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Lehnen wir jegliche Neutralität ab – Bekennen wir uns zum Internationalismus

Wir solidarisieren uns mit dem Internationalisten der Secours Rouge de Genève der am Freitag vor dem Militärgericht in Sion erscheinen muss. Ihm wird vorgeworfen sich an der Revolution in Rojava beteiligt zu haben. Dieser Angriff gegen unseren Genossen ist ein Angriff auf den proletarischen Internationalismus. Angesichts der Klassenjustiz, angesichts der Angriffe der Herrschenden auf die Kämpfe um Befreiung überall auf der Welt, gibt es keine Neutralität. So ist unsere Antwort eine parteiische: Für den Internationalismus und gegen den Imperialismus! Für die Revolution und gegen die Barbarei des Kapitals! Für die Solidarität und gegen die Repression!

Nous sommes solidaires avec l’internationaliste du Secours Rouge Genève qui doit comparaître vendredi devant la justice militaire au tribunal cantonal de Sion. Il est accusé d’avoir participé à la révolution au Rojava. Cette attaque contre notre camarade est une attaque contre l’internationalisme prolétarien. Face à la justice de classe, face aux attaques de la classe dominante contre les luttes pour la libération partout dans le monde, il n’y a pas de neutralité possible. Notre réponse est donc partiale : pour l’internationalisme et contre l’impérialisme! Pour la révolution et contre la barbarie du capital! Pour la solidarité et contre la répression!

Nekane: Liebe Solidarische, Freund*innen und Compañerxs

An einem 24. November, im Jahr 1999, kam ich aus dem spanischen Gefängnis Soto del Real frei. 20 Jahre später, am gleichen Datum, könnte ich wieder in einem Schweizer Knast sein…

Am Montag 18. November wurde bestätigt, dass ein Auslieferungsantrag schon in Bern auf dem Tisch liegt. Der Stempel ist der gleiche wie 2016: der spanische Folterstaat. Die Vorwürfe, die keine konkreten Taten beinhalten, basieren auf den Folteraussagen, die ich während der 5 Tage Incomunicado Haft in Madrid gemacht habe. Die politische Verfolgung wegen meiner Ideen geht weiter, die Jagd auf mich ist eröffnet… Die Folterer haben damals meinen Frauenkörper als Kriegsfeld benutzt und jetzt werde ich verfolgt, weil ich gegen die sexistische Folter kämpfe, die ich überlebt habe! Ich soll wegen dem Kampf gegen die staatliche und patriarchale Gewalt verhaftet werden…

In 20 Jahren haben Regierungen, Präsidenten und Minister gewechselt. Aber der ganze repressive Apparat bleibt und die das Sondergericht Audiencia Nacional ist die Speerspitze dieser Repression. Auch das sexistische System und die patriarchale Justiz wollen mich peinigen…
Schauen wir, auf welcher Seite die «neutralen» Schweizer Behörden sich positionieren, weil man ist für die Folter oder dagegen.

Ihr seid schon auf meiner/unserer Seite und das gibt uns Kraft, weiter Widerstand zu leisten und für unsere Befreiung zu kämpfen!!!!

Feministische und kämpferische Grüsse
Nekane

Liebe Solidarische, Freund*innen und Compañerxs

Bericht zur G20-Fahndung in der Schweiz

Neun Monate nach dem G20-Gipfel in Hamburg 2017 schlug die Polizei gleichzeitig an drei verschiedenen Orten in der Schweiz zu: Am 29. Mai 2018, um 6 Uhr morgens, wurde eine zur Fahndung ausgeschriebene Person in der Nähe von Winterthur verhaftet und vorübergehend festgenommen. An zwei weiteren Orten gab es zeitgleich Razzien, wobei diverse Speichermedien, Telefone und andere Gegenstände beschlagnahmt wurden. Doch wie ist diese ganze Operation namens «Alster» eigentlich abgelaufen?

Wir hatten Einblick in einen Teil der Akten von der Kantonspolizei Aargau und uns entschieden Informationen daraus zu veröffentlichen – um das Ausmass der polizeilichen Überwachung aufzuzeigen, um Informationen zu teilen, wie seitens der Repressionsbehörden in solchen Fällen gearbeitet wird, und um zukünftigen Observationen etwas entgegen zu halten. Doch wie schon erwähnt – wir gehen davon aus, dass wir lediglich einen Bruchteil der Akten sichten konnten.

Die Operation Alster

Im Dezember 2017 veröffentlichten die Hamburger Ermittlungsbehörden Fahndungsfotos von Personen, denen sie vorwerfen sich an den Protesten gegen den G20-Gipfel beteiligt zu haben – und baten diverse europäische Staaten um Mithilfe bei der Identifizierung der gesuchten Personen.

Die Kantonspolizei Aargau reagierte im Januar 2018 auf diese Anfrage, man habe scheinbar einen Treffer bezüglich der Fahndung. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg am 16. März 2018 ein Rechtshilfegesuch. Sie bat darin das Schweizer Bundesamt für Justiz um Unterstützung beim sogenannten «Tatkomplex Elbchaussee». Das Rechtshilfegesuch stützt sich auf Gesetzesartikel zum Tatvorwurf – schwerer Landfriedensbruch in Tateinheit mit Brandstiftung.

Im Rechtshilfegesuch forderte die Hamburger Staatsanwaltschaft folgende Überwachungsmassnahmen an:

  • TKÜ-Beschluss: Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation, Telefonnummer inklusive Internetanschluss
  • Auswertung der Verkehrsdaten des Handys über den Zeitraum der letzten sechs Monate
  • IMSI-Catcher für die Ermittlung der Mobilfunknummern, der Sim-Karte, sowie den Standort des Handys
  • Observation der beschuldigten Person, wobei explizit um die Erlaubnis gebeten wurde, dabei GPS-Sender benutzen zu dürfen. Die Observationserkenntnisse sollten zudem mit Lichtbildern (Fotos), Personen- und Fahrzeugdaten dokumentiert werden.
  • Hausdurchsuchung. Darunter: Wohnräume, Neben- und Betriebsräume und Auto
  • Nach den erfolgten Massnahmen soll die beschuldigte Person zum Tatvorwurf befragt werden. Ein «geeigneter Fragekatalog kann zur gegebenen Zeit übersandt werden», schreibt die Staatsanwaltschaft Hamburg.

Die Überwachung wurde für ein bisschen mehr als zwei Monate angelegt. Ausser die Auswertung der Mobilfunkdaten, die nach Schweizer Gesetz ohnehin sechs Monate rückwirkend gespeichert werden.

Der bürokratische Salat

Fünf Tage später, am 21. März, prüfte die Staatsanwaltschaft (StaWa) Aargau das Gesuch und erachtet es als zulässig. Die Argumentation: Aufgrund der «besonders schweren» Vorwürfe und weil Brandstiftung auch in der Schweiz strafbar sei, würden die Überwachungsmassnahmen angeordnet und durchgeführt. Somit musste das Rechtshilfegesuch nur noch vom Aargauer Zwangsmassnahmengericht (ZMG) bewilligt werden.

Doch das ZMG lehnte am 10. April 2018 das Gesuch in erster Instanz ab. «Der dringende Tatverdacht hat sich bis an hin weder bestätigt noch erhärtet», schreibt das ZMG. Die Aargauer Staatsanwaltschaft müsse genauer begründen, warum die angeforderten Überwachungsmassnahmen nötig seien. In Bezug auf die rückwirkenden Handydaten schreibt das ZMG etwa, dass die Vorratsdatenspeicherung ja lediglich sechs Monate dauere und eine Auswertung somit erst drei Monate nach der «tatrelevanten Zeit» beginnen würde. Den vorgeworfenen Tatzeitpunkt habe man also ohnehin verpasst.

Die Staatsanwaltschaft antwortet noch am selben Tag mit dem gleichen Gesuch – mit dem Hinweis, dass die Ermittlungen anderer Länder nicht in Frage gestellt werden sollten. Neun Tage nachdem das erste Gesuch abgelehnt worden war, segnete das Zwangsmassnahmengericht die gewünschten Massnahmen dann auch ab.

Damit begannen die Ermittlungen der Operation «Alster». Jedoch erst stockend: Die Auswertung der Mobilfunkdaten – sechs Monate rückwirkend – gab keine Aufschlüsse bezüglich dem Tatvorwurf, der sich Anfang Juli 2017 ereignet haben soll. Auch die Handynummer, die auf die beschuldigte Person registriert ist, gab wenig Aufschluss, da sie wohl schon seit Längerem nicht mehr in Betrieb war. Trotzdem werden sämtlich Anrufversuche polizeilich ausgewertet.

Um die aktuelle Handynummer der beschuldigen Person ausfindig zu machen, ermittelte die Kripo Aargau daraufhin anhand der Fahrzeugversicherung der beschuldigten Person weiter. Die Versicherungsgesellschaft (Die Mobiliar) händigte der Polizei umgehend die Telefonnummer aus, die beim Abschluss der Versicherung angegeben worden ist – und weist zusätzlich noch explizit auf eine Panne des Fahrzeuges hin. Der Pannendienst bestätigte schliesslich dieselbe Nummer wie diejenige, die die Versicherung angegeben hatte. Diese Nummer ist auf eine vermeidlich nicht existierende Person an einer nicht existierenden Adresse registriert.

Echtzeitüberwachung der beschuldigten Person

Die Spezialfahndungseinheit der KriPo Aargau ordnete Mitte Mai – also rund zwei Wochen vor den europaweiten Razzien – eine Observation der beschuldigten Person sowie eine Mobiltelefonüberwachung in Echtzeit bei der StaWa Aargau an.

Aus den Akten ist ersichtlich, dass an mindestens zwei Tagen eine personelle Observation erfolgte, wobei unter anderem die Handynummer mittels IMSI-Catcher bestätigt wurde. Dabei wurde die Person während einer längeren Reise mit dem öffentlichen Verkehr über mehrere Stunden hinweg beschattet und fotografiert. Zudem wurden alle Personen, die in aktivem Kontakt mit der Person standen, namentlich dokumentiert. Nachdem die Mobiltelefonnummer auf diesem Weg abermals verifiziert worden war, fanden die Observationen nur noch punktuell statt.

Die Handydaten der ermittelten Nummer wurden ebenfalls rückwirkend auf sechs Monate ausgewertet. Bei der Echtzeitüberwachung wurden sämtliche Telefongespräche sowie SMS Wort für Wort aufgezeichnet. «Hey check mal deine Mail», dieser Inhalt eines Anruf, den die beschuldigte Person am 23. Mai erhielt, löste bei der StaWa Aargau eine dringende Anfrage bei «Microsoft» aus. Der E-Mail-Anbieter soll sofort die Registrierungs- und Verbindungsdaten vom 1.April 2018 bis 23.Mai 2018 herausgeben. Mit der Anmerkung: «Bitte stellen Sie sicher, dass der Account-Inhaber nicht über diese Massnahme in Kenntniss gesetzt wird.»

Reizpunkte setzen

Mehr als neun Monate nach dem vermeintlichen Tatzeitpunkt forderte also die StaWa Hamburg die Kommunikationsdaten vom Mobilfunktelefon an – rückwirkend auf sechs Monate. Doch was wollten sie daraus ermitteln? Der Fokus der Ermittlungen lag dabei wohl auf den von der StaWa Hamburg gesetzten Reizpunkte. Ein erster solcher Reizpunkt war der G20-Onlinepranger im Dezember 2017. Menschen, die an diesem Tag die Nummer der beschuldigte Person angerufen hatten, wurden markiert und in einem weiteren Schritt überprüft. Bei registrierten Anrufer*innen wurden alle bestehenden Daten vom Strafregisterauszug, den Datenbanken «Polaris», «Janus»und «KIS», sowie Facebook und Google gesammelt. Was damit weiter geschah, ist den Akten nicht zu entnehmen.

Ein zweiter Reizpunkt wurde Mitte Mai – rund zwei Wochen vor den Hausdurchsuchungen – gesetzt, als die Observation bereits in vollem Gange war. Als Reizpunkt galt diesmal die Entfernung eines Fahndungsfotos auf dem G20-Onlinepranger, um zu sehen, wie die observierte Person darauf reagiert, mit wem sie Kontakt aufnimmt oder ob andere Auffälligkeiten registriert werden können. Auch hier geht aus den Akten nichts weiter hervor.

Europaweiter Zugriff

Am 29. Mai erfolgte daraufhin in mehreren Ländern gleichzeitig ein Zugriff auf mehrere beschuldigte Personen im «Tatkomplex Elbchaussee». In der Schweiz wurde das Zuhause der beschuldigten Person von der Aargauer Spezialeinheit «Argus» gestürmt. Alle anwesenden Personen wurden aus dem Bett geholt, mit Waffen bedroht und über mehrere Stunden in Handschellen und mit Augenbinden festgehalten. Auch das Kulturzentrum KuZeB in Bremgarten wurde gerazzt, Türen wurden aufgebrochen und Sachen beschlagnahmt. Alleine im Aargau waren an die 120 Bullen an den Razzien beteiligt – inklusive einer mobiler Einsatzzentrale vor Ort.

Der Fokus der Hausdurchsuchung:

  • Tatkleidung des Beschuldigten (zum Abgleich mit Videoaufnahmen vom Tatgeschehen)
  • Mobiltelefone
  • Tablet
  • Computer und weitere Speichermedien, auf denen allfällige Videoaufzeichnungen, Fotos vom Tatgeschehen gespeichert sein könnten, die zur Ermittlung von Mittäter*innen, Tatbeteiligten, Hinterleuten führen könnten
  • Schriftstücke
  • Zufallsfunde

Die gesuchte Person wurde jedoch weder im Kulturzentrum noch am Wohnort aufgegriffen, da sie sich zu diesem Zeitpunkt an einem anderen Ort im Kanton Zürich aufhielt. Es ist aber davon auszugehen, dass dies den Ermittlungsbehörden bereits im Vorfeld bekannt war, denn der Zugriff am Aufenthaltsort in der Nähe von Winterthur fand exakt zeitgleich wie die Razzien an den beiden anderen Orten statt.

Zuständig war dort die KaPo Zürich. Zahlreiche Bullen, alle in zivil, umstellten die Liegenschaft. Anwesende Personen wurden aus dem Bett gerissen und mussten ihren Personalausweis vorweisen. Hierbei landen sie drei weitere Zufallstreffer und verhaften zwei in der Schweiz zur Fahndung ausgeschriebene Personen und eine sich in der Schweiz illegal befindende Person.

Die bei der Aktion Alster gesuchte Person wurde jedoch nicht im Haus aufgegriffen, sondern kurz darauf aus einem in der Nähe geparkten Fahrzeug verhaftet. Da sich auch noch ein Hund im Fahrzeug befand, musste zuerst ein von Kopf bis Fuss dick gepolsterter Spezialbulle zum Einsatz kommen. Die vier verhafteten Personen wurden in zivilen Bullenautos abtransportiert und die von der StaWa Hamburg gesuchte Person wurde an der Kantonsgrenze der KaPo Aargau übergeben.

Die beschuldigte Person wurde zuerst zum Wohnort gebracht, wo unter anderem bereits zwei Bullen von der Hamburger Sonderkommission «Schwarzer Block» warteten. Der Person wurden die dort beschlagnahmten Gegenstände vorgezeigt. Anschliessend wurde sie auf dem Polizeiposten von einer Aargauer Staatsanwältin befragt – in Vertretung für die Hamburger Staatsanwaltschaft und gemäss dem von Hamburg erstellten Fragebogen.

Bereits nach der zweiten Frage wurde die Befragung jedoch abgebrochen, da die beschuldigte Person jegliche Aussage verweigerte. Da in der Schweiz kein Strafverfahren gegen die Person läuft und die Behörden keine Schweizer Staatsbürger*innen ausliefert, wurde die beschuldigte Person trotz deutschem Haftbefehl wieder laufen gelassen.

Es ist davon auszugehen, dass vermutlich nach wie vor ein europaweiter, wenn nicht internationaler Haftbefehl besteht – wir wünschen der beschuldigten Person ganz viel Kraft und Solidarität!

Quelle: https://barrikade.info/article/2491

P.S.

Weiterführende Links und Infos:
- «United We Stand»: Informationen rund um die G20-Prozesse https://unitedwestand.blackblogs.org/

Artikel zu den Razzien Ende Mai 2018
- https://barrikade.info/article/1148
- https://barrikade.info/article/1151
- https://barrikade.info/article/1147

Die politische Verfolgung von Nekane Txapartegi geht weiter

Spanischer Staat droht mit neuem Auslieferungsantrag

Eineinhalb Jahre nach ihrer Freilassung drohen die spanischen Behörden mit einem neuen Haftbefehl gegen Nekane Txapartegi. Dabei hatten das Bundesgericht und das Bundesverwaltungsgericht als glaubhaft erachtet, dass die baskische Journalistin im spanischen Staat gefoltert wurde. Trotzdem blieb es den Schweizer Behörden bisher erspart, zu den Foltervorwürfen Stellung zu nehmen. Am Mittwoch, den 22. Mai 2019, war Nekane Txapartegi bei der Bundesanwaltschaft in Bern vorgeladen, um per Videokonferenz durch das spanische Sondergericht Audiencia Nacional befragt zu werden. Die Anschuldigungen gegen Nekane Txapartegi basieren erneut auf einem unter Folter erzwungenen Geständnis von 1999; dies war bereits beim Rechtshilfegesuch im Jahr 2016 der Fall. Nekane Txapartegi ging in Begleitung ihrer AnwältInnen und zweihundert solidarischer Menschen zur Bundestaatsanwaltschaft. Sie wies die Schweizer Behörden darauf hin, dass sich das Rechtshilfegesuch der Audiencia Nacional ausdrücklich auf den Inhalt des unter Folter abgegebenen Geständnisses bezieht. Da der spanische Antrag völkerrechtswidrig und daher nach Schweizer Recht unzulässig ist, lehnte Nekane Txapartegi die Anhörung per Videokonferenz ab. Die spanischen Behörden kündigten an, einen Haftbefehl zu erlassen und die Schweiz mit einem neuen Auslieferungsgesuch zu konfrontieren.

Folter im spanischen Staat, Haft in Zürich
1999 wurde Nekane Txapartegi, damals Stadträtin von Asteasu, durch die Guardia Civil festgenommen und während 5 Tagen schwer gefoltert und vergewaltigt. Nekane Txapartegi wurde unter Folter gezwungen, ein vorgefertigtes Geständnis zu unterzeichnen. Aufgrund dieses Geständnisses verurteilten sie die spanischen Behörden im Jahr 2007 zu 11 Jahren Haft. Nekane Txapartegi flüchtete vor drohender weiterer Folter und Verhaftung. Seit mehreren Jahren lebt sie mit ihrer Tochter in der Schweiz. Im Frühling 2016 wurde sie aufgrund eines Auslieferungsantrages durch den spanischen Staat in Zürich inhaftiert. Mit ihren Anwälten rekurrierte sie gegen die Auslieferung und stellte zugleich einen Asylantrag an die Schweiz. Nach 17 Monaten Haft kam Nekane Txapartegi 2017 frei, da die spanischen Behörden das Auslieferungsbegehren zurückgezogen haben. Dies weil das spanische Gericht die ursprüngliche Haftstrafe reduziert hatte und die Haftstrafe deshalb verjährt war.

Bundesgericht: Folter ist «glaubhaft»
Aufgrund der Reduktion der Haftstrafe musste die Schweiz letztlich keine Stellung zum Foltervorwurf beziehen. Die beiden obersten Gerichte der Schweiz sprachen jedoch eine unmissverständliche Ermahnung zum Thema Folter aus. So stufte das Bundesgericht die Foltervorwürfe am 31. Oktober 2017 als «glaubhaft» ein. Und auch das Bundesverwaltungsgericht kam in seinem Urteil anlässlich der Asylbeschwerde von Nekane Txapartegi am 27. November 2017 zum Schluss, dass ihre Verletzungen in Haft stetig zunahmen und es «angesichts der damaligen Umstände durchaus möglich ist, dass die Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Tres Cantos der Guardia Civil sowie im Gefängnis Soto del Real physischen wie auch psychischen Misshandlungen ausgesetzt war.»

Bundesverwaltungsgericht rügt SEM
Damit rügte das Bundesverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM), wies das Asylgesuch jedoch nicht an dieses zurück, womit eine Neubeurteilung ausblieb. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass das spanische Gericht die verhängte Haftstrafe offiziell für verjährt erklärt habe und die Betroffene daher keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Diese Einschätzung wird durch die erneute politische Verfolgung jetzt aber in Frage gestellt.

Mai 2019: UNO bestätigt Folter erneut
Sollte der spanische Staat nun tatsächlich einen erneuten Auslieferungsantrag stellen, hätte die Schweiz einige Schwierigkeiten, diesem stattzugeben. Stattdessen wäre die Schweiz gezwungen, dieFoltervorwürfe genau zu untersuchen. Denn erst im vergangenen Jahr – am 14. Februar 2018 – hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den spanischen Staat wegen schwerer Misshandlung in Haft in zwei Fällen verurteilt. Zuvor war der spanische Staat in Strassburg schon acht Mal wegen nicht oder ungenügender Untersuchungen von Foltervorwürfen verurteilt worden. Und am 20. Mai 2019 – zwei Tage vor der erneuten Einvernahme Nekane Txapartegis – bestätigte der Menschenrechtsausschuss der UNO die Folter eines Verhafteten im Jahr 2007. Im gleichen Jahr also, in dem Nekane Txapartegi geflüchtet ist. Die erneute politische Verfolgung ist retraumatisierend. Die Schweiz ist aufgefordert, das absolute Folterverbot zu respektieren und der Überlebenden von sexualisierter Folter angemessenen Schutz zu bieten.

Freenekane Bündnis, 24.05.2019
Medienkontakt: freenekane.medien@gmail.com

Free Nekane Demo (22.5., Bern)

NEUE ZEIT FÜR DIE SOLI-AKTION AM 22. MAI

Der spanische Staat macht weiter mit der politischen Verfolgung gegen Nekane!
Das Sondergericht Audiencia Nacional hat ein neues Rechtshilfegesuch gestellt. Die Schweizer Bundesanwaltschaft zeigt sich kollaborationsbereit mit dem spanischen Folterapparat.
Deswegen zeigen wir uns stark – sexualisierte Folter ist ein Asylgrund! Keine von uns ist alleine!

Zeigen wir unsere Solidarität mit Nekane am Einvernahmezentrum.

22.5.2019 / genau 10 Uhr / Brückenstrasse 50

Eine von uns! Alle nach Bern!


(veraltet)

Sexualisierte Folter ist ein Asylgrund – keine Auslieferung an den Folterstaat Spanien

Spanien will Nekane wieder in den Knast sperren!
Setzen wir erneut ein starkes Zeichen für Nekane und für Betroffene sexualisierter Folter!
Kommt alle zur kleinen Schanze, Bern am Mittwoch 22.05. um 18h!

https://barrikade.info/article/2261

Marco Camenisch: Freilassung in den Hofgang des Kapitalismus

Im März 2017 wurde Marco Camenisch nach über 25 Jahren aus dem Knast entlassen. Wir haben uns mit ihm über Etappen seines intensiven politischen Lebens unterhalten.

Du bist in Graubünden aufgewachsen, in einem kleinbäuerlichen und kleinbürgerlichen Umfeld. Wie hast du dich in diesem Milieu politisiert?

Ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen, als der Holocaust und Auschwitz sehr präsent waren. Meine Mutter war diejenige, die in der Familie Bildung betrieben und mir die Bücher nahegebracht hat. Sie hat sehr darauf geachtet, dass keine antisemitischen Sprüche und Stammtischfloskeln geäussert wurden. Ich las bereits bevor ich zur Schule ging die Geschichten von den Partisanen und den Partisaninnen aus Italien. Der kleine feine Unterschied zwischen den Partisanen und den militärischen Verbänden der Alliierten fiel mir auf. Das selbstbestimmte Auftreten der PartisanInnen hat sehr viel mehr nach Freiheit ausgesehen, als der Stechschritt der Deutschen, Briten, Amerikaner oder Russen.

Ich war immer aufmerksam für die Dinge, die vor den eigenen Füssen passieren. In der Mittelschule in Schiers waren die Bezugspunkte die jüngeren Leute, die mit dem Schützenverein oder der Freikirche nichts am Hut hatten. Ich war damals im Internat und der Linkstrend der 68iger Zeit und der Vietnamkrieg waren prägend. Später dann für eine kurze Zeit die Publikationen der Erklärung von Bern zu den Multis und der Situation in Südafrika. Brennpunkte waren zudem die Kämpfe in El Salvador und Nicaragua, ähnlich wie heute Rojava, und die Anti-AKW-Bewegung. Eine Praxis, die über den Reformismus hinausging, gab es hier allerdings noch nicht.

Von der Beschäftigung mit den Schriften der Erklärung von Bern bis zu Aufnahme des bewaffneten Kampfes ist es ein weiter Weg.

Es war eine kurze Episode. Der klassenkämpferische Aspekt fehlte mir. Es gibt in diesen Zusammenhängen anständige Leute, aber irgendwann fangen sie an, sich mit dem Gift des Pazifismus zu belügen. Ich habe ein paar Flugis verteilt. Demonstrationen waren für mich wichtig und unersetzlich, aber für meine Bedürfnisse eher wirkungslos und reformistisches Terrain. Ich fieberte mit den Demos mit, ging aber nicht dorthin, weil ich meine Prioritäten anders setzte und weit weg auf dem Land von der Land- und Alpwirtschaft lebte. Der Gesamtwiderstand und die Solidarität mit den verschiedenen Methoden des Widerstands sind wichtig. Du musst erkennen, dass im Kampf gegen ein System, das zu allen Schandtaten und zum Genozid bereit ist, das Wichtigste fehlt, wenn es keine bewaffnete Organisierung gibt.

Wie wichtig war für dich damals die Erfahrung der RAF, der Brigate Rosse oder der Bewegung 2. Juni?

Diese Projekte waren wichtig und gehörten zur Perspektive dieser Zeit. Es war egal, ob das ehrliche kommunistische RevolutionärInnen oder AnarchistInnen waren. Man fühlte sich ihnen viel näher als anderen Kräften. Die Reaktionen im Hinterland und noch mehr in den Metropolen waren getragen von einem Ausdruck der Wut. Viele Leute waren etwas naiv und dachten, irgendwann kommt der grosse Chlapf. Dieser kommt nicht von allein. Die Wahrheit ist revolutionär. Die Gesellschaft ist im Krieg, und der bewaffnete Kampf ist ein bewusstes Mittel, um die gesellschaftliche Lähmung und die Angst zu durchbrechen. Das heisst nicht, dass man hirnrissige Sachen machen soll. Wie schon Clausewitz erkannte, ist der bewaffnete Kampf für das Kräfteverhältnis in bestimmten Phasen sehr wichtig, auch wenn es dabei zu einem gewissen Spezialistentum kommt. Wir wollten einen Kampf, den die Leute verstehen und der sie mobilisiert.

Wie war die Reaktion der Bewegung als du damals nach dem Anschlag auf die Strommasten verhaftet wurdest?

Die Reaktion war zunächst vorsichtig. Man hatte sich gefragt, was das für Leute seien. Damals gab es zum Beispiel im Südtirol eine Unabhängigkeitsbewegung, die sich von Italien lösen wollte, faschistoide Züge trug und die auch auf Strommasten losgegangen war. Die Bewegung von Chur, Zürich und Basel nahm jedoch schnell Notiz. Als die Solidaritätsbewegung reagierte, begann ich die Prinzipien der Bewegung zu übernehmen und stoppte jegliche Aussagen zu den Aktionen. Ja, und dann begann das Politgeschäft.

Nach dem Ausbruch aus dem Knast in Regensdorf hast du 10 Jahre in der Illegalität gelebt. Du hast erzählt, dass du in dieser Zeit die grösste Freiheit erlebt hast. Illegalität und Freiheit, ist das nicht ein Widerspruch?

Wenn du dich im Kampf gegen diese Gesellschaft, gegen die Sklaverei und die Unterwerfung, befindest, ist der bewaffnete Kampf der höchste Ausdruck dieses Kampfes. Das ist von der Motivation her die höchste Freiheit, ohne die Einschränkungen eines Militarismus der Herrschenden. Du musst die Leute einschätzen können, bist aber frei in den Entscheidungen der Wahl der KomplizInnen.

Geht es um die Freiheit, ausserhalb des Staates zu leben, sich dessen Zugriff zu entziehen und ungebunden gegen den Staat zu kämpfen?

Ja, du bist vogelfrei, was der Gegensatz von «abgerichtet» bedeutet. Du musst Einschränkungen in Kauf nehmen und aufmerksam sein. Wenn in einer Stadt ab 20 Uhr ein Ausgehverbot herrscht und du bei dessen Missachtung erschossen wirst, gehst du nicht hinaus. Das ist eine Einschränkung. Aber niemand diktiert dir, was und wie du etwas tust. Du suchst dir selber das Rückzugsgebiet. Wenn man «Freiheit» allerdings mit Abhängigkeiten verwechselt, die systemisch gegeben sind, dann könnte man von Einschränkungen sprechen. Du hat keinen Pass und kannst nicht einfach zum Passbüro gehen, sondern musst dir einen anderweitig beschaffen. Doch solange du den Staat angreifst, ist er der Gesuchte, nicht du. Du kämpfst gegen ihn, weil du keine Angst mehr vor ihm hast. Das hängt vor allem mit dem Bewusstseinsprozess zusammen. Je selbstverständlicher dir der Kampf mit all seinen Konsequenzen ist, um so freier bist du.

Du bist in Italien verhaftet worden und warst bis 2003 in Italien im Knast, bevor du in die Schweiz ausgeliefert worden bist. Wie hast du den Knast erlebt?

In Italien war der Knast fast ein Paradies im Vergleich zu den Verhältnissen in der Schweiz, vor allem was das Kollektiv angeht. Innerhalb der Mauern konnte man sich weitgehendst selber organisieren. Ich konnte aussergewöhnliche Leute der Brigate Rosse kennenlernen. Einige waren Kader gewesen, aber sie haben das nicht ausgespielt. Wir haben gemeinsam studiert und diskutiert, obwohl die Leute der verschiedenen Organisationen vielfach unterschiedlich waren. Das war schon fast harmonisch. Es hat Spaltungen gegeben, aber ich habe nie grössere Feindschaften erlebt. Wenn du eine solche Einschränkung solidarisch und aufmerksam im Kollektiv bewältigen kannst, hat es selbst in einem kleinen Hof Platz für alle. Das Erleben dieses Kollektivs war eine der schönsten Erfahrungen dieser Zeit. Du lernst dich selber zu behaupten, aber zuerst kam das Miteinander. In der Schweiz war das anders. In der Schweiz sind die Knäste sehr durchmischt und du musst auch mit sehr inkompatiblen Leuten, mit wenig Sinn für Kollektivität und Solidarität, zu Rande kommen.

Du hast in der Schweiz mit Leuten wie Hugo Portmann gesessen, die nicht politisch sind, aber doch ein gewisses Bewusstsein und eine Ethik haben. Gab es da Anknüpfungspunkte?

Die Zeiten mit Leuten wie Hugo waren in den Schweizer Knästen die positivsten Erfahrungen. Er verkörpert die alte Schule, die noch von den früheren Revolten schwärmt und sich im Knast solidarisch verhält. In Leuten wie ihm konntest du dich finden, was das Verhalten anbelangt: Rücksichtnahme, gegenseitige Unterstützung, den Schwächeren wenn nötig aus Schwierigkeiten helfen, und denjenigen, die meinen, sie müssten andere unterdrücken, deutlich machen, dass das so nicht geht. Das Zusammengehen mit anderen Gefangenen der alten Schule war aber oftmals beschränkt auf diese Dinge, ansonsten musste man sich gut erklären und festhalten, dass zum Beispiel Sexismus und Rassismus nicht drin liegt, weil man ansonsten nicht mehr zusammensitzen könnte. Und das funktionierte, weil: Wenn man sich im Knast streiten muss, zieht jeder den Kürzeren.

Wie hast du die Verbindung zwischen drinnen und draussen wahrgenommen?

Du überlebst im Knast nur, wenn du mit dem Kopf draussen bleibst. Der Knast ist ein lebensfeindlicher Ort. Die Praxis fehlt, das ist klar. Das gilt für die schweizerischen wie für die italienischen Verhältnisse, auch wenn das Kollektiv gegen innen eine positive Wirkung hat. Wenn Du dich abschotten lässt, deine Interessen und dein Denken nicht mehr solidarisch nach draussen kommunizierst, überlebst du nicht. Drinnen und draussen sind zwei Orte, die voneinander getrennt, aber durch die revolutionäre Solidarität eng miteinander verbunden sind.

Seit einigen Monaten bist du nicht mehr im Knast. Wie überlebt man draussen?

Während der Knastzeit verlor ich meine Gelassenheit nie. Jetzt, draussen, suche ich sie noch. Das ist ein extremer Rückschritt. Es war eine Freilassung in den Hofgang des Kapitalismus. Natürlich hast du im bewaffneten Kampf Stress, aber die Voraussetzungen im sozialen Umfeld und in den Beziehungen sind viel gesünder. So vielen Leuten geht es heute schlecht. Das zu sehen, macht mir zu schaffen. Wenn du im bewaffneten Kampf bist, dann orientierst du dich am echten Widerspruch der Gesellschaft und die reale Problemlösung steht im Vordergrund. Der Alltag hingegen ist Stress pur, weil das Unterordnungsverhältnis, das sich immer wieder reproduziert, dass du immer wieder reproduzieren musst, krank macht. Du bist nur vermeintlich frei in deinen Entscheidungen.

Aus: aufbau 90

https://aufbau.org/index.php/online-zeitung/2412-freilassung-in-den-hofgang-des-kapitalismus

Wie die Schweiz sich als spanischer Erfüllungsgehilfe lächerlich macht

Nun musste die Schweiz die baskische Journalistin Nekane Txapartegi, eines der “meistgesuchten ETA-Mitglieder” freilassen – Ein Kommentar

Bis zur letzten Minute hat sich die Schweiz im Fall der baskischen Journalistin Nekane Txapartegi wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, sondern ein für ein demokratisches Land unrühmliches Schauspiel geliefert. Das passiert halt, wenn man haltlose Vorwürfe aus Spanien nicht vernünftig prüft, die zudem auf Foltergeständnissen beruhen.

In Spanien galt die 44-Jährige noch bis vor gut einem Jahr als “meistgesuchtes ETA-Mitglied”. Es wurde gejubelt, als man im April 2016 das angeblich hochrangige Mitglied der baskischen Untergrundorganisation geschnappt hatte. Man kennt das, auch Tomas Elgorriaga sollte angeblich ein ETA-Chef gewesen sein, während er friedlich an der Freiburger Universität studierte und später dort gearbeitet hatte.

Gemeinsam ist beiden Fällen, dass sie Gemeinderäte für die linksnationalistische Partei Herri Batasuna waren und im Zusammenhang ihrer politischen Arbeit von der Guardia Civil verhaftet und schwer gefoltert wurden. Beide flohen, als ihnen eine Verurteilung drohte und sie wieder in die Hände derer fallen sollten, die sie schwer gefoltert hatten. Elgorriaga floh nach Freiburg, Txapartegi nach Zürich, wo sie fast neun Jahre lebte. In ihrem Fall kamen zur bestialischen Folter auch noch sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung durch die hinzu, die sich in Spanien “Sicherheitskräfte” nennen.

Ihren Gang durch die Hölle hat mir die Journalistin einst in einem verstörenden Interview erzählt. Die unschönen Details von Erstickungsmethoden, Elektroschocks, Schlägen, Scheinhinrichtungen, Einführen von Pistolenläufen in alle Körperöffnungen und die Drohung, auch Freunde und die Familie zu verhaften und zu foltern, erspare ich den Lesern. Sie sind ohnehin ungeeignet, um das von Folteropfern Erlebte auch nur ansatzweise nachzuvollziehen. Nekane und ich arbeiteten einst in einer baskischen Recherchezeitschrift, die ebenfalls mit fadenscheinigen Begründungen verboten worden, weil auch hinter ihr angeblich die ETA stehen sollte.

Das war auch das Schicksal von zwei baskischen Tageszeitungen und einem Radio. Aber in allen Fällen haben sogar spanische Gerichte nach Jahren geurteilt – die Medien waren längst zerstört -, dass es für die harten Anschuldigungen keine Beweise gab, die auch von deutschen Kollegen gegen den Autor dieser Zeilen erhoben wurden und dramatische Folgen auch für mich hätten haben können.

Die vorläufige Schließung der “Euskaldunon Egunkaria”, die einst einzige “Baskische Tageszeitung” komplett in der baskischen Sprache Euskera verfasst, “ist von der Verfassung nicht gedeckt und entbehrt einer speziellen Rechtsnorm die sie autorisieren könnte”, urteilte der Nationale Gerichtshof. Die Egunkaria-Journalisten wurden freigesprochen, obwohl sie unter der Folter sogar Geständnisse abgelegt hatten. Das Gericht schenkte denen erstmals keinen Glauben. Dafür wurde Spanien vom Straßburger Menschenrechtsgerichtshof verurteilt, allerdings zu einer lächerlichen Strafzahlung von 25.000 Euro. “Es ist billig in Spanien zu foltern”, erklärte der gefolterte Egunkaria-Direktor Martxelo Otamendi.

An den Folter-Darstellungen von Nekane Txapartegi hatte ich nie auch nur den geringsten Zweifel. Dass sie unversehrt verhaftet, aber völlig zerstört nach zehn Tagen im Knast abgeliefert wurde, stellte sogar der Gefängnisarzt in der Eingangsuntersuchung fest. Und ich befand mich dabei in guter Gesellschaft. Auch Amnesty International hatte 1999 den Fall in den Jahresbericht aufgenommen. Nach ihrer Verhaftung in der Schweiz wurde sie von ausgewiesenen Folterexperten untersucht.

Der Wiener Psychiater Prof. Dr. Thomas Wenzel und der türkische Rechtsmediziner Dr. Önder Özkalipci haben ihre Untersuchungen auf Basis des Handbuchs für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Strafe durchgeführt, dass auch “Istanbul-Protokoll” genannt wird. Özkalipci, der in Genf lebt, ist Co-Autor des Protokolls. Es wurde von 75 forensischen Ärzten, Psychologen, Menschenrechtsbeobachtern und Juristen aus 40 Organisationen und 15 Ländern verfasst, die auf Folter spezialisiert sind.

“Unsere Befunde bestätigen in den Schlussfolgerungen den Folterbericht der Betroffenen”, schrieb Wenzel nach der Untersuchung der baskischen Journalistin. Özkalipci erklärte unter Betrachtung der psychologischen Diagnosen und den belegten physischen Befunden, dass “sie in den zehn Tagen der Verhaftung in Kontaktsperre zwischen dem 9. – 19. März 1999 gefoltert wurde.” Kontaktsperre meint die völlige Isolierung der Betroffenen, in denen sie bis zu zehn Tage wegen Kontakt zu ihrem Anwalt noch zur Familie haben. Die UNO und Menschenrechtsorganisation fordern seit Jahrzehnten erfolglos ihre Abschaffung und bis dahin lückenlose Video-Aufzeichnungen.

Und obwohl sich auch der UNO-Sonderberichterstatter für Folter für die Baskin eingesetzt hatte, hielt die Schweiz bis am Freitag daran fest, die Baskin an Spanien auszuliefern. Auch Nils Melzer hatte an sein Heimatland appelliert, das sich seiner Meinung nach auf Irrwegen befinde. In einer öffentlichen Erklärung forderte er die Schweiz auf, Nekane Txapartegi nicht auszuliefern: “Die Schweiz muss das Folterverbot kompromisslos schützen.”

Doch Justiz und Regierung drückten sich aus der Verantwortung und lehnten die Einsprüche der Baskin gegen ihre Auslieferung konsequent ab, weshalb eine baldige “Ausschaffung” erwartet wurde. Das Bundesstrafgericht wand sich im Juli damit heraus, Txapartegi könne sich nicht auf das Folterverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention berufen, wenn sie an ein Land mit demokratischer Tradition ausgeliefert werden soll. Das Gericht hielt sich nicht für zuständig, den spanischen Prozess zu wiederholen oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ersetzen. Dass Spanien in den letzten Jahren in acht Folterfällen verurteilt worden ist, wurde einfach ignoriert.

Doch letztlich kam alles am Freitag ganz anders, aber nicht weil der Schweiz plötzlich Menschenrechte am Herzen gelegen hätten. Txapartegis Anwalt Olivier Peter hatte Bewegung in die “vertrackte Justizaffäre” gebracht, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) meint. Die einstige Haftstrafe von 11 Jahren war zwischenzeitlich ohnehin schon auf sechs Jahre gesenkt worden. Im Februar machte der Oberste Gerichtshof aus der angeblichen ETA-Führerin dann einen “weniger gravierenden” Fall und senkte die Strafe auf drei Jahre und sechs Monate. Damit einher gingen neue Verjährungsfristen, wie Peter festgestellt hatte.

Auf Antrag der Verteidigung stellte auch der Nationale Gerichtshof in Madrid nun fest – sogar das Ministerium für Staatsanwaltschaft war einverstanden -, dass ihre Strafe längst verjährt ist. Daraufhin hob die Schweiz auch die Auslieferungshaft auf, da Madrid den Auslieferungsantrag zurückgezogen hatte. Die Schweizer Justiz verfügte, Txapartegi am Freitagmittag freizulassen, was ihre Schweizer Unterstützer mit einem Feuerwerk gefeiert hatten. Das Bundesamt für Justiz (BJ) hatte die nötigen Papiere schon nach Zürich geschickt.

Doch frei kam sie zunächst nicht. Denn die Rechnung hatten die Freunde, Familie und Kollegen der Journalistin ohne die Schweizer Bürokratie gemacht, die nun ein “Verwirrspiel” begann, wie der Tages-Anzeiger feststellt, der sich in der Verteidigung der Rechte der Journalistin hervorgetan hat. Ihr Anwalt erklärte mir auf meine verstörte Nachfrage, der Kanton Zürich habe sie “administrativ festnehmen” lassen und plötzlich Auslieferungshaft beantragt hatte. Peter erklärte, es habe damit zu tun, dass sie “keine Papiere” hat, da sie unter falschem Namen in der Schweiz lebte.

In der Schweiz und im Baskenland lief sofort eine hektische Mobilisierung an, um die baldige Auslieferung zu verhindern. In die Versammlung in ihrem Heimatdorf Asteasu kam dann aber die die Nachricht, dass Txapartegi doch freigelassen wurde, während ihr Bruder Joseba den Bewohnern die “vertrackte Lage” zu erklären versuchte. Ein Jubel brach los und sofort wurde Sekt besorgt und geköpft. “Sie steht neben mir”, schickte der Anwalt ein Bild an Freunde und Familie.

Wie in einem schlechten Hollywood-Streifen gab es schließlich ein Happy End. Man darf vermuten, dass Bern interveniert hat, damit der peinliche Vorgang durch die Auslieferung der traumatisierten Frau auf die Spitze getrieben wird.

Denn auch die NZZ analysiert, dass sich damit die Schweiz aus einer “unangenehmen Lage” befreit hat, schließlich hatte Melzer mit einer Verurteilung durch die UNO gedroht, sollte das Bundesgericht die Ausweisung bestätigen. Damit hätte die Schweiz ein Urteil anerkannt – was sie tatsächlich sogar getan hat -, das auf einem durch Folter erzwungenen Geständnis basiert. Das wäre und ist ein Verstoß gegen das Folterverbot, nur durch die Verjährung umgangen. Und, auch das sollte nicht vergessen werden, worauf der Anwalt hingewiesen hat: Das Folteropfer Txapartegi hat in der Schweiz 17 Monate “willkürlich in Haft” gesessen, die für sie eine Re-Traumatisierung bedeutet hat, wie Experten meinen.

https://www.heise.de/tp/news/Wie-die-Schweiz-sich-als-spanischer-Erfuellungsgehilfe-laecherlich-macht-3834203.html

Aktionswochen: Free Nekane! /// Weeks of Action: Free Nekane!

Vom 15. – 30. September 2017

Nekane Txapartegi ist eine baskische revolutionäre Feministin, Aktivistin und Journalistin. Nach Jahren im Untergrund wurde sie am 6. April 2016 in Zürich verhaftet. Grund dafür war ein spanischer Auslieferungsantrag. Seither ist Nekane in Zürich inhaftiert. Vor ihrer Flucht aus dem Baskenland wurde Nekane 1999 von der spanischen paramilitärischen Polizei Guardia Civil entführt. Fünf Tage lang musste sie die Incomunicado-Haft, ohne Kontakt zu einem Anwalt, einer Ärztin ihres Vertrauens oder ihren Angehörigen, ertragen. Während dieser Zeit wurde sie massiv gefoltert und vergewaltigt. Mit Schlägen, Tritten, einer Scheinhinrichtung und Vergewaltigung wurde von ihr ein falsches Geständnis erpresst. Auf der Grundlage der unter Folter erzwungenen Aussagen wurde Nekane 2007 in einem Massenprozess gegen baskische Linke zu einer mehrjährigen Haftstrafe wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ verurteilt. Um sich dem Zugriff der spanischen Klassenjustiz zu entziehen, tauchte Nekane ab. Die Schergen des spanischen Staates verfolgten sie bis nach Zürich, wo sie im Frühling des letzten Jahres dann durch die mit Spanien kooperierende Schweizer Polizei verhaftet wurde.

Parallel zum Auslieferungsverfahren läuft auch ein Asylverfahren. Doch die zuständigen Behörden haben sich in erster Instanz trotz belegter Folter für eine Auslieferung und gegen Asyl entschieden. Letzten Monat hat sich nun auch eine weitere Instanz für eine Auslieferung an Spanien ausgesprochen, wobei sich das Gericht auf eine vermeintliche „demokratische Tradition“ Spaniens stützt.

Seit der Verhaftung von Nekane hat sich schweizweit eine breite Solidaritätskampagne formiert. Nach diesem weiteren für Nekane negativen Entscheid ist Solidarität und eine entschlossene Antwort wichtiger denn je! Deshalb wird vom 15. bis 30. September zu Aktionstagen für die Freiheit von Nekane aufgerufen. In dieser Zeit werden in verschiedenen Schweizer Städten Aktionen, Veranstaltungen, etc. durchgeführt. Die Aktionstage enden am 30. September mit einer Demonstration in Zürich.

Beteiligt euch in euren Städten an den Aktionstagen für die Freiheit von Nekane!

Free Nekane and all political prisoners!

www.freenekane.ch

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Weeks of Action: Free Nekane!

From 15 – 30 September 2017

Nekane Txapartegi is a Basque revolutionary feminist, activist and journalist. After year of living in illegality she was arrested in Zürich on 6.4.2016. The reason for her arrest is a Spanish appeal for extradition. She is imprisoned in Zürich since then.

Before she fled the Basque country, she was kidnapped by the Spanish paramilitary police Guardia Civil in 1999. She had to endure the „Incomunicado“ imprisonment for five days without any contact to lawyers, doctors or her relatives. She was heavily tortured and raped during these days. They forced a fake confession out of her with beatings, kicks, a fake execution and rape. Because of this confession which was obtained by torture, Nekane was sentenced to years in prison in a mass trial against the Basque left because of „support of a terrorist association“. She fled into illegality to evade the Spanish class justice. The henchmen of the Spanish state followed her to Zürich where she was arrested in the spring of last year by the Swiss police who cooperated with Spain.

Parallel to the trial regarding her extradition there is also a trial regarding political asylum. But the public authorities of the first instance decided for extradition and against asylum despite proven torture. Last month, another judicial instance decided in favor of an extradition to Spain, citing the „democratic tradition“ of Spain.

Since Nekane‘s arrest, a broad campaign of solidarity formed in Switzerland. Solidarity is more important than ever after this negative judicial decision and a decisive response is necessary! That is why we call for days of action for the freedom of Nekane from the 15. to the 30. September. There will be all kinds of actions, meetings, etc. in Swiss cities. The days of action will end on the 30. September with a demonstration in Zürich.

Participate in the days of action for the freedom of Nekane!

Free Nekane and all political prisoners!

www.freenekane.ch

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Semaines d’action: Liberté pour Nekane!

Du 15 au 30 septembre 2017

Nekane Txapartegi est une féministe, militante et journaliste
révolutionnaire basque. Après une année passée dans la clandestinité,
elle a été arrêtée à Zurich le 6 avril 2016. La raison de son
arrestation est une demande d’extradition venue de L’État Espagnol, elle
est emprisonnée à Zurich depuis.

Avant de fuir le Pays-Basque, elle a été enlevée par la Guardia Civil,
police paramilitaire espagnole, en 1999. Elle a enduré un emprisonnement
“secret” (“Incomunicado”) pendant 5 jours sans aucun contact avec un
avocat, un médecin ou ses proches. Elle a été lourdement torturée et
violée durant cette détention. Ils lui ont arraché une fausse confession
en la battant, en lui donnant des coups de pieds, en organisant une
fausse exécution et en la violant. A cause de cet aveux obtenu sous la
torture, Nekane a été condamnée à plusieurs années de prison lors d’un
procès de masse contre la gauche basque pour “Soutien à une organisation
terroriste”. Elle est passée dans la clandestinité pour fuir la justice
de classe espagnole. Les partisans de l’État Espagnol l’ont suivi
jusqu’à Zurich où elle a été arrêtée au printemps de l’année dernière
par la police suisse collaborant avec l’État Espagnol.

En parallèle au procès concernant son extradition, il y a également un
procès concernant son statut de réfugiée politique. Mais les autorités
publiques de la première instance ont décidé de son extradition et
contre son statut de réfugiée, malgré que la torture ait été prouvée. Le
mois dernier, une autre instance judiciaire a pris une décision en
faveur de son extradition vers l’État Espagnol, citant la “tradition
démocratique” de celui-ci.

Depuis l’arrestation de Nekane, une large campagne de solidarité s’est
formée en Suisse. La solidarité est plus importante que jamais après
cette décision de justice négative. Une réponse décisive est nécessaire
! C’est pourquoi nous appelons pour des journées d’action pour la
libération de Nekane du 15 au 30 septembre. Il y a aura plusieurs types
d’actions, de meetings, etc. dans les villes de Suisse. Les journées
d’action s’achèveront le 30 septembre par une manifestation à Zurich.

Participez aux journées d’action pour la libération de Nekane!

Liberté pour Nekane et pour tous les prisonniers politiques!

www.freenekane.ch

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Nekane Txapartegi es una activista feminista y periodista vasca y revolucionaria. Después de años de vida clandestina fue detenida el 6 de abril 2016 en Zurich. La razón de ello fue una solicitud de extradición del gobierno español. Desde entonces sigue encarcelada en Zurich. Antes de su huida del País Vasco en 1999 Nekane fue secuestrada de la Guardia Civil. Sufrió cinco días incomunicada, sin contacto ni con una abogada ni con un médico de confianza ni nadie de su familia. En estos días fue torturada y violada atrozmente. Con pegos, patadas, una ejecución silmilada y la violación forzaron una supuesta confesión obtenida bajo la fuerza. Basado en esta confesión forzada Nekane fue condenada en un juicio sumario contra la Izquierda Vasca a varios años de carcel por ‚ayuda a un grupo terrorista’.

Para evitar la justicia española de clase, Nekane se fugó a la clandestinidad. Los esbirros del Estado español la persiguieron hasta Zurich, donde la policía suiza que colabora con España la detuvo en la primavera del año pasado.Al mismo tiempo que la solicitud de extradición está pendiente una demanda de asilo. Pero las autoridades responsables consintieron en primera instancia a una extradición y en contra de la demanda de asilo a pesar de la tortura comprobada.El mes pasado la proxima instancia también favoreció la extradición y el tribunal se refirió a la ‚tradición democrática’ de España.

Desde el momento de la dentención de Nekane se ha formado en Suiza, en todo el país una campaña de solidariedad muy amplia. ¡ Después de la recién decisión negativa para Nekane es cada vez de mayor importancia una respuesta decidida y solidaria!Por eso se declaran jornadas de acción del 18 al 30 de septiembre para la libertad de Nekane. Habrá reuniones, actos y más en varias ciudades de Suiza. Las jornadas terminarán con una manifestación el 30 de septiembre en Zurich.

¡ Partipad e involucraos en vuestras ciudades en las jornadas y actos para la libertad de Nekane!

¡ Libertad para Nekane y todos los presos políticos!

www.freenekane.ch

 

 

Zürich: Demo Freiheit für Nekane (30.9.17)

Freiheit für Nekane
Keine Auslieferung an Folterstaaten!

Als Abschluss der Free Nekane-Aktionswochen (18.-30.9.2017) gehen wir am 30. September 2017 in Zürich auf die Strasse. Wir fordern die sofortige Freilassung der baskischen Aktivistin Nekane Txapartegi, die seit April 2016 in Zürich in Auslieferungshaft sitzt. Ihr Fall ist bei weitem nicht der einzige. Er wirft ein Licht auf die spanische Realität von Folter, sexueller Gewalt und erpressten Geständnissen in der Untersuchungshaft.
Die Schweizer Behörden verletzen die Antifolterkonvention immer wieder, indem sie Abschiebungen trotz Foltervorwürfen vornehmen. In der letzten Zeit wurden Menschen, die Opfer von Folter geworden sind, nach Sri Lanka und Nepal abgeschoben. Nach ihrer Rückkehr wurden sie verhaftet, so wie sie es in den jeweiligen Verfahren befürchtet haben.

Wehren wir uns gegen die Auslieferung von Nekane!
Keine Auslieferungen und Abschiebungen an Folterstaaten!

Samstag, 30. September 2017
15.00 Hechtplatz, Zürich

Weitere Infos unter www.freenekane.ch

Gefängnisbrief #2: «Die ethnische Justiz Spaniens»

Nein, ich habe die Begriffe nicht verwechselt, ich meine «ethnisch», nicht «ethisch». Ethik ist im spanischen Staat weder in der Politik noch in der Justiz auszumachen. Gerade wird die Bildungsreform Lomce durchgesetzt, die den Ethikunterricht streichen und die religiöse Erziehung ausbauen will.

Mit dem folgenden Beispiel möchte ich aufzeigen, wie die spanische Justiz je nach ethnischer Identität von verurteilten Personen unterschiedlich agiert. Es geht um zwei Personen, die beide im Baskenland geboren wurden. Auf der einen Seite ist da Iñaki Urdangarin, geboren in Goierri, er hat eine spanische Identität. Auf der anderen Seite bin ich, Nekane Txapartegi Nieve, geboren in Tosaldea, ich identifiziere mich als baskische Frau. Aktuell halten wir uns beide in der Schweiz auf. Ich bin bekanntlich in Zürich in Auslieferungshaft, Iñaki wohnt zusammen mit seiner Frau Cristina, der Tochter des früheren Königs Juan Carlos I. am Genfersee. Wir beide wurden von der spanischen Justiz verurteilt, aber die Auswirkungen davon könnten unterschiedlicher nicht sein.

Ich wehre mich zusammen mit vielen anderen Bask*innen gegen die Kolonisierung des Baskenlandes und die Repression durch den spanischen und französischen Staat. Ich wurde aus diesem Grunde verhaftet und in den spanischen Kerkern gefoltert und vergewaltigt. Iñaki dagegen, der sich entschied, Freund von den franquistischen Erben zu sein, wurde der rote Teppich bis zum Palast der Bourbonischen Monarchie ausgerollt. Er heiratete eine Tochter des Königs, der notabene von Diktator Franco als Nachfolger auserkoren wurde. Mein ganzes Leben wehrte ich mich gegen die Ungerechtigkeit, die ich als weibliche, baskische Arbeiterin in den Folterkellern erlebt habe. Ich kämpfe für die Freiheit meines Landes, während Iñaki seinen üppigen Lebensunterhalt mit der Spekulation darüber verdiente. Über uns beide wurde von der Audiencia Nacional ein Urteil verhängt, aber mit zweierlei Mass.

Ich wurde als Baskin in einem politischen Prozess verurteilt. Einziger Beweis im Prozess: Aussagen, die ich unter Folter während der fünftägigen Incomunicado-Haft in den Händen der Guardia Civil ablegte. Ich wiederrief die erfolterten Aussagen sofort. Während des Gerichtsprozesses erkannte und benannte ich mehrere meiner Folterer und Vergewaltiger, aber das Gericht interessierte sich nicht dafür. Gegen die Folterer wurde nicht ermittelt. Das Ziel war es einzig und allein, meine baskische politische Dissidenz zu bestrafen und ein Exempel zu statuieren. Nachdem ich zu 11 Jahren Haft verurteilt wurde (später wurde das Urteil auf 3 Jahre und 6 Monate reduziert) flüchtete ich. Auf keinen Fall wollte ich in die Hände meiner Peiniger zurückkehren. Nach mehreren Jahren im Exil zusammen mit meiner Tochter wurde ich in Zürich erneut verhaftet. Diese Verhaftung kam nur zustande, weil die spanische Polizei ein Jahr lang illegal auf Schweizer Boden nach mir gefahndet hat. Die Schweizer Behörden interessieren sich jedoch nicht für die Aufklärung dieser illegalen Aktivitäten in ihrem Territorium. Während vielen Monaten muss ich die harten Bedingungen der Schweizer Auslieferungshaft nun schon über mich ergehen lassen. Die Beamte, die mich im Asylverfahren befragt hat, scheint ein grosser Fan des spanischen Staates zu sein. Für sie ist alles legitim, was die Folterer machen und die spanischen Gerichte entscheiden. Die Verfolgung, die ich als Baskin erleide, die gut dokumentierte Folter und die sexualisierte Gewalt, die ich als Frau erlitten habe, das politisch motivierte und unverhältnismässige Urteil gegen mich – all dies scheint ihr keine angemessene Begründung für politisches Asyl zu sein.

Gleichzeitig wurde Iñaki von der Audiencia Nacional wegen Korruption zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Aber Iñaki hat keine Angst, eingeknastet zu werden, er muss nicht flüchten, da die spanische Justiz seine ethnische Identität nicht verfolgt. So lebt Iñaki aktuell in einer Villa am Genfersee, sein Bankkonto ist voll und er hat keinerlei Angst, ausgeliefert zu werden. Man kann die Zukunft nicht voraussagen, aber ich behaupte jetzt mal, dass der spanische Staat die Auslieferung von Iñaki nicht anfordern wird. Auch nicht, wenn das Oberste Gericht ein endgültiges Urteil gesprochen hat.


Nekanes Gefängnisbriefe:

«Ich nehme euren Vorschlag gerne an und schicke euch gleich ein paar Beiträge mit, denn die Post funktioniert nach Lust und Laune der Schliesser und alles dauert ziemlich lange.» So antwortete uns die inhaftierte Genossin Nekane Txapartegi in einem Brief, nachdem wir sie angefragt hatten, ob sie für das ajour magazin gelegentlich eine Kolumne schreiben würde. Die Möglichkeit einen Text auf Papier zu bringen und insbesondere diesen nach draussen zu versenden, wird Inhaftierten systematisch erschwert. So gewährte man Nekane erst nach einem Jahr Haft endlich Zugang zu einem Computer. Auch das Ausdrucken von Textdateien ist eine aufwendige bürokratische Prozedur; eine «absurde Bürokratie, um uns jegliche Autonomie zu rauben», so Nekane. Umso mehr freut es uns, nun endlich den ersten übersetzten Artikel unserer baskischen Freundin, der revolutionären Feministin, Aktivistin und Journalistin Nekane Txapartegi veröffentlichen zu können. Use mit de Gfangene! (Die Redaktion)

*Quelle: https://www.ajour-mag.ch/die-ethnische-justiz-spaniens/