Einmal mehr holt die staatliche Repression zum Schlag aus gegen Hausbesetzer*innen, gegen selbstorganisierte Freiräume. Diesmal zielt der Schlag gegen eine Einzelperson, nennen wir ihn T.
In einem Haus, das 2014 über zwei Monate hinweg besetzt war, haben die Bullen Fingerabdrücke auf der Klospüle entdeckt. Fingerabdrücke, die sie schon fichiert hatten und die T. gehören sollen. Der Hausbesitzer hatte damals Anklage eingereicht und deswegen muss sich T. nun am 7. Januar vor dem Bezirksgericht in Zürich verantworten – wegen Bewährungs- und Hausfriedensbruch. Der zuständige Staatsanwalt Edwin Lüscher fordert dafür 100 Tage unbedingt Knast.
Das hoch angesetzte Strafmass soll uns abschrecken, einschüchtern, resignieren lassen. Es ist ein neuartiger Versuch der Justiz, dass nur Fingerabdrücke in einem über mehrere Monate besetzten Gebäude einen Hausfriedensbruch nachweisen sollen. Wenn das zur Regel wird, wenn jeder Fingerabdruck auf einer Spüle vor Gericht einem Hausfriedensbruch gleichkommt, dann sieht es tatsächlich ganz schön düster für uns aus.
Zur Erinnerung: Lüscher war es, der schon beim Prozess gegen einen der angeblichen Labitzke-Besetzer sechs Monate unbedingt Knast forderte. Lüscher war es, der nach „Reclaim the Streets“ am 13. Dezember 2014 Kopfgeld auf die Teilnehmer*innen ausgesetzt hatte. Lüscher ist ein „Hooliganfresser“. Kurz: Lüscher ist nicht nur kein netter Mensch, sondern führt einen regelrechten Kreuzzug gegen Demonstrant*innen, Ultras und Zürichs Squatter-Szene. Am liebsten sähe er uns wohl alle gern hinter Gittern.
Und damit ist Lüscher nicht der Einzige. Denn zu diesem Schlag holt er nicht alleine aus: Hinter der Justiz steht die Politik. Und die Politik, das sind nicht nur die reaktionären rechten Säcke, das ist genauso die parlamentarische Linke. Sie unterhält dieses autoritäre, hierarchische und repressive System genauso. Auch mit ihren reformistischen Verbesserungsvorschlägen legitimiert sie im Endeffekt nur die herrschenden Strukturen. Die Stadt Zürich wird rotgrün regiert, die Sozialdemokraten sind die am stärksten im Stadtrat vertretene Partei, zusammen mit den Grünen und der Alternativen Liste (AL) stellen diese sogenannten Linken die Mehrheit in der Stadtregierung. Sie müssten nicht, wenn sie nicht wollten. Aber sie wollen es eben auch. Sie schliessen sich gerne Lüschers Kreuzzug an, ebnen ihm den Weg. Die Räumung des Labitzke-Areals verantwortet schlussendlich der Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL). Der Wolff, der jahrelang in der Roten Fabrik aktiv war, lässt heute nicht-institutionalisierte Freiräume mit Polizeigewalt schliessen. Der Wolff, der in den achtziger Jahre noch selbst demonstrierte, lässt uns heute auf der Strasse mit Tränengas und Gummischrott beschiessen.
Der eine lässt verhaften, der andere führt den Prozess, hinter Edwin steht also Richi. Und hinter dieser Politik steht das verdammte Kapital. Das Eigentumsrecht im Zivilgesetzbuch sichert den Status quo – damit die Reichen reich und die Armen arm bleiben. Damit die, die mehr Häuser besitzen, als sie darin leben können, fähig sind andere hinter Gitter zu bringen. Andere, die keine Häuser haben, weil sie keine reichen Eltern hatten und keine 200 Franken die Stunde verdienen. Es ist das Dilemma des herrschenden Systems: Der Kapitalismus zwingt uns unsere Arbeitskraft zu verkaufen, damit wir ein Dach über dem Kopf haben. Aber die Lohnarbeit frisst verdammt viel von unserer Zeit. Wer sich dem verweigert und sein Leben selbst in die Hand nimmt, weil die 08/15-Konformität so unterdrückerisch und langweilig ist, kriegt ziemlich bald die staatlich-autoritäre Gewalt zu spüren.
Beim hoch angesetzten Strafmass geht es uns aber nicht um die Frage der Verhältnismässigkeit. Es gibt keine verhältnismässige Strafe. Es geht nicht um die Frage, was legal ist und was nicht, denn das definiert sowieso stets der Staat. Es geht darum, dass Häuser wie das Labitzke-Areal auf Vorrat abgerissen werden. Darum, dass reiche Investoren mit den leerstehenden Häusern herumspekulieren. Darum, dass Eigentum Diebstahl ist. Darum, dass die Stadtaufwertung immer mehr Leute aus der Stadt vertreibt. Zürich ist ein Sinnbild für Gentrifizierung, es ist mittlerweile die teuerste Stadt Europas und die dritt teuerste weltweit.
Kapitalismus, die daraus resultierende soziale Ungleichheit, die Ausbeutung und die autoritären Strukturen kennen keine Verhältnismässigkeit. Und dagegen zu kämpfen, ist eine Notwendigkeit (und ein leerstehendes Haus zu besetzen, ist immerhin ein kleiner Schritt in Richtung Enteignung). Aber dieses Kämpfen versucht die staatliche Gewalt mit repressiver Bestrafung klein zu kriegen.
Es kann sein, dass den gemütlichen Squatter-Jahren nun weniger gemütliche folgen. T.s Prozess ist nicht das einzige Anzeichen: Die Bullen räumen häufiger gleich mal spontan zu Beginn einer Besetzung – ob mit SiDi (Sicherheitsdienst) wie Ende August an der Dorfstrasse oder ohne wie an der Badenerstrasse. Sie führen öfters präventiv Personenkontrollen durch, wie bei der Besetzung in Altstetten im November. ED-Behandlung (Fingerabdrücke und DNA-Abnahme) wird häufiger angeordnet. Wie es scheint, sollten wir uns also nicht auf das städtische Merkblatt für Räumungsgründe verlassen. Die SVP Zürich plant eine Initiative gegen Hausbesetzer*innen. Der Staatsapparat ist mehr als ready.
Aber lassen wir uns nicht klein kriegen: Bilden wir Banden, passen wir aufeinander auf und kämpfen wir – auch wenn das heisst, von nun an sogar auf dem Klo Handschuhe zu tragen.
Quelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/01/96484.shtml