentan im Hunger- und Durststreik befinden) einen gemeinsamen Protest organisiert. Der Einschluss wurde verweigert, um das Ende der Gefangenschaft von Lambros-Viktoras zu fordern.

Draußen haben GefährtInnen in verschiedenen Städten ganz Griechenlands diverse Aktionen als sofortige Unterstützung der anarchistischen Revolutionäre durchgeführt. Auch sie fordern, dass die Verwandten ersten Grades von Pola Roupa sofortige Besuchserlaubnis und Sorgerecht für das Minderjährige Kind erhalten.

Viel Kraft für Konstantina Athanasopoulou, Pola Roupa und Nikos Maziotis, stolze Mitglieder des Revolutionären Kampfes.

Der Revolutionäre Kampf wird weder die Waffen nieder legen, noch sich den Feinden der Freiheit ergeben.

https://de-contrainfo.espiv.net

U-haft, Deals und Soligruppen: Vorbereitung ist mehr als Handschuhe und ein Tuch …

Dieser Text ist als Antwort auf einen Beitrag der Soligruppe Aaron & Balu mit dem Titel „Einige Gedanken zu Deals und offensiven Strategien gegen Repression“ zu verstehen. Die dort vorgestellten Analysen sind absolut richtig, im Alltagsbetrieb einer linksradikalen Szene jedoch nicht gegenwärtig. Das könnte an ihrem geringen Organisierungsgrad liegen, der u.a. auch auf die kurze Verweildauer im Widerstandsmilieu zurückzuführen ist. Wäre es anders, wüssten mehr Menschen das ein Deal, neben einer etwas schnelleren Haftverschonung, in der jüngeren Vergangenheit kaum eine geringere Strafe eingebracht hat.

Die letzten Jahrzehnte haben das im Bereich des Vorwurfs „Schwerer Landfriedensbruch“ bewiesen. Der Strafrahmen vor dem Gericht in Moabit orientiert sich an der politischen Konjunktur der um ihre Kompetenz bezüglich innerer Sicherheit besorgten Landesregierung. Knallt es oft und heftig auf den Straßen, steigen die Strafen an, Haftbefehle werden schneller ausgestellt. Im Zusammenhang mit dem 1. Mai war das gut zu beobachten. Und es hat auch gewirkt, gemessen an der Anzahl immer noch aktiver ehemaliger Gefangener aus den Hunderten 1. Mai Prozessen.

Genau so verhält es sich mit den Autobrandstiftungen, die zu einer Belastung des Senats wurden. Hier ein kurzer Rückblick auf Deals, die bestimmt nicht mehr vielen Leuten heute bekannt sind.

Im Prozess gegen Det gegen Tobias und auch gegen Thomas wurden Strafen verhängt, die trotz eines Deals ziemlich hoch waren. In allen Fällen wären die Urteile ohne Geständnis kaum härter gewesen. Wenigstens von der Soligruppe für Thomas ist eine Auswertung erhalten geblieben, die das Problem sehr differenziert betrachtet.

Eine These dazu könnte sein, dass sich Leute nicht über den Grad der Konfrontation mit dem Feind bewusst sind oder das sie vereinzelt sind. Oder beides, was für die Szene symptomatisch ist.

Die AnwältInnen sollten es besser wissen, aber auch das ist kein Geheimnis, einige kämpfen während andere eher den Kompromiss suchen. Demnach wäre eine Wissensvermittlung in der risikobereiten Szene notwendig, die ein realistisches Verhältnis zum Knast ermöglicht und auch AnwältInnen meidet, die konfliktscheue Prozessstrategien prinzipiell bevorzugen. Nicht auf einen Deal ging in der heißen Phase der Autobrände Alex ein, die ebenfalls fünf Monate in Untersuchungshaft saß. Sie wurde freigesprochen nach mehreren hart geführten Prozessen, obwohl es anfangs nicht gut für sie aussah, hatten doch Bullen behauptet sie auf frischer Tat beobachtet zu haben.

Um auf einige Fragen im o.g. Text einzugehen wie, „Wird ihnen dadurch auf perfide Art und Weise eine Verantwortung gegenüber den Strukturen aufgebürdet, die sie nie freiwillig auf sich genommen hätten?“ – Nein, egal ob du ein Auto anzündest, auf Demos Steine wirfst oder dich vielleicht nur in der entsprechen Situation oder Szene bewegst, du musst für alles die Verantwortung (er)tragen können. Wenn du an kollektive Lösungen glaubst. Glaubst du an individuelle Lösungen und hast kein Vertrauen in dein Umfeld, dann stehst du eben wirklich alleine da. Auch der Prozess um die Breite Straße in Hamburg hat genau diese Defizite aufgezeigt. Die dort erfolgten Einlassungen (Zur Einlassung eines Beschuldigten im Breite Straßen Verfahren) werden sicher die Justiz in ihrer Strategie der Angstverbreitung und Zermürbung bestätigt haben.

Die Vorbereitung von unfriedlichen Demonstrationen oder anderen militanten Projekten sollte deshalb einher gehen mit der Schaffung eines Bewusstseins für Repression und der Kollektivierung von Problemen und deren Lösung. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in einer Kleingruppe kann stärker sein als die Verlockung auf einen Deal vor Gericht einzugehen. Dann stellt sich auch nicht die Frage ob „die Soligruppe zum Beispiel „mit offenen Karten“ spielen und Inhaftierten sagen soll, dass sie will, dass diese ohne Geständnis daraus kommen?“, denn diese Entscheidungen würden dann gemeinsam getroffen, was ja im zu Grunde liegenden Fall von Aaron offenbar nicht so war. Natürlich gibt es Situationen, in denen ein Deal, der niemanden belastet und ohne Distanzierung läuft, juristisch gerechtfertigt ist und der politische Schaden, der ihm immanent ist in Kauf zu nehmen ist.

Untersuchungshaft als Druckmittel in politischen Prozessen ist nicht neu, Gruppen die organisatorisch und theoretisch viel weiter entwickelt waren als die heutigen Autonomen, mussten sich damit auseinandersetzen – zum Beispiel im RZ-Prozess. Auch in diesem Verfahren gab es Deals und Einlassungen, von dem damaligen Soli-Büro bekannt gemacht (Die Stille nach dem Deal) und von Klaus Viehmann nicht ohne Sarkasmus kommentiert (Kritische Anmerkungen zu den Einlassungen im Berliner RZ-Prozess).

Beide Texte gehen den gleichen Fragen nach, vor denen wir heute stehen, sind aber mit großer Wahrscheinlichkeit für Angeklagte und Soligruppen der letzten Jahre keine Entscheidungshilfe gewesen. Kollektive Handlungsstrategien zu entwickeln, wie es die Soligruppe Aaron & Balu vorschlägt, setzt das Wissen über vergangene militante Initiativen und deren staatliche Verfolgung sowie der juristischen und politischen Anti-Repressionsarbeit voraus. Nur das Vermitteln der eigenen Geschichte auch in diesem Bereich kann uns davon freisprechen, mit Mobilisierungen unvorbereitete Menschen zu verheizen und nur der ständige Diskurs über den Umgang mit Repression würde uns legitimieren, zum Beispiel dem EA nahe zu legen, nicht mehr mit konfliktscheuen AnwältInnen zusammenzuarbeiten.

Jetzt, im Vorfeld des G20 Treffens in Hamburg, wird wieder die Werbetrommel gerührt für radikale Widerstandsformen. Verlaufen diese Mobilisierungen erfolgreich und sollte es ordentlich knallen im Juli, werden mit Sicherheit Menschen der Justiz in die Hände fallen. Darum müssen wir dafür sorgen, dass nicht Leute unvorbereitet diesen Aufrufen folgen, so wie ein gewisser Fede aus Mailand im März 2015 nach Frankfurt gefahren ist, um sich später vor Gericht nicht nur auf einen Deal einzulassen sondern auch von allem zu distanzieren (Heiligt der Zweck die Mittel? Fede nach 11 Wochen U-Haft frei).

Gleichzeitig mit der Entwicklung von Militanz sollten Antireppressions-Gruppen das Wissen über unsere Gegner verbreiten und den Diskurs über den Umgang mit Repression in ständigem Fluss halten, damit nicht bei Verhaftungen alles wieder von vorne anfängt.

aus dem Umfeld der Tag X Mobilisierungen

https://linksunten.indymedia.org/de/node/200160

Berlin: Einige Gedanken zu Deals und offensiven Strategien gegen Repression

Am 8. November ist Aaron an seinem ersten und letzten Prozesstag aus der Untersuchungshaft freigekommen. Nach viermonatiger Untersuchungshaft in der JVA Moabit wurde er u.a. für den Vorwurf eines Steinwurfes am 9.7. zu 20 Monaten Knast, ausgesetzt auf eine dreijährige Bewährungsstrafe, sowie 1000€ an die Justizkasse verurteilt. Ein Deal mit der Staatsanwältin Sadri-Herzog hat die Freilassung möglich gemacht. Über seine Anwält*innen hat sich Aaron zu der Tat bekannt. Dabei hat er sich weder entschuldigt, noch andere belastet. Sadri-Herzog hatte noch bis zum letzten Moment auf eine Distanzierung gedrängt.

Darauf folgend entstanden Diskussionen über U-Haft als Instrument einer politischen Justiz, das Eingehen von Deals, deren Symbolhaftigkeit und die Auswirkungen von gezielter Repression, dem Mittel U-Haft und hoher Strafandrohungen auf eine gesamte Bewegung / Szene. Der folgende Text ist aus der Auseinandersetzung innerhalb der Soligruppe entstanden. Wir haben keine abgeschlossene und einheitliche Position und verstehen diesen Text als Debattenbeitrag und -anregung. Bei der hoffentlich entstehenden Diskussion wünschen wir uns, dass sich von der individuellen Ebene, wie der von Aaron, weg bewegt wird.

Im Umgang mit Repression müssen wir uns immer neu mit unseren eigenen Überzeugungen, mit den Konsequenzen unseres Handelns, mit der Gefahr weggesperrt zu werden, mit Angst und Ohnmacht auseinandersetzen. Die klirrenden Scheiben, die Feuer der Nächte und die unzähligen Menschen, die am 9.7. auf die Straße gegangen sind und gekämpft haben, all dies können die Herrschenden nicht unbeantwortet lassen. Über mehrere Wochen konnten die Bullen der Öffentlichkeit keine Ermittlungserfolge präsentieren. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die aggressive Kampagne des Rachefeldzugs einsetzt.  Die Festnahmen im Rahmen der Demo werden jetzt dazu benutzt, um mit voller Härte und politischer Motivation gegen den Widerstand der letzten Monate vorzugehen. Die Staatsanwältin Janine Sadri-Herzog treibt den Rachefeldzug mit aller Kraft an. Wie trotzen wir den Repressionsschlägen? Indem wir sie gemeinsam beantworten und den Kampf gegen die unterdrückenden Strukturen und Institutionen umso entschlossener fortführen.

U-Haft als Instrument
Untersuchungshaft wird dafür benutzt, individuellen Widerstand zu brechen und ein einschüchterndes Klima zu erzeugen. U-Haft soll isolieren, wodurch es möglich werden kann, Verhaftete in eine scheinbar ausweglose Situation zu bringen. Es soll keine andere Möglichkeit mehr gesehen werden, als auf „Angebote“ der Justiz einzugehen: man soll eine Tat eingestehen, sich entschuldigen, distanzieren oder Gefährt*innen belasten. Andauernde Haft, Isolation, Ungewissheit, eine vermeintlich erdrückende Beweislage, Erpressung seitens der Staatsanwaltschaft, viele Gründe können eine*n dazu bewegen, Kompromisse einzugehen. U-Haft an sich erzeugt Druck auf die angeklagte Person. Die Beweisführung muss dann nicht so genau sein, die Anklage kann hoch angesetzt sein. Denn Angeklagte sind unter der Last der U-Haft vielleicht schneller bereit „nachzugeben“ und scheuen einen langen Prozess. Die hohe Strafe, die zum Beispiel gegen Aaron verhängt wurde, setzt nun eine hohe Messlatte an.

Deals und Offensive Strategien
Wenn wir über offensive Strategien im Umgang mit der Justiz reden, sollten wir nicht vergessen, dass wir in unserem alltäglichen Leben ständig Deals mit dem System eingehen. Warum werden Bußgelder bezahlt? Klar ist, umso weniger Kompromisse gemacht werden, desto höher ist die Gefahr von Bullen, Fahrscheinkontrolleur*innen oder Securities bedroht zu werden. Das letzte Zwangsmittel staatlicher Gefügigmachung ist dann der Knast. Wir regen dazu an, sich neben der Frage nach dem Umgang mit der Justiz auch die Frage des Alltäglichen zu stellen.

Anti-Repressionsarbeit bedeutet solidarisches Verhalten und Widerstand gegen staatliche Repression zu stärken. Repression trifft einzelne, die als Exempel für eine Kampfansage gegen widerständige Strukturen verhaftet, vors Gericht gezerrt und eingesperrt werden. Wird ihnen dadurch auf perfide Art und Weise eine Verantwortung gegenüber den Strukturen aufgebürdet, die sie nie freiwillig auf sich genommen hätten?

Im Gegensatz zur juristischen Verteidigung geht Anti-Repressionsarbeit auch weg von der individuellen Ebene. Was bedeutet dies für die Soligruppe? Sollte sie zum Beispiel „mit offenen Karten“ spielen und Inhaftierten sagen, dass sie will, dass diese ohne Geständnis daraus kommen?

Eine offensive Strategie gegen Repression zu wählen, darf nicht bedeuten, von außen Inhaftierte moralisch unter Druck zu setzen, in dem wir ihnen sagen, dass ein bestimmtes Verhalten „unpolitisch“ wäre – so lange sie sich nicht distanzieren oder andere Personen belasten. Wir wollen nicht, dass der Eindruck entsteht, dass durch das Eingehen eines Deals die solidarische Unterstützung ausbleiben könnte. Wir fordern kein heldenhaftes Verhalten. Es ist legitim, sich für einen Deal zu entscheiden. Wichtig ist es jedoch, diesen juristisch und politisch abzuwägen.

Was können die Folgen individueller Deals sein? Wir sollten Strategien im Umgang mit Repression ständig zur Diskussion stellen. Wir haben es mit einer Qualität von Repression zu tun, bei der schon ein Zucken während einer Festnahme eine Anzeige wegen Widerstand zur Folge haben kann und so die Anzahl der Leute, denen Strafbefehle zugeschickt und Verhandlungstermine gesetzt werden, stetig wächst. In Strafverfahren ohne Knast als Druckmittel werden oft Deals eingegangen, zum Beispiel wenn der Strafbefehl akzeptiert und das Geld eingezahlt wird. Auch hier müssen wir uns die grundsätzliche Frage stellen, wie weit wir uns auf unsere Feindbilder Justiz und Staatsanwaltschaft einlassen. Werden, wie am 9.7., massenhaft Leute festgenommen ist es wichtig kollektive Handlungsstrategien zu entwickeln. So kann die systematische Individualisierung überwunden und eine gemeinsame Stärke erreicht werden, die als Druckmittel dienen kann.

Klar sollte sein, dass Deals nie etwas Erstrebenswertes sein können. Denn ein Deal bedeutet auch, sich auf die Justiz einzulassen, was immer eine Gratwanderung ist, vor allem wenn der Prozess eine politische Dimension besitzt. Die Akte kann geschlossen und eine hohe Strafe verhängt werden, ohne dass die Verteidigung diese erneut anfechten wird. Der staatliche Verfolgungswahn wird dadurch legitimiert, jeder Deal kann die Justiz dazu einladen, zukünftig schneller Haft- oder Strafbefehle zu erlassen. Ökonomisch ist es ein Gewinn für die Justiz, da eine lange Beweisaufnahme und mehrere Prozesstage erspart bleiben. Auf der ökonomischen Basis ist es also auch möglich, Druck zu erzeugen und die kapitalistischen Zwänge anzugreifen. Die Taktik einen Prozess mit vielen Beweisanträgen in die Länge zu ziehen, ist ein Beispiel dafür, bedeutet aber gleichzeitig für eine Person im Knast, länger sitzen zu müssen.

Allein machen sie dich ein
Macht euch vorher Gedanken, wie ihr im Fall von gezielter Repression gegen euch damit umgehen wollt. Auf Demos sind Bezugsgruppen und eine gemeinsame An- und Abreise mit vertrauten Menschen unverzichtbar. So bekommt man mit, wenn jemand festgenommen wird und weiß dann, was zu tun ist. Am besten wurden vorher schonmal solche Situationen in der Gruppe besprochen. Geht jemand in einer chaotischen Situation verloren und taucht auch Stunden danach / am nächsten Tag nicht wieder auf, dann ruft den EA an, nehmt Kontakt mit der Roten Hilfe auf, fahrt ins Krankenhaus oder zur Bullenwache. Haltet eure Wohnungen sauber, vermeidet Spekulationen und offene Gespräche in Kneipen etc, passt auf euch und andere auf!

Lasst uns zusammenkommen
Nutzen wir die aktuelle Repression dafür, zusammenzukommen anstatt auseinanderzubrechen. Die staatliche Reaktion auf Proteste gegen Gentrifizierung und Polizeistaat ist vorhersehbar. Es ist eine Reaktion darauf, dass Nachbar*innen zu hunderten gegen Zwangsräumungen zusammenkommen und diese verhindern, Hausgemeinschaften sich gegen Mieterhöhungen wehren und nachts die Profiteure des Ausverkaufs der Stadt angegriffen werden. Je erfolgreicher wir dabei werden, Widerstand entschlossen auf allen Ebenen zu führen, desto härter werden die Herrschenden agieren und repressive Schläge sind Teil einer staatlich aggressiven Kampagne gegen uns. Dieses Jahr sind die verschiedenen stadtpolitischen Kämpfe näher zusammengerückt, haben sich aufeinander bezogen und miteinander gekämpft. Begreifen wir die Kontinuität des Widerstandes und lassen wir uns nicht einschüchtern. Kämpfen wir weiter für die Freiheit!

Soligruppe Aaron & Balu

https://linksunten.indymedia.org/node/198856

Greece: Revolutionary Struggle member Pola Roupa arrested in Attica

According to Greek  media the comrade Pola Roupa, member of Revolutionary Struggle, has been arrested at a home in the Attica region. Pola is the partner of Revolutionary Struggle member and political prisoner Nikos Maziotis and was one of the most wanted fugitives in Greece. According to media reports Pola was at the house with her young child and a 25 year old woman when police raided. The 25 year old woman was also arrested. There are unconfirmed reports that two more people may have been arrested as well. More information as it becomes available.

Solidarity with Pola Roupa and Revolutionary Struggle!

https://insurrectionnewsworldwide.com/2017/01/05/greece-revolutionary-struggle-member-pola-roupa-arrested-in-attica/

Kurdische Kämpferin gegen den IS in Dänemark inhaftiert

Von Guido Speckmann

Personalie: Joanna Palani hat in Rojava und im Irak gegen Islamisten gekämpft

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Bei ihrem ersten Kampfeinsatz in Syrien gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) wurde direkt neben ihr ein Mitkämpfer von einem Scharfschützen erschossen, weil er durch das Glimmen seiner Zigarette gut zu erkennen war. Natürlich habe sie Angst gehabt, sagt die 23-jährige Dänin Joanna Palani. Aber nicht eine Sekunde sehnte sich die Politik- und Philosophiestudentin, auf die der IS ein Kopfgeld ausgesetzt hat, nach Hause zurück. »Ich wusste, dass ich am richtigen Platz war«, sagte sie.

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Anti-IS-Kämpferin Joanna Palani droht eine Haftstrafe in Dänemark.

Ein Jahr lang war dieser Platz in Syrien und Irak. Mit der Waffe in der Hand kämpfte sie gegen die islamistische Terrormiliz, zunächst in den Reihen der PKK-nahen »Frauenverteidigungseinheiten« in Rojava, dann ein halbes Jahr in Verbänden der irakischen Peschmerga. In Interviews kann man lesen, was die Tochter iranischer Kurden, dabei erlebte: wie ihr Verband ein Dorf von der IS-Herrschaft befreite, wie ein als Sexsklavin misshandeltes Mädchen starb und dass IS-Kämpfer viel leichter zu erschießen sind als syrische Regierungssoldaten, die sie als »professionelle Tötungsmaschinen« bezeichnet.

Man sollte annehmen, dass Palani, die im Alter von drei Jahren nach Dänemark kam, von ihrem Staat mit Dank bedacht wird. Immerhin unterstützt der Westen die Peschmerga mit Waffenlieferungen in ihrem Kampf gegen die Islamisten. Weit gefehlt! Sie sitzt in Kopenhagen in Untersuchungshaft. Gesetzliche Grundlage ist ausgerechnet ein Anti-IS-Gesetz, das Sympathisanten an der Ausreise hindern soll.

Als sie im September 2015 Fronturlaub bekam und nach Dänemark zurückkehrte, um ihre Familie zu sehen, erhielt sie von der Polizei die Mitteilung, dass sie zwölf Monate nicht ausreisen dürfe. Palani, die derweil notgedrungen ihr Studium fortgesetzt hatte, gab vor kurzem zu, im Juni dieses Jahres gegen das Ausreiseverbot verstoßen zu haben. Daraufhin wurde sie in Untersuchungshaft genommen. Nun wartet sie im Gefängnis auf ihren Gerichtstermin. Es drohen bis zu zwei Jahre Haft.

 

Quelle:

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1036811.kurdische-kaempferin-gegen-den-is-in-daenemark-inhaftiert.html

Repressionen gegen Internationalisten

Ausländer, die gegen den »Islamischen Staat« kämpfen, sind von juristischer Verfolgung bedroht

Von Kevin Hoffmann, Istanbul

 

Wer sich entscheidet, als Internationalist nach Rojava (so werden die de facto autonomen Kantone im Norden Syriens von der kurdischen Bewegung genannt) zu gehen, um gegen den »Islamischen Staat« (IS) zu kämpfen, geht ein hohes Risiko ein. Man setzt sich dabei nicht nur der Gefahr durch Angriffe islamistischer Banden und türkischer Truppen aus. Auch Soldaten der syrischen Regierung liefern sich mitunter Auseinandersetzungen mit dem aus den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und anderen Kräften gebildeten Militärbündnis »Syrische Demokratischen Kräfte« (SDF).

Außerdem geht die kurdische Regionalregierung unter Masud Barsani im Nordirak, die in Gegnerschaft zu den kurdischen Kräften in Syrien steht, mit allerlei Schikanen gegen die Internationalisten vor. Als Vorwand dienen vor allem abgelaufene Visa oder »irreguläre« Grenzübertritte von Syrien in den Irak. Nachrichtenportale wie Hawar News Agency (ANHA) berichten von zahlreichen Festnahmen durch die Sicherheitskräfte Barsanis. Erst am 29. November wurde der 25jährige Kanadier Patrick Ryan Kasprik festgenommen. Am 4. Dezember berichtete die Zeitung National Post von einem weiteren Kanadier, Kay Kennedy, der im Irak festgesetzt worden war. Zwar sind beide – wie auch die anderen 2015 und 2016 festgehaltenen Internationalisten – nach einigen Tagen oder Wochen wieder freigelassen worden, ihre Stigmatisierung als angebliche Verbrecher bleibt jedoch bestehen.

Bereits am 6. August 2015 hatte ANHA berichtet, dass einige Ausländer in eine Zelle mit IS-Kämpfern gesperrt worden seien. »Ich bin mir sicher, dass die KRG (die kurdische Regionalregierung im Nordirak; jW) das absichtlich tut, um die YPG und vor allem die Ausländer zu schikanieren. Sie tun es wohl, um der Türkei zu gefallen«, wird Kennedy nach seiner Freilassung in einem Beitrag der Zeitung Vancouver Sunvom 6. Dezember zitiert.

Auch in Europa werden Internationalisten verfolgt: Die wohl heftigste Repression traf am 27. Januar 2016 die spanische kommunistische Organisa­tion »Partido Marxista Leninista (Reconstrucción Comunista)« Neun ihrer Mitglieder wurden an jenem Tag verhaftet. Zwei Tage später ordnete der Staatsgerichtshof die »Aussetzung« der politischen Tätigkeit der Gruppe für ein Jahr an. Damit ist sie de facto vorläufig verboten. Zuvor hatten sich zwei Mitglieder am Kampf gegen den IS und dem Aufbau eines Internationalen Freiheitsbataillons (IFB) in Rojava beteiligt. Nach mehreren Wochen Untersuchungshaft mussten sie wieder freigelassen werden. Der Beginn des Prozesses gegen sie wird laut der spanischen Solidaritätsgruppe »Plataforma de Detenidos del 27E« für nächstes Jahr erwartet.

In Dänemark ist die 23jährige Joanna Palani zur Zeit für ihr Engagement in Haft. Laut eines Onlineartikels der britischen Zeitung Daily Mailvom 13. Dezember reiste Palani 2014 nach Rojava. Dort kämpfte sie zunächst in den Reihen der YPG und schloss sich danach Kämpfern im Nordirak an. Als sie 2015 zurück nach Dänemark reiste, wurde ihr Pass vom dänischen Geheimdienst PET beschlagnahmt. Im September 2015 wurde ihr schließlich verboten, für den Zeitraum von einem Jahr das Land zu verlassen. Wegen eines Verstoßes dagegen muss sie nun eine sechsmonatige Haftstrafe absitzen, so Daily Mail.

Verfahren gegen deutsche Internationalisten sind bisher noch nicht bekannt. »Als Revolutionäre sind wir nicht überrascht, dass die Regierungen diejenigen unterdrücken, die an der antikapitalistischen Revolution in Rojava teilnehmen, wenn sie zurückgehen.«, erklärt Heval Dersim, eine aus England stammende Kämpferin des IFB, im Gespräch mit jW. Man habe Vorsichtsmaßnahmen gegen mögliche Repressionen getroffen, so Dersim weiter. Sie ist sich sicher: »Wir werden immer in der Lage sein, dorthin auf der Welt zu reisen, wo der Kampf für eine gerechte und gleichberechtigte Gesellschaft uns hinführt.«

https://www.jungewelt.de/m/artikel/299307.repressionen-gegen-internationalisten.html