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Aus Verteidigung zum Angriff

Es gehört zu den Grundstützen der bürgerlichen Ideologie, dass das Recht über den gesellschaftlichen Verhältnissen schwebe und dadurch neutral und unparteiisch sei. An diesem Bild ist wenig Wahres. Das zeigt sich immer dann deutlich, wenn neue Gesetze formuliert werden, die unmittelbar auf gesellschaftliche Kräfteverhältnisse einwirken – meistens zum Vorteil der Herrschenden. Der Landfriedensbruch etwa, politisches Delikt schlechthin, wurde zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts eingeführt, um die erstarkende ArbeiterInnenbewegung auf der Strasse zu bremsen. Während die Bourgeoisie ihre politischen Interessen im Parlament bestens vertreten sah, wurde die Strasse als Austragungsort der Forderungen jener, die keinen Zugang zu den oberen Gefilden hatten, kriminalisiert.

Wir sehen auch, dass das herrschende Recht das Recht der Herrschenden ist, wenn die Justiz über sich hinauswächst, um Bedrohungen ihrer Ordnung in die Schranken zu weisen. Die staatliche Aufarbeitung der G20-Proteste von 2017 in Hamburg ist dafür exemplarisch. Die Stärke der Anti-G20-Bewegung, die mittels Demonstrationen, Blockaden und Strassenkämpfen einen antagonistischen Gegenpunkt zum Gipfel setzte, verursacht eine Reaktion, die weit über den üblichen Rahmen hinausgeht. Die politische Intention hinter den juristischen Angriffen ist nach enormen Ermittlungen und zahlreichen Prozessen für alle sichtbar, es ist ein Rachefeldzug des deutschen Staates.

Das Bewusstsein für das Woher und Wozu der Repression ist Voraussetzung für den notwendigen politischen Umgang mit den Angriffen gegen unsere Bewegung. Wir müssen um die dahinterliegenden Verhältnisse wissen, um eine klare und konsistente Haltung zur Repression zu entwickeln, die nicht auf falsche Hoffnungen in einen oder faule Kompromisse mit einem „gerechten Rechtsstaat“ setzt. In allererster Linie ist das Recht des bürgerlichen Staates Ausdruck und Instrument der herrschenden Klasse, eine ihrer Waffen im Klassenkampf von oben, um jene zu brechen, die widerstehen. Wir dürfen von ihnen keine Sympathie erwarten, wenn wir danach trachten, das System zu stürzen, das heute ihren Reichtum mittels Ausbeutung und Unterdrückung sichert.

Eine konsequente Politik des Bruchs mit den herrschenden Verhältnissen muss antizipieren, dass die Gegenseite – der bürgerliche Staat – reagieren wird. Alles andere wäre angesichts der Geschichte linker Bewegungen weltweit naiv. Als Bewegung muss es uns gelingen, in der Dialektik zwischen Revolution und Konterrevolution zugleich die Schläge der Repression abzuwehren wie auch eigene zu platzieren, zugleich den revolutionären Prozess zu schützen wie auch ihn voranzutreiben. Darin ist die Solidarität Dreh- und Angelpunkt, der Zusammenhalt und die Komplizität all jener, die auf dieser Seite der Barrikaden stehen und die herrschenden Verhältnisse bekämpfen. Machen wir uns nichts vor: Unsere Solidarität richtet sich letztlich auf dieses Ziel, im Bewusstsein dafür, dass erst der Umsturz dieser Verhältnisse den Weg für ein freies Leben für alle öffnet.

Den Spiess umdrehen – dem Kapitalismus den Prozess machen!

Flugblatt anlässlich der Basel-Nazifrei-Demonstration am 28.11.2020 in Basel

Was will Deutschland von der Türkei?

In der letzten Zeit und insbesondere seit dem Start der Flüchtlingswelle aus der Türkei in die EU, gab es zwischen der Türkei und Deutschland anlässlich der Flüchtlingsfrage, die zu einer Krise heranreifte, eine Diplomatie, die es vielleicht seit dem II. Weltkrieg nicht mehr gab. Die Türkei spielt unumstritten die Schlüsselrolle bei der Behinderung der Flüchtlinge aus Afghanistan, Pakistan, dem Irak und Syrien bei der Einreise in die EU.

Aus diesem Grund hat Deutschland, die stärkste Kraft innerhalb der EU, genau die Schritte in der Flüchtlingsfrage unternommen, die Merkels Politik entsprechen, um das Flüchtlingsproblem zu lösen. Das Resultat dieser Schritte war das Abkommen zwischen der Türkei und der EU in der Flüchtlingsfrage. Die wichtigsten Säulen dieses Abkommens sind die Zahlung von 6 Milliarden Dollar der EU an die Türkei bis 2018, die Abschaffung der Visapflicht für türkische Staatsbürger bei Einreise in die EU, im Gegenzug dafür soll die Türkei den Flüchtlingsstrom an der Einreise in die EU hindern und die zurückgesandten Flüchtlinge akzeptieren. In den letzten Tagen gab es bezüglich der Visafrage einige Debatten, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass das Abkommen scheitert, sehr hoch ist.

Die Türkei wurde seit 2015 von keinem anderen hohen ausländischen politischen Staatsvertreter so oft besucht wie Merkel. Es ist bekannt,dass Merkel für Erdogan, Davutoglu, der Türkei allgemein sowie seinen Staatsbürgern gegenüber keine besondere Sympathie hegt. Trotzdem kann es nicht sein, dass Merkel nur aufgrund der Flüchtlingsfrage regelmäßig Erdogan und Davutoglu besucht. Ihr Interesse an der Flüchtlingsfrage bedingt nicht den regelmäßigen Besuch der Türkei, dies hätte sie auch mit anderen diplomatischen Mitteln lösen können.

Hinter diesem großen Interesse des deutschen Imperialismus steckt ganz offen der Profit im Mittleren Osten. Der deutsche Imperialismus möchte sich ganz direkt an den Entwicklungen im Mittleren Osten mittels der Kriege in der Türkei und in Syrien beteiligen. Es reicht ihm nicht aus, im Mittleren Osten aktiv durch die EU oder die NATO vertreten zu sein.

Doch nicht nur Deutschland sondern die gesamte EU ist im Punkte Energie auf der Basis von Erdgas sowie dem Transport von Russland abhängig. Um dieser Abhängigkeit ein Ende zu setzen, muss Energie aus dem Iran und dem Mittleren Osten (die Energiefelder im östlichen Mittelmeer eingeschlossen) sowie dem Kaspischen Becken (Aserbaidschan,Türkmenistan) in den europäischen Markt hineintransportiert werden. Und der einzige Weg, der dahin führt, führt durch die Türkei.

Das Sykes-Picot-Abkommen, welches 1916 zwischen Frankreich und Großbritannien geschlossen wurde, um die eigenen kolonialen Interessensgebiete im Mittleren Osten festgelegt wurden, ist nun somit praktisch ungültig. Dies zeigen die kurdische Freiheitsbewegung, die Zerteilung des Irak sowie der Krieg in Syrien. Bei der strategischen und energiebasierenden Neuaufteilung des Mittleren Ostens möchte der deutsche Imperialismus direkt seine eigenen Interessen durchsetzen und führt entsprechend seine Beziehung mit der Türkei statt im Namen der EU zu handeln.

Die aktive Rolle des deutschen Imperialismus‘ an den Entwicklungen im Mittleren Osten darf nicht vergessen werden; die Waffe, mit der Rafik Hariri 2005 ermordet worden war, stammte aus der Hand Deutschlands übergeben an die USA und Israel. Es war auch Deutschland, das 2012 in Abu Dhabi die Versammlung der „Freunde Syriens“ organisierte; welche dem Aufteilen der Erdgasfelder in Syrien dienen sollte. Deutschland steht an der Spitze der Länder, welche die Versammlungen in Genf verfolgen. Aufgrund des Kampfes gegen die IS sowie die Flüchtlingsfrage beteiligt sich Deutschland am Beispiel von Syrien direkt an den Problemen im Mittleren Osten. Daher forderte Deutschland die kurzfristige Stationierung auf Incirlik, was die Türkei erlaubte.

Der deutsche Imperialismus ist heutzutage der wichtigste Unterstützer der faschistischen Diktatur in der Türkei und des Diktators Erdogan. Deutschland ist eines der Länder, das der Bombardierung der Städte in Nordkurdistan und der Ermordung der kurdischen Bevölkerung zuschaut. Es ist eines jener Länder, das die Massaker durch die faschistische Diktatur seit Monaten ausblendet und „Jeder Staat hat das Recht dazu“ sagt. Das Verständnis von Demokratie wird nur noch auf die Aufhebung der Einschränkung der Pressefreiheit beschränkt. Es ist jedoch auch Deutschland, das die türkische Politik des „sicheren Gebiets“ und „dem Gebiet, in dem Fliegen verboten ist“, was Erdogan ständig erwähnt, verteidigt. Merkel bringt dies immer wieder zur Sprache.

Der deutsche Imperialismus möchte sich an der Neuaufteilung des Mittleren Ostens beteiligen und glaubt daran, es über die Türkei tun zu können.

mlkp, Internationales Bulettin 163

Zu Feldbauers Artikel in der jungen Welt(jW) vom 5.10.

“Um jeden Preis fernhalten.
Im Kampf gegen die Kommunisten wurden in Italien alle Register gezogen. Faschisten und Christdemokraten, Mafia und CIA arbeiteten Hand in Hand”
Er schrieb u.a.:
“Das Mordkomplott gegen Moro

Im Januar 1978 schloss Aldo Moro mit dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei (PCI), Enrico Berlinguer, ein Regierungsabkommen, nachdem die Kommunisten eine DC-geführte Regierung zunächst im Parlament unterstützt hatten. Als die Regierung des Compromesso storico (Historischer Kompromiss), wie sie bezeichnet wurde, am 16. März 1978 ins Amt eingeführt wurde, wurde das von der CIA und der P2 geplante Mordkomplott gegen Moro in die Tat umgesetzt. Der DC-Führer wurde entführt und 55 Tage später umgebracht. Als Werkzeug benutzten die Rädelsführer die Brigate Rosse (Rote Brigaden, BR), die seit ihrer Gründung 1970 von Geheimdienstagenten infiltriert waren.”

Im Mai 2008 erschien in der jW schon einmal ein Artikel mit ähnlichem Inhalt
Daraufhin wurde damals ein Artikel dazu im Gefangenen Info 340 veröffentlicht.
Die junge Welt weigerte sich damals, diesen Beitrag abzudrucken.
Jetzt noch mal dieser GI-Beitrag aus dem Jahre 2008:

Zum junge Welt-Artikel (jW) vom 3./4.Mai2008 ” Der Coup der P2-Loge” von Gerd Feldbauer
Da die LeserInnen aus der BRD sich mit den italienischen Verhältnissen nicht so gut auskennen, ist Feldbauers Artikel, der sich mit der Entführung des Präsidenten der Christdemokratischen Partei (DC) Adlo Moro durch die Roten Brigaden (BR) im März 1978 befasst, gelinde gesagt etwas verwirrend.

Ein bißchen erinnert das alles an das Buch ” das RAF-Phantom”. Es war für uns leichter, das auseinander zunehmen, da wir die Verhältnisse hier besser kennen. In diesem Buch wird unterstellt, die RAF gebe es seit 1984 nicht mehr und ihre Existenz bis 1998 sei nur eine Geisterarmee bzw. eine Geheimdienstgruppe. Eva Haule, ehemalige Gefangene aus der RAF, hat das im im Gefangnenen Info 330 vom 23.10.2007 richtig gestellt.

Die Entführungen von Moro wird von Feldbauer als vom “CIA gesteuert” bzw. andere Dienste hätten das Kommando der Roten Brigaden damals unterwandert. Kurzum es wird behauptet, diese Entführung sei nicht allein das Werk dieser Militanten gewesen.
Um Feldbauers Diffamierungen und Desinformationen zu entwirren, veröffentlichen wir ein Interview mit Maurizio Ferrari. Maurizio ist ein mailändischer Proletarier und hat in der Autoreifenfabrik Pirelli gearbeitet. Diese war damals eine sehr kämpferische und grosse Fabrik, die eine organisierte Arbeiterschaft hatte. Er war Mitglied der BR der ersten Stunde und ist schon 1974 in den Knast gekommen. Er war 30 Jahre lang politischer Gefangener und hat in dieser ganzen Zeit die Zusammenarbeit mit den Behöden verweigert. Er beteiligte sich an den Kämpfen der politischer Gefangener der BR, die weitere Verurteilungen zu Folge hatte.

Kaum draussen wurde er sofort wieder aktiv und engagierte sich in erster Linie im Kampf um die Haftbedingungen politischer Gefangene, beteiligt sich aber auch an den verschiedenen sozialen und politischen Klassenkämpfen draussen. Er lebt in Mailand im besetzten Zentrum Pannetteria Occupata.

1. Warum und mit welchen Forderungen entführten die Roten Brigaden vor 30 Jahren Moro?

In der “Frühjahrskampagne”, wie die Roten Brigaden (BR) die gesamte Operation nannten, die vor 30 Jahren zur Entführung, zum Prozess und schließlich zur Exekution des Präsidenten der Christdemokratischen Partei (DC) führte, stellten die BR keine Forderungen, sondern setzten sich ein Ziel. Das bestand darin zu beweisen, dass die revolutionäre Bewegung in Italien schon reif genug war, um konkret die Auseinandersetzung mit der feindlichen Klasse, der Bourgeoisie, den Knoten zur Eroberung der Macht, anzupacken. Die Parole, die dieses Ziel zusammenfasste, hieß “Den Angriff auf das Herz des Staates führen”, d.h. die Initiative der gesamten Parteiorganisation (die BR ausgehend von ihren Strukturen, den Brigaden, in den realen Lebens- und Arbeitssituationen des Proletariats in den Fabriken, Schulen, Stadtteilen, Gefängnissen…) gegen das herrschende Projekt der Bourgeoisie in einer bestimmten Phase zu führen. Im Frühjahr 1978 wie übrigens schon seit der Nachkriegszeit – genauer gesagt seit 1948 – wurde dieses Projekt von der DC durchgeführt, so dass man sie als Staatspartei in der Art der SED bezeichnen konnte. Insbesondere war es in dieser Phase das Hauptziel der Bourgeoisie, zu versuchen den Aufstieg der revolutionären Bewegung mit politischen Mitteln aufzuhalten, da die militärischen Mittel (die Massaker an der Piazza Fontana in Mailand vom 12. Dezember 1969 mit 16 Toten, dem der Piazza della Loggia in Brescia vom 28. Mai 1974 mit 8 Toten während einer Gewerkschaftskundgebung, und dem im Italicus-Express vom 4. August 1974 mit 12 Toten; außerdem die Genossinnen und Genossen, die direkt von Polizei und Carabinieri bei Demonstrationen umgebracht wurden) nur die gegenteilige Wirkung gehabt hatten – die Entstehung von Organisationen der kommunistischen und anarchistischen Stadtguerilla waren nur der evidenteste Ausdruck. Das politische Projekt, das durchgesetzt werden sollte, bestand im Versuch, die bürgerliche Legalität und die Repräsentativität des Staates im Bewusstsein und in der Praxis der Massen zu stärken, indem man die Regierungsebene für die Kommunistische Partei Italiens (PCI) und damit für die größte Gewerkschaft, die CGIL, öffnete. Eine historische Wende, die in klarem Gegensatz zu den vorherigen Jahrzehnten stand und erleichtert wurde durch den Weg, den die Partei nach dem Fall der Regierung der Unidad Popular in Chile im September 1973 einschlug. Daraus zog diese Partei nämlich den strategischen Schluss, den sie den “Historischen Kompromiss” nannte, d.h. die völlige Aufgabe jeder sozialistischen Hypothese, jeglicher vom Kapital unabhängigen proletarischen Initiative.

In der DC war es der Gruppe um Moro gelungen, sich mit ihrem Projekt durchzusetzen, die PCI in den Fabriken, den Schulen, der Stadtvierteln zu absorbieren und zu instrumentalisieren, um die bewusstesten Teile der revolutionären Bewegung zu isolieren und zu kriminalisieren, um dann jeglicher revolutionären Hypothese den Todesstoß zu versetzen. Indem die “Frühjahrskampagne” das Luftschloss der “nationalen Einheit” in die Luft fliegen ließ, zeigte sie der revolutionären Bewegung die dringende Notwendigkeit auf, über die eigene Zukunft und ihre konkrete Praxis zu reflektieren: den Sturz der gegenwärtigen bürgerlichen Gesellschaft zugunsten der Schaffung der kommunistischen Gesellschaft. Von heute aus gesehen kann man sagen, dass wir uns da übernommen hatten. Wenn die Generationen von heute und morgen vor einer revolutionären Phase stehen, die so zugespitzt ist wie damals 1978 in Italien, oder noch mehr, werden sie auf diese Erfahrung zurückgreifen müssen, um daraus ihre Lehren zu ziehen. Damals wurde die Entscheidung den Angriff auszulösen, für richtig gehalten, so wie die Genossen, die 1919-1920 die PCI gegründet hatten, es für richtig hielten, die Fabriken zu besetzen – worauf die Jahrzehnte folgten, die wir kennen [der Mussolini-Faschismus], oder wie man es im Deutschland von 1918-1919 für richtig hielt, den Aufstand von Berlin auszulösen usw.

2. Sind noch Mitglieder des Kommandos, die Moro entführten, im Knast?

Die Frage müsste eigentlich so gestellt werden: Wie viele der Personen, die im Zusammenhang mit der Entführung, dem Prozess und der Tötung Moros angeklagt und verurteilt wurden, sind heute noch im Knast?

Von den 32 vom Schwurgericht in Rom nach dem Prozess „Moro 1“ im Januar 1983 zu lebenslänglich verurteilten Personen hat, abgesehen von den wenigen, die zu „Reumütigen“, also Verrätern wurden, die große Mehrheit noch mit dem Knast zu tun. (In den späteren Jahren gab es noch weitere Prozesse „Moro 2“ bzw. „Moro 3“, an denen ein weiteres Dutzend Personen beteiligt war). Und zwar in dem Sinne, dass nach den gesetzlichen 16-21 Jahren Knast auf Antrag und nach dessen Genehmigung auch ein Lebenslänglicher in „Halbfreiheit“ entlassen werden kann, d.h. er kann tagsüber hinausgehen, um zu arbeiten, doch abends, jeden Abend, muss er wieder in den Knast zurückgehen. Der größte Teil dieser Genossinnen und Genossen führt seit zehn Jahren oder auch mehr ein solches Leben.

3. Wir mussten in der jW nach dem “RAF-Phantom” wieder mal einen Aufguss der Geschichte von der Geheimdienst gesteuerten Guerilla lesen. Wodurch entstand das Gerücht, die Entführung von Aldo Moro sei vom Geheimdienst gesteuert worden?

Im Versuch, mit der breit verwurzelten revolutionären Bewegung fertig zu werden, die ihre Ursprünge in den Julitagen von 1960 (Aufstandsbewegungen in Genua, Reggio Emilia und Palermo gegen eine DC-Koalitionsregierung mit den Faschisten) und natürlich im Jahr 1968, in den Arbeiterkämpfen von 1969-1973 hat, setzte der Staat vor allem Massaker und Spione ein, doch dies erwies sich immer als nicht ausreichend und kontraproduktiv. Daher stammte die Idee der „nationalen Einheit“, des Einsatzes des politisch-ideologischen und physischen Apparates der PCI und der CGIL (kommunistischer Gewerkschaftsbund), die zur konterrevolutionären Intelligenz umgedreht wurden, in den Fabriken, Stadtteilen, Schulen, des gesellschaftlichen Lebens insgesamt. Diese Apparate machten sich Mitte der siebziger Jahre aus den hier nur kurz angedeuteten historischen Gründen bereit, „die Furt zu durchqueren“, wie der heutige Staatspräsident Giorgio Napolitano, der damals in der Führung der PCI saß, eines seiner Bücher nannte. Sie machten sich bereit, ins bürgerliche Lager überzuwechseln und versuchten, diesen Schritt zu gehen, ohne einen Funken der Achtung zu verlieren, den sie noch bei den arbeitenden Massen hatten – wäre dies nämlich geschehen, so hätten sie die für die Bourgeoisie und für sie selbst so notwendige Funktion nicht mehr ausüben können. Einzelne Arbeiter vor den Fabriktoren aufzuhetzen, die Betriebsversammlungen gegen die „Extremisten“ zu steuern, indem man sie in den schlimmsten Farben malt, war für diese nun bald verstaatlichten Funktionäre zur Verpflichtung geworden, in enger Abstimmung mit Carabinieri, Polizei, Staatsanwaltschaft, Richtern, kurz mit den Geheimdiensten, mit dem Staat. Sie kamen so unweigerlich in die Situation, das eigene Wahlvolk aufzufordern, diese „Autoritäten“ zu wählen und ihnen die Sitze im Parlament und im Senat zu verschaffen, und nicht den Arbeiterinnen und Arbeitern.

4. Gab es jemals Ansatzpunkte, die diese These belegt hätten bzw. was sagt ihr zu den „Beweisen“ in Feldbauers Artikel. Zum Beispiel zum Ablauf der Aktion selbst. So wie auch im deutschen RAF-Phantom wurden bestimmte Operationen der jeweiligen Stadtguerilla nicht “zugetraut”. (Benutzung von angeblicher Gladio-Spezialmunition, Operation in eigentlich überwachtem Gelände).

Feldbauer muss offenbar Bücher oder damalige Zeitungsberichte gelesen haben, in denen die „Operation Moro“ nicht den „Rotbrigadisten“ zugeschrieben wurde, sondern einem Kommando der RAF, das von den „unfähigen“ Roten Brigaden zu Hilfe gerufen worden sein soll, da Italien solche Leute ja nicht hervorbringt. Auf diese Weise wurde allerdings der Internationalismus überhöht… und so beißt sich die Katze in den Schwanz. Natürlich hat das alles nichts mit der Realität zu tun, angefangen bei den Kontakten zwischen RAF und BR, die damals noch gar nicht bestanden. Das sind alles Spekulationen, um einen Feind auszutreiben, der aber in Wirklichkeit in den Kämpfen in Italien entsteht und sich reproduziert, der gelernt hat Operationen, Kampagnen der Stadtguerilla sich auszudenken, zu planen und durchzuführen. Jedes Mal, wenn ein Arbeiter verhaftet wurde, ein Arbeiter, der Mitglied der BR oder anderer bewaffneter Gruppen war, ging sofort die Diffamierung, die Verleumdung los, und zwar organisiert von der CGIL und der PCI. Die Biografien wurden verdreht, bis sie unglaubwürdig, lächerlich wurden, aber sofort von denen zurückgewiesen, für die sie bestimmt waren, nämlich von den Menschen, die Schulter an Schulter mit den Verhafteten gearbeitet hatten, die sie unterstützten, so gut sie konnten, auch in den Hochsicherheitsgefängnissen.

5. Wie seht ihr die politische Begründung für seine Behauptung, dass die P2-Loge und Teile des Geheimdiensts ein reaktionäres, oder gar faschistisch orientiertes Interesse an der Liquidierung Aldo Moros gehabt hätten.

Das ist eine oberflächliche Behauptung, die er genau so aus diesen Büchern übernommen hat, so wie wenn ich jetzt ein Buch über das „RAF-Phantom“ schreiben würde, dann würde ich ja eine offensichtlich lächerliche Fälschung begehen. Die italienischen Geheimdienste haben immer die Faschisten für die Zwecke des Staates benutzt, die von der Partei bestimmt wurden, die über 40 Jahre lang die entscheidende Macht über die Gewaltapparate des Staates in den Händen hielt. Es würde genügen, die Biographie von jemandem wie Guido Giannettini zu betrachten, eines Agenten des SID [militärischer Geheimdienst], der in Verbindung zu bekannten Personen der italienischen Faschisten wie Rauti, Freda und Ventura stand, um eine historisch zuverlässige Dokumentation zu liefern. Feldbauer hat also geschrieben und dabei bewusst oder unbewusst angenommen, dass nach 30 Jahren in Deutschland vielleicht höchstens noch einige Genossinnen und Genossen, ein paar Professoren, ein paar Spezialisten oder die Alten aus der Spiegel-Reaktion noch etwas über das Massaker an der Piazza Fontana und die „Operation Moro“ wissen.

6. Der aus der DDR stammende Feldbauer ist ein Vertreter des Revisionismus. Er fand den “historischen Kompromiss” zwischen Christdemokraten und PCI zum Beispiel richtig. Ist das eine Erklärung für seine Diffamierungen?

Ich weiß nicht. Man müsste wissen, aus welcher Generation er stammt, auch um zu begreifen, warum er so argumentiert. Zuerst muss gesagt werden, dass weder der „historische Kompromiss“ noch die Partei, die ihn vorantrieb, das Projekt, der Feind waren, gegen den die BR gekämpft haben. Als solche waren jene nur Teil eines umfassenderen Projekts zur Zerschlagung der revolutionären Stärke des Proletariats in Italien, ein Projekt, zu dessen intelligentesten Architekten Moro gehörte. Natürlich ist mit dem Angriff das ganze Luftschloss ins Wanken geraten. Der „historische Kompromiss“ hinkte auf allen Seiten, die Bourgeoisie nutzte ihn so gut es ging aus und warf ihn dann auf den Müll. Das geschah aber erst einige Jahre später, in der Direktion der FIAT Mirafiori in Turin im September/Oktober 1980. In dieser heiklen Phase des Klassenkampfs setzte der Staat wieder einmal ein Massaker ein: Am 4. August ließ er im Wartesaal des Bahnhofs von Bologna eine Bombe explodieren, es gab 85 Tote. In den Monaten davor hatte der Staat den BR harte Schläge versetzt, so dass er wusste, dass sie nicht mehr in der Lage waren, mit so großer Intelligenz wie sonst in den Kampf der Arbeiterklasse bei FIAT einzugreifen. Die PCI hütete sich, außer allgemeinen Erklärungen und unmittelbarer Unterstützung, den Kampf auszuweiten, und die CGIL unterschrieb gegen die Arbeiter, aber zusammen mit anderen Gewerkschaftsverbänden das FIAT-Dokument, in dem die ersten Massenentlassungen bei FIAT seit 1950 vorbereitet wurden, d.h. die Kurzarbeit zu Null Stunden für 24.000 Arbeiter. Vor den Fabriktoren der FIAT starb vor den Augen der Arbeiter, die fassungslos und voller Wut und Ohnmacht die „Unità“ [Tageszeitung der PCI] verbrannten, auch der „historische Kompromiss“.

Nach dem , was Feldbauer schreibt, muss er die Bücher von Sergio Flamini und von Gianni Cipriani gelesen haben, beides Journalisten und Intellektuelle, die aus der PCI kommen, aber nicht mehr die soziale Basis, die politische Motivation und den Parteiapparat auf ihrer Seite haben. Sie schreiben hauptsächlich für Cliquen von Polizisten, Richtern usw., mit der Unterstützung einiger Verräter, Buch um Buch über die jüngste Entdeckung einer angeblichen „engen Verbindung“ zwischen BR und Gladio, wobei doch von all dem, von dem sie gerne möchten, dass es existiert haben soll, doch überhaupt nichts existiert hat. Diese Bücher können heute bei den jungen Generationen vielleicht Verwirrung stiften, aber auch nicht mehr sehr viel. Letztendlich spricht die Praxis der BR, die Biografien der Genossinnen und Genossen, die ihre Intelligenz und ihr Leben in dieser kollektiven Praxis eingesetzt haben, wesentlich mehr. Diese Schreiberlinge im Dienst des Staates stimmen sich heute sogar mit den Regierungen ab, wie man Einwanderer jagt oder in den Krieg zieht.

7. Gibt es Italien auch so eine ähnliche Geschichtsschreibung wie die von Feldbauer?

Ja, teilweise wird sie von Feldbauer zitiert, aber vor allem, wie ich glaube, hat er sie in unkritischer Weise gelesen und gibt sie verkürzt und übereilt wieder, ohne jemals die Genossinnen und Genossen in Fleisch und Blut zu erwähnen, die außer bei ihrer Verhaftung und an den lange Tagen der Folter nie einen Geheimdienstagenten zu Gesicht bekommen haben. Ihn interessiert das alles nicht. Auch er, wie seinesgleichen in Italien, geht von einer These aus, für deren Darlegung man die wirkliche Geschichte schon radikal manipulieren muss. Zusammen mit anderen wollen sie die jungen Generationen davon abhalten, eine revolutionäre Praxis zu beginnen, müssen dafür aber die Geschichte derer verdrehen, die diese revolutionäre Praxis versucht haben, und sie so umschreiben, dass sie Hinz das zuschreiben, was Kunz gemacht hat und z.B. den BR das Massaker vom 12. Dezember 1969 in die Schuhe schieben. So tragen sie dazu bei, dass das Proletariat geschwächt und auch weiterhin ausgebeutet und unterdrückt wird, indem sie seine Geschichte negieren, seine Orientierungskraft und seine Fähigkeit zu agieren, zu denken und den Horizont der Gesellschaft zu verändern. In diesem Sinne tragen sie eine große Verantwortung gegenüber dem Proletariat der ganzen Welt.

Mailand, 2. August 2008

http://political-prisoners.net/item/3801-zu-feldbauers-artikel-in-der-jungen-weltjw-vom-510.html

Grußbotschaft der Arbeitskonferenz 2014 der Roten Hilfe International

Kobane-RHI

Wir schicken euch – den politischen Gefangenen – kämpferische, solidarische Grüße in die Knäste!

Die objektive Situation, die sich zuspitzenden Widersprüche in der kapitalistischen Krisenspirale eröffnen dem Widerstand neue Möglichkeiten, die durch zunehmende Repression unterbunden werden sollen.

„Prekarisierung, Arbeitslosigkeit und Krieg sind im Alltag banale Realität und nichts was die Anhänger des globalisierten Systems in seinem fortgeschrittenen Stadium noch verstecken. Die imperialistische Bourgeoisie verstärkt immer weiter ihr Repressionsarsenal. […]

Sie lassen schamlos ganze Bevölkerungen […], verhungern, sie erklären Kriege und Embargos gegen dieses oder jenes Land […].“

Georges Ibrahim Abdallah 

Die einzige und richtige Antwort auf diese Repression muss die Weiterentwicklung des revolutionären Prozesses sein. Ein integraler Bestandteil dieses Prozesses ist der Aufbau und die Etablierung internationaler Solidarität, die wir in dem Projekt des Aufbaus der Roten Hilfe International sehen.

Auch in diesem Jahr hat die Entwicklung der internationalen Solidarität in Form unserer Organisierung weiter Kontur angenommen. Seit über 14 Jahren gründet der Prozess des Aufbaus der Roten Hilfe International auf der Idee, dass die Solidarität mit den revolutionären Gefangenen ein Bereich sein muss, in dem die Meinungsverschiedenheiten soweit möglich verschwinden sollten. Es geht nicht darum die politischen Unterschiede zu verneinen, es geht darum zu verstehen, dass es Bereiche gibt, wo sie mehr oder weniger präsent sein sollen. So wie die revolutionäre Bewegung die politischen, ideologischen und strategischen Debatten braucht, braucht sie auch Einheit in grundsätzlichen Fragen wie dem Widerstand gegen die Repression und die Solidarität mit den Gefangenen.

Auch aktuell finden auf verschiedenen Ebenen Angriffe auf antagonistische Strukturen statt gegen die wir und andere Widerstand organisieren. Einige Beispiele:

– in Indien gibt es in über 200 Knästen mehr als 10.000 politische Gefangenen. Wir haben deshalb am 15. August (am Nationalfeiertag in Indien) zu einem internationalen Aktionstag aufgerufen, um die Situation der Gefangenen zu problematisieren und ihre Freiheit zu erkämpfen. Anlässlich des Aktionstages fanden international verschiedene Solidaritätsaaktivitäten statt.

– Am 24. Oktober begann für Georges Ibrahim Abdallah das 31. Jahr seiner Inhaftierung. Georges ist ein 63jähriger libanesischer militanter Kommunist, der 1984 in Lyon verhaftet und zu lebenslanger Haft wegen Aktionen der „Fraktion Bewaffneter Libanesischer Revolutionäre“ (FARL) verurteilt wurde, für die er die politische Verantwortung übernommen hatte. Dazu gab es eine internationale Aktionswoche vom 17. bis 25. Oktober, in denen weltweit zahlreiche verschiedene Aktivitäten stattgefunden haben, an denen wir uns auch als RHI beteiligt haben.

– In Griechenland wurde im Juni ein Gesetz zur Einführung von Isolationstrakten für politische und widerständische Gefangene – ganz nach dem Vorbild von Stammheim und den F-Typ Gefängnissen in der Türkei – verabschiedet. Dagegen traten 4500 Gefangene in Griechenland in den Hungerstreik. Parallel fanden in Italien, Schweiz, Deutschland und Belgien eine Veranstaltungsrundreise zu der Situation in Griechenland.

Auf Grund einer Initiative von uns traten 8 Gefangene aus der Schweiz und aus Deutschland in einen Solidaritätshungerstreik. Diese Inhaftierte kamen aus unterschiedlichen politischen Spektren. Wir konnten das solidarische Band von drinnen nach draußen, aber auch unter den Gefangenen weltweit enger knüpfen. Jetzt steht die Verlegung der politischen Gefangenen in den Hochsicherheitsknast in Domokos an, der erste Gefangene soll Nikos Maziotis (Revolutionärer Kampf) sein. Wir sind bereit, darauf zu reagieren.

Die Notwendigkeit eines internationalen Austauschs und der Koordinierung, die letztlich auch in die gemeinsame Organisierung der internationalen Solidarität münden muss, steht auf der Tagesordnung. So droht den rückkehrenden KämpferInnen aus Kobane aufgrund ihrer Praxis Repression. Wir sind bereit, auch darauf zu reagieren.

„Die Barbarei des Kapitals und ihre verheerenden Kriege in den Peripherien des Systems, und das Elend, das sie verursachen wird, kann nur zu größerer Mobilisierung und Kampfbereitschaft der Volksmassen führen und überall auf dem Planeten Proteste und Revolten hervorrufen.“

Georges Ibrahim Abdallah

Venceremos

Arbeitskonferenz 2014 der Roten Hilfe International

Belgien, Schweiz, Deutschland, Italien, Türkei-Kurdistan

www.rhi-sri.org

Erklärung von Nikos Maziotis, Mitglied des Revolutionärer Kampf, für die Ehrerweisung an die RAF und die Revolutionärin Ulrike Meinhof durch die Internationale Roten Hilfe.

Am 7. Oktober werden 80 Jahre seit der Geburt der Revolutionärin Ulrike Meinhof, eines der Gründungsmitglieder der Guerillagruppe RAF, vergangen sein. Meinhof, und die RAF haben einen Platz im Pantheon der Geschichte der revolutionären Bewegungen für die Befreiung der Menschheit von den Übeln der Unterdrückung und Ausbeutung gewonnen. Sie haben eine unauslöschliche Spur in der Geschichte hinterlassen; sie sind der Massstab für Generationen von RebellInnen und KämpferInnen. So wie für die RAF die antiimperialistischen und antikolonialen Kämpfe der Völker der Dritten Welt, wie die der VietnamesInnen und der Tupamaros ein Vorbild waren, so wurde die RAF zu einer Quelle der Inspiration und des Bezugs für Generationen von RebellInnen, sicher für viele in meiner Generation. RevolutionärInnen wie Meinhof trafen Entscheidungen, die sie dazu brachten alles zu wagen, um ihr Leben und ihre Freiheit im Kampf zu riskieren, wie alle anderen, die sich für den Pfad des Guerilla-Kampfes entschieden haben. Viele von ihnen wurden in bewaffneten Kämpfen gegen die Hunde des Staates getötet, sie starben im Hungerstreik im Gefängnis oder wurden in Gefängnissen getötet. Ulrike Meinhof wie auch Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe wurden ermordet, während sie Gefangene in den Gefängnissen von Stammheim waren, sie bezahlten den Preis dener, die sich für den Weg des Guerilla-Kampfes entschieden hatten. Derselbe Preis wurde von Puig Antich, Agustin Rueda, Oriol Solé, Mara Cagol, Anna Maria Ludman, Lorenzo Betassa, Riccardo Dura, Piero Panciarelli, Christos Kassimis, Christos Tsoutsouvis, Thomas Weisbecker, Georg von Rauch, Mario Galesi und Lambros Foundas bezahlt. Die Liste derer, die af dem Schlachtfeld starben ist sowieso endlos. Der Preis wurde von denen bezahlt, die als Gefangene im Hungerstreik starben, wie Holger Meins und Sigurd Debus, den Mitgliedern der IRA oder den kommunistischen Kämpfern in der Türkei im Hungerstreik im Jahr 2000. Der Preis wurde von denen bezahlt, die viele Jahre im Gefängnis verbrachten und bis zum Ende standhaft blieben, wie Joëlle Aubron, Prospero Gallinari oder der libanesische Rebell Ibrahim Abdullah, der seit 1984 in Frankreich inhaftiert bleibt. Wer sich dafür entschied, ein Rebell zu sein und sich für den bewaffneten Kampf und den Guerillakrieg entschied weiss, dass der Weg zur Befreiung des Menschen aus den Fesseln des Kapitals, des Imperialismus und des Staates nicht mit Blumen bestreut ist, sondern mit dem Tod, mit Blut, Kugeln, mit Gewalt, Gefängnis und Isolation gepflastert ist, was alles grosszügig von unserem Feind angeboten wird.

Ulrike Meinhof ist unter denen, die ein leuchtendes Beispiel sind, die bis zum Ende konsequent blieben. Meinhof, wie so viele andere GenossInnen, die sich den Reihen der Aufständischen anschlossen, durchbrachen die etablierten Rollen der sexistischen Gesellschaft, die Frauen als untergeordnete oder unterwürfige Underdogs der Männer sahen und änderten ihre Stellung als würdige und gleichwertige KämpferInnen, die mit der Waffe in der Hand kämpften. Wir vom Revolutionärer Kampf glauben, dass die beste Ehrung unserer KameradInnen die ihr Leben im Kampf gaben, die Fortsetzung desselben Kampfes ist, in dem sie fielen. Heute, mehr als 40 Jahre nach der Gründung der RAF und unter völlig anderen Bedingungen; unter den Bedingungen der globalen kapitalistischen Krise – die längste in der Geschichte des Kapitalismus – ist der Mangel an bewaffneten Aktionen in den Städten des entwickelten kapitalistischen Territoriums Europa und den USA deutlicher als je zuvor. Heute unter den Bedingungen des globalen Kapitalismus, entgegen der Überzeugung der 70er Jahre, dass die Front des imperialistischen Krieges in den Ländern der Dritten Welt wie Vietnam ist und die Rückseite in dem Gebiet Europas liegt, wo die amerikanische Kriegsmaschine auftankt, sind heute die vordere und die Rückseite des sozialen und des Klassenkampfes in der gleichen Gegend, in der der Europäischen Union und den USA. Es ist hier, wo die Entscheidungen für den brutalen Angriff des transnationalen Kapitals gegen die Menschen unter dem Vorwand der Schuldenkrise getroffen werden, wo der grösste Sozialraub orchestriert wird, die grösste Umverteilung von unten nach oben in der sozialen Hierarchie. Das heisst, in Deutschland, in Frankfurt, wo das Hauptquartier der Europäischen Zentralbank ist, in Paris, wo der Internationale Währungsfond einen Sitz hat, in Brüssel, wo der Sitz der Europäischen Union ist. Heute in Europa und in den Städten des entwickelten Kapitalismus, ist der bewaffnete Kampf notwendiger denn je. Um das Kapital der Europäischen Union zu zerstören, ist es notwendig, ein System zu untergraben, das in der grössten Krise seiner Geschichte steckt.

Der Kampf heute wird am Beispiel all derer geführt, die in früheren Zeiten ihr Leben gaben oder im Gefängnis eingesperrt waren und ungebrochen blieben.

Ehre für Ulrike Meinhof

Ehre den Toten des sozialen und des Klassenkampfes

Ehre den Reuelosen

Nikos Maziotis Mitglied des Revolutionärer Kampf

Ulrike war ein Teil des Kollektiv RAF – Orientierung im revolutionären Kampf!

Am 7. Oktober jährt sich der Geburtstag von Ulrike zum achtzigsten Mal. Anlass sich im Kontext wichtiger Fragestellungen des revolutionären Prozesses mit dem Stellenwert des bewaffneten Kampfes auseinander zu setzen: seine historische Einordnung, seine aktuelle Bedeutung. Denn Geschichtsbewusstsein erlaubt die Ettapisierung des revolutionären Prozesses und darin die Bestimmung der aktuellen Phase.

Für uns war Ulrike immer Teil des Kollektivs RAF und damit Orientierung im revolutionären Kampf. Und von dessen Aktualität gehen wir aus, auch wenn uns vergangene Fehleinschätzungen und die momentanen schwierigen gesellschaftlichen Verhältnisse nicht entgangen sind. Imperialistische Kriege, reaktionäre und klerikale Mobilisierungen, Flüchtlinge, Abbau sozialer Errungenschaften sollen kein Anlass für eine revolutionäre Veränderung sein? Ohne Zweifel, das Kräfteverhältnis dafür war schon besser, doch gerade darum braucht es die Anstrengungen zum Aufbau der revolutionären Seite! Denn diese gesellschaftlichen Krisenprozesse erzeugen nicht automatisch revolutionäres Klassenbewusstsein. Gleichzeitig bringen jedoch die fundamentalen Strukturveränderung in den hochindustrialisierten Metropolen ein grosses ‚Unruhe- und Gewaltpotential’ mit sich.

Es passt ausgezeichnet in die politische, militärische und kulturelle reaktionäre Offensive der Herrschenden, dass auch die letzten Spuren der revolutionären Erfahrungen der 1970er Jahren aus dem Gedächtnis getilgt werden sollen. Offensichtlich steckt der revolutionäre Stachel, dieser ‚fundamentaler Fehltritt der Geschichte’ wie es in den bürgerlichen Medien geheissen hat, noch immer tief. Wo es dem kapitalistischen Staat nicht gelingt Widerstand zu integrieren muss er mit allen Mitteln vernichtet werden: Die Militanten, die Gefangenen, die Ideen und ihre Geschichte.

Dagegen sehen wir unser Geschichtsbewusstsein. Diese historischen Erfahrungen sollen aufgearbeitet und somit für die heutigen Debatten nutzbar gemacht werden. Der bewaffnete Kampf für eine kommunistische Gesellschaft war nicht das Hirngespinst einiger Wirrköpfe, sondern Antwort auf eine konkrete gesellschaftliche Situation in den 1960er und 70er Jahren. Während in den hochindustrialisierten Ländern es den Herrschenden gerade auch auf der Grundlage des Mehrprofits aus den kolonialisierten Länder gelang die Ausbeutung sozial abzufedern und revolutionäre Ansätze zu zerschlagen, hatte sich mehr und mehr der Widerspruch zwischen dem kolonialen und feudalen Trikont und den imperialistischen Zentren als der entscheidende revolutionäre Faktor herausgestellt – Algerien; Cuba; Vietnam; Angola; etc. Verheissungsvoll waren die Kämpfe in Afrika, Asien und Lateinamerika in den 70er Jahren. Dieser Tatbestand war nicht ohne Folgen auch für die revolutionäre Theorie und Strategie in den Metropolen geblieben. Insbesondere in der BRD.

Aufbauend auf der Neubestimmung des Subjekts der sozialen Umwälzung, der Lehre von der ursprünglichen sozialistischen Akkumulation und des Übergangs der neudemokratischen in die sozialistische Revolution entwickelten diese Länder bzw. Befreiungsbewegungen in der Auseinandersetzung mit ihren Unterdrückern die Strategie des langandauernden revolutionären Volkskrieges Die Revolutionierung des Trikont, die nach ihrem Sieg auf die hochindustrialisierten Länder übergreifen würde. Eine Internationalisierung des Klassenkampfes mit grosser Auswirkung auf die revolutionären Bewegungen in den Metropolen. Die Befreiung der unterdrückten und vom Imperialismus ausgebeuteten Völker durch die antiimperialistischen Befreiungsbewegungen ermöglichte auch der revolutionären Linken in Europa eine neue Machtperspektive.

Allerdings war dieser Aufbruch ganz und gar nicht determiniert, sondern es galt die Entwicklung aktiv zu fördern. Innerhalb des jeweiligen objektiven Rahmens müssen Entscheidungen getroffen, die richtige Möglichkeit unter verschiedenen ausgewählt werden. Mit anderen Worten, objektive Verhältnisse bedeuten nie die Hände in den Schoss zu legen und auf ‚günstigere’ Verhältnisse zu warten. Aufgrund des globalen Charakters des Imperialismus war er auch an jedem Ort angreifbar und durch eine zusätzliche Front weiter zu schwächen. Insbesondere in Deutschland und den USA war dieses Verhältnis zentraler Impuls für die revolutionäre Bewegung.

Am konsequentesten wurde die Verbindung zwischen diesem theoretischen Ansatz und der revolutionären Praxis in Europa durch die Stadtguerilla hergestellt. Besonders der Kampf des Vietcong und die damit verbundene internationalistische Solidaritätsbewegung war quasi die subjektive Bedingung aus der sich die Rote Armee Fraktion entwickelt hatte. Es war dieser antiimperialistische Kontext der die strategische Funktion der Stadtguerilla definierte: Die Einkreisung der Metropolen durch die Befreiungskämpfe, durch den Aufbau der äusseren Front zu ergänzen. Mit militärischen Interventionen sollte das imperialistische Hinterland destabilisiert werden. Die RAF bezog sich in ihrer strategischen Orientierung einerseits auf die chinesischen Kommunisten Lin Biao anderseits auf Mao. Lin Biao stellte zwischen dem langandauernden Volkskrieg und der Weltrevolution eine Analogie her, nach der die ‚Weltdörfer’ die ‚Weltstädte’ langsam einkreisen würden. Von Mao wiederum wurde die Volkskrieg-Theorie der inneren und äusseren Linien übernommen. Die äussere Linie waren die Metropolen, also auch die BRD.

Unmittelbare strategische Bedeutung für die Stadtguerilla kam dabei der Focus-Theorie zu, in der das Verhältnis zwischen den kämpfenden Avantgarde und den Massen neu definiert wurde. Die Tupamaros in Uruguay interpretierten dieses Konzept so, dass es für die Stadtguerilla in Europa bestimmte Vorbildfunktion hatte. Sie begannen ihren Kampf in geographischen Verhältnissen die für einen ruralen Guerillakampf nicht geeignet war. In den urbanen Zentren, in Montevideo, hingegen sei der Klassenkampf so polarisiert, dass die Guerilla sich wie der Fisch im Wasser bewegen könne. Die Verbindung mit der sozialen Basis würde wiederum durch die bewaffneten Aktionen geschaffen, der bewaffnete Kampf könne ohne Massenorganisation begonnen werden. Die bewaffnete Aktion bringe nicht nur revolutionäres Bewusstsein sondern auch revolutionäre Bedingungen hervor.

Tatsache ist, dass es kleine bewaffnete revolutionäre Stadtguerilla-Gruppen mit gezielten Angriffen schaffen den kapitalistischen Staat herauszufordern, blosszustellen und zu verunsichern. Bewaffnete Aktionen, Feuergefechte mit den Repressionskräften, erfolgreiche Expropriationen, die Etablierung origineller Prinzipien der Konspiration, der Aufbau von illegalen Strukturen, waren auch in Europa erfolgreich. Allerdings fehlte in diesem Zusammenhang eine weitergehende politische Machteroberungsstrategie. Ohne politischen Aufbau einer Massenperspektive diente diese Praxis letztlich dazu den empirischen Beweis zu liefern, dass bewaffneter Widerstand möglich ist. In wie weit dadurch Bewusstsein in der Klasse geschaffen werden konnte hat die Geschichte beantwortet.

Die Kämpfe, Entwicklungen und Debatten der 70er und 80er Jahre, die von Ulrike Meinhof mitgeprägt wurden, gehören mittlerweile zwar der Vergangenheit an, Sie sind bereits Ge­schichte. Doch sie sind ein historischer Abschnitt, der auch heute noch jeden Ansatz von revolutionärer und kommunistischer Politik entscheidend prägt.

Rote Hilfe des Revolutionären Aufbau Schweiz

7.10. 2014

Prisoners-Voice.org ist online!

Worum es geht:

DEN POLITISCHEN GEFANGENEN EINE STIMME GEBEN

Einhergehend mit der Entwicklung der kapitalistischen Krise, den Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der proletarischen Klasse in den Metropolen, den unterdrückten und ausgebeuteten Völkern weltweit und der sich entwickelnden Antworten darauf , immer wieder aufflackernde Revolten, Aufstände, Streiks, militanter Widerstand  am Arbeitsplatz, Bildungsinstitutionen, Wohnquartieren, Strassenkämpfen bleibt die repressive Antwort der herrschenden Klassen nicht aus. Davon betroffen sind im speziellen Masse auch die politischen Gefangenen. Isolationshaft, differenzierter Strafvollzug und Zensur sind nur einige Merkmale davon. Ziel ist es, ihnen jegliche Möglichkeiten zu nehmen weiterhin aktiver Teil der Klassen- und Befreiungskämpfen wie revolutionären Kampfes zu bleiben und mit ihren Erfahrungen einen wichtigen Beitrag in dessen Entwicklung zu leisten.

Die nützlichste Solidarität mit militanten, revolutionären Gefangenen ist die Entwicklung des revolutionären Kampfes draussen – sie daran teilhaben zu lassen, also Teil der Dynamik dieser Kämpfe, ihren Debatten und Theoretisierungen zu sein, ist das Ziel dieser Website! Sie ist eine konkrete Antwort auf die totale Zensur gegen die Militanten Gefangenen für eine PCP-m. Diese Gefangenen, wie viele andere auch, hatten sich seit ihrer Verhaftung (2007) mit programmatischen Texten immer wieder in die Dynamik der Kämpfe draussen eingebracht. Zuletzt in den im September 2013 organisierten Knastkämpfen Italiens.Mit ihrem Text lösten sie eine Debatte aus, an der sie sich aber nicht mehr beteiligen konnten, da die staatliche Zensur ihnen jegliche politische Kommunikation mit Draussen verunmöglicht.

Unsere Antwort darauf ist längst fällig und ist natürlich nicht auf sie beschränkt… gerne erweitern wir die Publikation mit politischen Texten anderer Gefangenen…..

Diese Initiative reiht sich ein in die diversen Kampffronten des revolutionären Kampfes, als Teil eines Ganzen.

Texte der angeklagten GenossInnen der griechischen Guerillagruppe Revolutionärer Kampf
wie jene der kommunistischen Militanten Gefangenen für die PCP-m sind zur Zeit auf der Website zu finden.

Mehr auf: http://prisoners-voice.org/de/index.php

Dokumente: “Revolutionärer Kampf”

Anlässlich der Verhaftung von Nikos Maziotis in Athen am 16.7 wollen wir an dieser Stelle ein weiteres Mal auf die Dokumente der militanten anarchistischen Gruppe “Revolutionärer Kampf” hinweisen, zu der Nikos und andere gehören.

Gesammelte Dokumente RK (englisch)

Internationale Solidarität 9 der RHI (deutsch)