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ak 612: Ein starker Aufschwung der Organisierung

Wirtschaft & Soziales – Seit eineinhalb Jahren kämpft die Gefangenengewerkschaft für die Rechte Inhaftierter

Von Christof Mackinger

Er wurde 2009 wegen seiner Beteiligung an militanten Aktionen der militanten gruppe (mg) gegen Polizei, Arbeitsämter und zuletzt Militärinfrastruktur zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. »Ich wurde in den späten 1980er Jahren politisiert. Das war eine Zeit, in der es noch relativ agile Gefangenenkollektive politischer Aktivisten gab.« Doch das hat sich geändert. Oliver Rast war schon vor seiner Inhaftierung als Basisgewerkschafter aktiv – bei den Wobblies (Industrial Workers of the World) und der syndikalistischen Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union. »Aufgrund meiner Isoliertheit in Haft als politischer Gefangener musste ich gucken, ob es da nicht eine Möglichkeit gibt, Inhaftierte unter einem ganz anderen Label zusammenkommen zu lassen.« Und die gibt es: Im Mai 2014 hat Rast mit dem seit 20 Jahren inhaftierten Juristen Mehmet Aykol in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Berlin Tegel die Gefangenengewerkschaft gegründet, aus der die Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO) entstanden ist. »Wir hatten damals keine Vorstellung, dass aus zwei Menschen innerhalb von eineinhalb Jahren knapp 850 Inhaftierte in über 70 Haftanstalten werden könnten.« Mit einer Unterstützungsstruktur außerhalb der Gefängnisse wird »das solidarische Band zwischen Drinnen und Draußen« nochmal gestärkt. Diesem Kreis gehört Oliver Rast nach seiner Entlassung auch weiterhin an.

Ein Freiraum für Unternehmer …

Warum die Idee einer Gewerkschaft hinter Gittern bei so vielen Inhaftierten auf Zuspruch stößt? In Deutschland sind derzeit rund 63.000 Menschen inhaftiert, in Österreich etwa 8.800. Während für Strafgefangene in ganz Österreich Arbeitspflicht herrscht, ist der Justizvollzug Deutschlands aufgrund der Föderalisierung seit 2006 Ländersache und dementsprechend zerfasert. In nur mehr zwölf Bundesländern existiert eine Arbeitspflicht in Haft, wobei Gefangene der übrigen Bundesländer aufgrund des ökonomischen Drucks meist ohnehin auch arbeiten müssen. Die gesetzliche Regelung zur Arbeitspflicht lautet etwa in Hamburg: »Die Gefangenen sind verpflichtet, eine ihnen zugewiesene, ihren körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Beschäftigung auszuüben«. Was sie arbeiten, können sich die Betroffenen in der Regel nicht aussuchen.

Viele der Inhaftierten sind in »Systemerhaltungsbetrieben«, wie Anstaltsküchen, Wäschereien etc. beschäftigt. Daneben lassen die meisten größeren Haftanstalten für den behördlichen Eigenbedarf produzieren, so Oliver Rast. »Faktisch jede Landesbehörde, von der Kindertagesstätte bis zum Ministerium lässt in den Haftanstalten produzieren. Die gesamte Bestuhlung des Berliner Abgeordnetenhauses wurde in der Polsterei der Haftanstalt Berlin Tegel gefertigt. Da wir den Eindruck haben, dass die Berliner Abgeordneten auch bequem sitzen, werten wir das als Hinweis, dass kein Ausschuss produziert wird – im Knast da wird Qualitätsarbeit geschaffen!« Darauf deutet auch der §34 Abs. 5 im Hamburger Strafvollzugsgesetz hin: »Sind Gefangene zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, sollen sie arbeitstherapeutisch beschäftigt werden.« Eine wirtschaftliche Verwertung ist also durchaus eingeplant; jeden Zweifel daran räumt die moderne Ausstattung mit Arbeitsgerätschaften so mancher JVA-Werkstätten aus; genauso die umfangreichen, an Ikea erinnernden Kataloge, in denen die hinter Gittern gefertigten Waren feilgeboten werden. (1)

Dass es um Gewinne geht, lässt auch die Umwerbung der Privatwirtschaft vermuten, Aufträge an Haftanstalten zu vergeben: »Ein kluges Konzept für wirtschaftliches Produzieren. Freiraum für Unternehmer!«, so die Website der Arbeitsbetriebe bayerischer Justizvollzugsanstalten. Sachsens Gefängniswerkstätten werden als »verlängerte Werkbank des Handwerks und der Industrie« angepriesen, die »Auftragsspitzen schnell und kompetent abfangen« können. Eine aktivierende Befragung der GG/BO-Mitglieder zeigte, dass dies auch gerne in Anspruch genommen wird: So produziert der weltgrößte Hersteller von Windkraftanlagen, Enercon, über Subunternehmen in niedersächsischen JVA-Betrieben elektrische Bauteile, und international agierende Automobilzulieferer lassen Kunststoffkomponenten hinter Gitter fertigen.

So unterschiedlich die Auftraggeber_innen auch sein mögen, so einheitlich ist die Entlohnung weit unter jedem gesetzlichen Mindestlohn. Der Verdienst in Haft ist gesetzlich in fünf Vergütungsstufen geregelt. »Die meisten liegen mit ihrem Lohn zwischen acht und 15 Euro pro voll geleistetem Arbeitstag. In der Stunde sind das durchschnittlich 1,50 Euro«, so der Sprecher der GG/BO Oliver Rast. »Ich selbst hatte in der Buchbinderei der JVA Berlin Tegel zuerst die Vergütungsstufe zwei, später die drei. Das machte etwa 11 Euro Tagessold aus.«

Die Arbeitsbedingungen in deutschen Haftanstalten sind überaus flexibel. In gleich mehreren Landesstrafvollzugsgesetzen heißt es: »Es gelten die von der Anstalt festgelegten Arbeitsbedingungen.« Dies und die Tatsache, dass Auftraggeber_innen auf Lohnnebenkosten, wie Sozialabgaben etc. verzichten können, macht Gefängnisse tatsächlich zu »Freiräumen für Unternehmer«. Weder wird in die Pensionsvorsorge inhaftierter Arbeiter_innen eingezahlt noch werden sie im Fall einer Erkrankung entlohnt. So droht ihnen, vor allem nach langjährigen Haftaufenthalten, die Altersarmut – trotz geleisteter Arbeit. Eine miserable finanzielle Situation im Alter trägt nicht gerade zum positiven und abgesicherten Neuanfang nach einer Haftentlassung bei, ist doch Armut noch immer einer der Hauptfaktoren, der Menschen hinter Gitter bringt.

… nur beschränkt durch Arbeitskampf

Genau hier setzen die Forderungen der GG/BO an: Sie fordert neben dem Recht auf gewerkschaftliche Organisierung die Einbeziehung in den allgemein gesetzlichen Mindestlohn und in das komplette Sozialversicherungssystem, insbesondere die Einzahlung in die Rentenkasse. Doch wie können Gefangene von grundsätzlichen Arbeitsrechten ausgenommen sein? »Den Inhaftierten wird der Arbeitnehmerstatus mit dem administrativen Trick verweigert, dass die Arbeit hinter Gittern keine richtige Arbeit sei, sondern einem behandlungstherapeutischen Konzept folge«, so Rast. »Dazu kommt der Punkt, dass es eine Arbeitspflicht gibt, also laut dem Staat kein privatrechtliches Arbeitsverhältnis eingegangen wurde.« Die Durchsetzung der GG/BO-Forderungen hätte weitreichende Folgen: »Dann würde das deutsche Betriebsverfassungsgesetz gelten, und es würden auch Mitbestimmungsbefugnisse der Beschäftigten greifen. Deswegen hat ganz sicher der gesamte Justizapparat Bedenken, weil dies hieße, dass der deutsche Strafvollzug ein ziemlich anderes Gesicht bekäme.«

Momentan sind die inhaftierten Kolleg_innen noch weit von einer Umsetzung ihrer Forderungen entfernt, sie organisieren sich aber zunehmend. Erst im November 2015 wurde die Gründung einer ersten österreichischen Sektion der GG/BO in der Justizanstalt Graz-Karlau bekannt.

Arbeitskampf hinter Gitter …

In Hessen haben sich Ende 2015 Inhaftierte entschlossen zu handeln: In der JVA Butzbach verfügt die Gefangenengewerkschaft mittlerweile über eine breite Basis. Inhaftierte hatten mitbekommen, dass die von ihnen gefertigten Waren, wie etwa Trampolinmatten für Spielplätze, hochpreisig verkauft werden – demgegenüber steht der sprichwörtliche Hungerlohn der Arbeiter mit nur knapp elf Euro pro Tag. Dies hat die Inhaftierten dazu veranlasst, einen Forderungskatalog auszuarbeiten, der von rund 60 Gefangenen unterzeichnet wurde. Sie forderten unter anderem die Einbeziehung in den Mindestlohn, den Erwerb von Rentenversicherungsansprüchen und die Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern und unterbreiteten der Landesjustizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) ein Gesprächsangebot. Nachdem alle Anfragen ignoriert wurden, traten mehrere Gefangene in einen angekündigten Hunger- und Bummelstreik.

Aufgrund der gesetzlichen Arbeitspflicht gibt es in Haft keine legale Möglichkeit der Arbeitsniederlegung. »Der Hungerstreik ist nun aber die Möglichkeit, dass man aus medizinischen Gründen von der Arbeitspflicht befreit wird. Deshalb ist er für die Inhaftierten die einzige legale Möglichkeit in den Arbeitsstreik zu treten,« erklärt eine Sprecherin des im Herbst 2015 gegründeten Netzwerks für die Rechte inhaftierter Arbeiter_innen, in einem Interview im Freien Radiosender radio flora. Das Netzwerk unterstützte die Inhaftierten tatkräftig von außerhalb der Mauern mit einer Kundgebung und setzte eine Solidaritätserklärung auf, für die über 150 Wissenschaftler_innen, Gewerkschafter_innen und Aktivist_innen gewonnen werden konnten. Unter großem medialen Interesse wurde der Streik nach zehn Tagen beendet. Jörg Nowak, ein Aktivist des Netzwerks für die Rechte inhaftierter Arbeiter_innen, resümiert: »Die Forderungen der Inhaftierten konnten zwar nicht durchgesetzt werden, doch das Medienecho war ziemlich gut und der Widerhall in der Öffentlichkeit besser als gedacht.« Das erste Mal seit Langem wurden Gefangene wieder als soziale Akteure mit Rechten wahrgenommen.

… und seine Schwierigkeiten

Neben den ersten konkreten Arbeitskämpfen hat die GG/BO aber auch mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. An erster Stelle stehen die Unionbusting-Maßnahmen der Haftanstalten: »Es gibt kaum einen GG/BOler, der nicht mit verstärkter Postkontrolle, Zellenrazzien, der Ablösung von der Arbeit oder mit Zwangsverlegungen konfrontiert ist. Wir haben hier die gesamte Palette der knastinternen Schikanen und Repressalien, die an unseren Mitgliedern durchexerziert werden.« Um dem zu begegnen versucht die Gefangenengewerkschaft Bündnispartner_innen im traditionellen Gewerkschaftsspektrum zu finden, das sich aber bisher recht zögerlich zur Selbstorganisierung der Inhaftierten verhält.

Daneben behindern die nur sehr beschränkten Kommunikationsmittel der Inhaftierten eine effiziente Organisierung und infolge dessen eine Demokratisierung der Gewerkschaftsstruktur: Gefangene haben keinen Zugang zum Internet und nur eingeschränkte Möglichkeiten für Telefonate. Organisatorisches hängt sehr stark von der Initiative der Unterstützer_innen in Freiheit ab. Daneben hat die GG/BO mit einer Fluktuation zu kämpfen, welche auf der aktuellen Lebenssituation vieler ihrer Kolleg_innen fußt. »In manchen Haftanstalten, wo sehr engagierte GG/BO-Kolleginnen und Kollegen am Werk sind, ist ein sehr starker Aufschwung der Organisierung zu erkennen. Mit deren Enthaftung geht jedoch oft auch ein struktureller Einbruch einher. Wir versuchen dies durch Unterstützungsstrukturen außerhalb der JVAs abzufedern« so Oliver Rast. Unterstützungsstrukturen, die noch viel Verstärkung brauchen können.

Christof Mackinger ist Politikwissenschaftler und politischer Aktivist. Im Unrast-Verlag veröffentlichte er 2015 das Buch »Radikale Ökologie«.

Informationen unter www.gefangenengewerkschaft.de.

Anmerkung:

1) Einen kleinen Einblick bietet zum Beispiel die JVA Butzbach auf ihrer Website (jva-butzbach-justiz.hessen.de) unter dem Menüpunkt »Werkhof/Eigenbetriebe«.

http://www.akweb.de/ak_s/ak612/14.htm

Deutschland: »Gefängnisse sind extralegale Billiglohninseln«

Hessen: Inhaftierte fordern Mindestlohn und Gewerkschaftsfreiheit. Sie sind in Streik getreten. Ein Gespräch mit Oliver Rast

Interview: John Lütten

Am Montag lief ein Ultimatum aus, dass Inhaftierte der JVA Butzbach dem Justizministerium gestellt hatten. Sie fordern u. a. den Mindestlohn für Arbeit in der hauseigenen Werkstätte, eine Rentenversicherung und das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung. Seit Dienstag befinden sich Gefangene im Hunger- und im Bummelstreik. Wie kam es dazu?

Etwa 50 Inhaftierte der JVA sind Mitglieder der »Gefangenen-Gewerkschaft«, und es kam dort schon häufiger zur Einschränkung ihrer Arbeit durch die Anstaltsleitung. Auslöser der jetzigen Situation war, dass Inhaftierte interne Dokumente einsehen konnten, in denen die Verkaufspreise der Waren – u. a. Trampolinmatten – standen. Den zum Teil vierstelligen Summen steht ein Tageslohn der Inhaftierten von nur knapp 11 Euro gegenüber. Sie haben daraufhin eine Petition aufgesetzt, die u.a. unsere Kernforderungen – Mindestlohn, Sozialversicherung und Gewerkschaftsfreiheit – enthält und die aktuell von 62 Gefangenen unterzeichnet wurde. Seit Ende September haben die Inhaftierten sowohl die JVA als auch das Ministerium zu einem Dialog aufgefordert. Da ihr Anliegen jedoch ignoriert wird, hatten sie Justizministerin Eva Kühne-Hörmann, CDU, schlussendlich ein Ultimatum gestellt.

René Brosius, Sprecher des Justizministeriums, hält Ihnen entgegen, dass Gefangene keine regulären Beschäftigten seien und darum auch keine entsprechenden Ansprüche hätten.

Das ist ein administrativer Trick. Tatsächlich unterliegt die Arbeit der Gefangenen keinem privatrechtlichen Verhältnis, sondern einem öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis, weshalb sie nicht als Arbeitnehmer definiert werden. Allerdings unterliegen ja auch Beamte einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis, woraus niemand ein Verbot der Koalitionsfreiheit ableiten würde. Gefangene verkaufen ihre Arbeitskraft gegen Entgelt, daher ist es auch Lohnarbeit. Inhaftierte produzieren keinen Ausschuss, sondern Mehrwert, und die Produktion hinter Gittern ist betriebswirtschaftlich organisiert. Diese und weitere Dinge zeigen: Gefangene sind abhängig Beschäftigte, darum muss auch ihnen die im Grundgesetz garantierte Koalitionsfreiheit zustehen, die laut Gesetzestext für »jedermann« gilt.

Wenn es sich um eine gewerkschaftliche Auseinandersetzung handelt, warum drohen die Insassen mit einem Hungerstreik statt mit einer klassischen Arbeitsniederlegung?

Weil in Hessen eine Arbeitspflicht besteht. Würden die Gefangenen zu einem Ausstand aufrufen, wäre das eine Aufforderung zur Meuterei, die Disziplinarmaßnahmen zur Folge hätte. Wer in den Hungerstreik tritt, unterliegt allerdings aus medizinischen Gründen nicht der Arbeitspflicht. Er ist daher die einzige Möglichkeit, sich dem Zwang zu entziehen.

Sie kritisieren das »vollzugliche Arbeitswesen« generell als »Sonderwirtschaftszone«, in der keinerlei arbeitsrechtliche Regulierung besteht, obwohl für die Privatwirtschaft produziert wird …

Die »Gefängniswirtschaft« ist ein fester Bestandteil regionaler Produktionsnetze, sie fungiert als »verlängerte Werkbank«. Eine Befragung unserer Mitglieder hat gezeigt, dass Gefängnisse u. a. für Zulieferer der Automobilbranche oder für die Elektronikindustrie produzieren – auch die Sitzpolster im Berliner Abgeordnetenhaus sind von Inhaftierten der JVA Tegel hergestellt worden. Hier findet de facto staatlich geschütztes Sozial- und Lohndumping statt. Den arbeitenden Gefangenen erwartet nach der Haft aufgrund der fehlenden Rentenversicherung die Altersarmut.

Welche Unterstützung erfahren Sie von seiten der DGB-Gewerkschaften?

Wir stellen eine zunehmende Aufgeschlossenheit für unsere Arbeit fest. Vielen Hauptamtlichen wird deutlich, dass Gefängnisse eine extralegale Billiglohninsel sind, derer die DGB-Gewerkschaften sich annehmen müssen. Wir sehen zwar, dass gewisse Berührungsängste gegenüber inhaftierten Beschäftigten existieren. Man muss sich aber vergegenwärtigen, dass wir hier von mehreren zehntausend Menschen sprechen, die faktisch im Niedriglohnsektor arbeiten – ein nicht unerhebliches Mobilisierungspotential also. Die Auseinandersetzung um den Niedriglohnsektor sehen wir als eine von mehreren Schnittmengen zwischen unserer Arbeit und der der DGB-Gewerkschaften.

GEWERKSCHAFT HINTER GITTERN

Erfahrungen aus einem Jahr Gewerkschaftsarbeit – vier Fragen an Oliver Rast (GG/BO)

Wer oder was ist die Gefangenengewerkschaft? Wofür steht sie und was sind ihre Ziele?

Wir haben uns im Mai letzten Jahres als selbstorganisierte Gewerkschaftsinitiative von Gefangenen in der JVA Tegel gegründet. Die Gefangenen kommen Tag für Tag an der Werkbank zusammen und werden dort mit ihrer hochgradig prekären Arbeitssituation konfrontiert: Billiglohn, Akkordhetze und keine Rentenversicherung, was für viele nach der Entlassung das direkte Ticket in die Altersarmut bedeutet. Dabei konzentrieren wir uns aktuell auf zwei Kernforderungen: Sozialversicherungspflicht für inhaftierte Beschäftigte und die Einbeziehung der arbeitenden Gefangenen in den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Über diese Etappen streben wir die volle Gewerkschaftsfreiheit hinter Gittern an. Begriffe wie Solidarität, Autonomie, Emanzipation und Sozialreform sollen innerhalb der Gefangenenpopulation keine Fremdwörter mehr sein – wir wissen, dass das ein hoher Anspruch ist.

Die Gefangenengewerkschaft gibt es nun seit einem Jahr. Was habt ihr bisher erreicht?

Zunächst einmal ist es uns gelungen, dass sich Gefangene im Verbund mit solidarischen nicht inhaftierten KollegInnen vor den Knasttoren eine eigenständige und selbstbestimmte Lobby in Sachen Gewerkschaftsfragen geschaffen haben. Die bislang unter Verschluss gehaltene Arbeitswelt hinter Gittern konnte ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Wir sind aktuell in 45 Knästen der BRD mit knapp 600 Mitgliedern präsent. Wir fahren seit Monaten ein Pensum, das uns an den Rand unserer eigenen Kapazitäten bringt – oft auch darüber hinaus!

Welche Möglichkeiten politischer Gewerkschaftsarbeit gibt es innerhalb der Gefängnismauern?

Hier sind den AktivistInnen in den Haftanstalten sprichwörtlich enge Grenzen gesetzt. Dennoch versuchen wir verschiedene Initiativen anzuleiern. Wir haben z.B. eine „Aktivierende Untersuchung“ unter den gefangenen GG/BO-Mitgliedern gestartet, um anhand einer kleinen statistischen Erhebung die „Sonderwirtschaftszone Knast“ unter die Lupe zu nehmen. Mit der anschließenden Auswertung des Datenmaterials wollen wir unseren bundesweit geplanten Aktionstag gegen die staatlich sanktionierte Billiglöhnerei hinter Gittern offensiv thematisieren. Des Weiteren haben wir ein Antragsschreiben aufgesetzt, damit die inhaftierten KollegInnen gegenüber der JVA-Arbeitsverwaltung ihren Mindestlohn einfordern können, da gefangene ArbeiterInnen weder explizit aus dem Mindestlohngesetz ausgenommen, noch einer Übergangsregelung unterworfen sind. Ein konkretes Ziel ist gleichfalls, dass wir ein Versammlungsrecht in den einzelnen JVAs durchsetzen wollen, damit sich die GG/BOlerInnen mit nicht inhaftierten AktivistInnen treffen und austauschen können.

Mit welchen Problemen und Widerständen seitens der Institutionen habt ihr zu kämpfen?

Die Schikanen nehmen in einzelnen Knästen massiv zu; der Gegenwind wird spürbar rauer: Gewerkschaftspost wird angehalten oder geht „verloren“, Zellenrazzien bei GG/BO-Sprechern, es wird mitunter ein Klima in einzelnen Hafthäusern und Betrieben erzeugt, um interessierte Inhaftierte davon abzuhalten, der GG/BO beizutreten. „Union Busting“ pur! In den JVAs Tegel, Willich, Würzburg, Frankenthal und Landsberg/Lech laufen zum Teil seit Monaten mehrere Verfahren vor Strafvollstreckungskammern, um die rechtswidrigen Attacken seitens der Vollzugsbehörden gegen die GG/BO-Aktivität hinter den Knastmauern abzuwehren. Um diesen gewerkschaftsfeindlichen Übergriffen begegnen zu können, brauchen wir als GG/BO die aktive Solidarisierung von (Basis-)Gewerkschaften und engagierten (Basis-)GewerkschafterInnen, damit sich das Modell „Kein Knast ohne GG/BO“ weiter und breiter verankern kann.

Interview: Claudia Froböse

Quelle: https://www.direkteaktion.org/229/gewerkschaft-hinter-gittern

Neues Deutschland: Kampf für Lohn und Rente

Im Gefängnis ist reine politische Organisierung out, der Beitritt zu
einer Gewerkschaft ist dagegen der Renner

Mehr als drei Jahrzehnte hörte man auf linken Demonstrationen: »Wir
sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen.« Heute hört man diese Parole
seltener. Dabei sitzen auch jetzt Aktivisten hinter Gittern.

Von Peter Nowak

»Als politische, kämpfende und widerständige Gefangene grüßen wir aus
den Kerkern der imperialistischen Bundesrepublik Deutschland die Völker
der Erde, mit dem Geist der internationalen Solidarität und der Liebe
zur Freiheit«, begann ein Aufruf, mit dem sich sieben Gefangene aus
verschiedenen Justizvollzugsanstalten anlässlich des 1. Mais zu Wort
meldeten. Der einzige deutsche Unterstützer des Aufrufs, Thomas
Meyer-Falk, bezeichnet sich selbst als anarchistischer Red-Skin. 1996
wurde er nach einen Bankraub verhaftet. Das Geld sollte linken
Projekten zufließen. Von Anfang an verstand sich Meyer-Falk als
politischer Gefangener. Er ist damit eine Ausnahme.

Die anderen Unterzeichner des Aufrufs waren in der Türkei in militanten
linken Organisationen aktiv, haben dort früher schon im Gefängnis
gesessen und sich gegen Folter und Isolationshaft gewehrt. Einige
beteiligten sich an langen Hungerstreiks. In Deutschland wurden sie
wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer ausländischen
terroristischen Vereinigung nach dem umstrittenen Paragrafen 129b
verurteilt. Seit dem 6. April befindet sich eine von ihnen, Gülaferit
Ünsal, in einem unbefristeten Hungerstreik, weil ihr in der JVA Pankow
linke Literatur und Medien verweigert oder erst mit großer Verzögerung
ausgehändigt wurden.

Die neue Gefangenenplattform erinnert in der Diktion an ähnliche
Projekte der Gefangenen der Rote Armee Fraktion (RAF) und des
antiimperialistischen Widerstands in den 70er und 80e Jahren. Sie
organisierten damals kollektive Hungerstreiks und wurden von Gruppen
draußen unterstützt. Mehr als drei Jahrzehnte hörte man auf linken
Demonstrationen die Parole: »Wir sind nicht alle, es fehlen die
Gefangenen.«

Seit die letzten Gefangenen aus organisierten linken Strukturen
freigelassen wurden, hört man diese Parolen jedoch seltener. Für
Wolfgang Lettow von der Publikation Gefangeneninfo, der seit
Jahrzehnten politische Gefangene besucht, ist diese Entwicklung
Ausdruck einer politischen Defensive. »Die durch den Kapitalismus
hervorgerufene Vereinzelung geht auch an den Weggebunkerten nicht
spurlos vorbei«, erklärt er gegenüber »nd«.

Der Sprecher der im letzten Jahr in der JVA Tegel gegründeten
Gefangenengewerkschaft, Oliver Rast, zieht aus dem Wegbrechen
organisierter linker Strukturen auch im Gefängnis Konsequenzen. »Jetzt
sollte die Frage nach einem Gewerkschaftsengagement hinter Gittern
offensiv ausgeworfen werden. Der Kampf gegen die staatlich
sanktionierte Billiglöhnerei und die arbeits- und sozialrechtliche
Diskriminierung von Gefangenen halten wir für hochpolitisch«, meint
Rast gegenüber »nd«.

Gefängnisleitungen scheinen die Neuformierung ernst zu nehmen. So
wurden in den vergangenen Wochen die Mitgliederzeitung sowie Ausweise
und Materialien der Gefangenengewerkschaft immer wieder beschlagnahmt.
Das Anwachsen der Vernetzung hinter Gittern auf über 500 Mitglieder
konnten sie nicht verhindern. Hier sieht Rast ein großes Potenzial für
eine Politisierung von Gefangenen, die wegen unterschiedlicher Delikte
inhaftiert sind.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/970952.kampf-fuer-lohn-und-rente.html

Anquatschversuche in Berlin

In Berlin kam es anfang dieser Woche zu mindestens drei Anquatschversuchen durch Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. Die Schnüffelei steht im direkten Zusammenhang mit der Gründung der Gefangenengewerkschaft GG/BO und der Entlassung von Oli aus dem Knast.

Sie kamen in den Abendstunden jeweils zu zweit und stellten sich als Mitarbeiter des VS vor. Alle Anquatschversuche und Fragen nach Oli wurden richtigerweise konsequent abgeblockt und die Tür vor dem VS zugeschlagen, worauf die Verfassungsschützer verschwanden!

Diese Reihe von Anquatschversuchen ist ein direkter Angriff der Behörden auf linke Strukturen. Das Ziel ist klar. Neben dem Versuch Informationen zu beschaffen, versucht der Verfassungsschutz direkt Menschen einzuschüchtern. Dem Mittel der Einschüchterung stellen wir unsere Solidarität entgegen.

Die jetzigen Bemühungen des VS waren nicht die ersten in diesem Jahr. Insgesamt wurden schon mindestens vier Versuche ([1]-[4]) in diesem Jahr gezählt, in dem der Verfassungsschutz direkt Informationen von linken Aktivist*innen einforderte. Dies ist eine unmittelbare Gefahr für die linke Szene in Berlin. Lassen wir das nicht unbeantwortet!

Wenn es bei euch oder in eurem Umfeld ebenfalls Anquatschversuche gab, macht das konsequent öffentlich!
Solltet auch ihr von Bullen, VS oder ähnlichen Behörden angequatscht werden, so gilt:

Lass dich auf kein Gespräch mit ihnen ein!
Gib keinerlei Auskünfte!
Schick sie weg, lass sie stehen, schmeiß sie aus deiner Wohnung, mache Anwesende auf sie aufmerksam!
Fertige sofort ein Gedächtnisprotokoll und eine Personenbeschreibung an.
Gehe zur nächsten Rechtshilfegruppe und mache den Anquatschversuch öffentlich. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dies die einzige Möglichkeit ist, den Ärger endgültig los zu werden!

Anna und Arthur halten`s Maul!

Sprechstunden:
Stadtteilladen Lunte (Neukölln)

jeden Mittwoch 19.00 bis 20.00 Uhr

Weisestraße 53//12049 Berlin

Infoladen Daneben (Friedrichshain)

jeden 2. & 4. Montag 18 bis 19 Uhr

Liebigstraße 34//10247 Berlin

[1] http://www.onesolutionrevolution.de/allgemein/anquatschversuch-des-verfassungsschutz-mit-geheimdiensten-redet-man-nicht-man-zerschlaegt-sie/

[2] http://ea-berlin.net/berlin-anquatschversuch-im-bus

[3] http://de.indymedia.org/2014/02/352032.shtml

[4] http://www.berlin.rote-hilfe.de/anquatschversuch-im-januar-in-berlin/

 

Quelle: www.berlin.rote-hilfe.de

Knastgewerkschaftssprecher wieder frei

Oliver Rast war wegen Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe« inhaftiert und wurde nun entlassen
Von Florian Osuch junge Welt 11.9.
Am Mittwoch morgen wurde in Berlin der linke Aktivist Oliver Rast nach einem Jahr Knast aus der Justizvollzugsanstalt Tegel entlassen. Knapp 20 Freunde und Genossen empfingen den Antimilitaristen. Er war wegen eines versuchten Anschlages und wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung – gemeint war die »Militante Gruppe« (mg) – zu einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Zusammen mit zwei Begleitern soll er im Juni 2007 in Brandenburg/Havel versucht haben, drei Fahrzeuge der Bundeswehr anzuzünden. Auch der Berliner Soziologe Andrej Holm war damals wegen angeblicher Zugehörigkeit zur mg zeitweise inhaftiert worden. Die Gruppierung bekannte sich zu 30 Anschlägen in Berlin und Umland zwischen Juni 2001 und Februar 2009. Betroffen waren zumeist staatliche Einrichtungen wie Polizei, Justiz und Arbeitsämter und Niederlassungen internationaler Konzerne.

Nach längerer Zeit in Untersuchungshaft verbüßte Oliver Rast seine Reststrafe im offenen Vollzug. An Werktagen konnte er tagsüber die Zelle verlassen. Im Mai vorigen Jahres wurde er erneut verhaftet, im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen eine angebliche Nachfolgegruppe der mg, die »Revolutionären Aktionszellen« (RAZ). Mindestens neun Personen wurden der RAZ zugeordnet, unter ihnen auch Rast. Vorgeworfen wurde ihnen auch die Herausgabe der konspirativ publizierten Zeitschrift radikal. Rast wurde damals aus dem offenen in den geschlossenen Vollzug zurückgebracht. Die Razzien vom 22.5.2013 fanden auf Anordnung des Bundesgerichtshofes in Magdeburg, Stuttgart und Berlin statt. Durchsucht wurden damals insgesamt 21 Objekte, darunter Wohnräume der neun Beschuldigten und ihrer Angehörigen, zwei Infoläden und Arbeitsplätze. Eine der von den Razzien Betroffenen, die junge Aktivistin Alexandra Kiss, nahm sich am 2.6.2014 das Leben (siehe jW vom 18.6.).

Während der Haftzeit gründete Oliver Rast gemeinsam mit anderen Gefangenen eine Knastgewerkschaft (jW berichtete). Die Inhaftierten fordern für ihre Tätigkeit hinter den Mauern – sowohl im Auftrag staatlicher Behörden und Ämter als auch für Firmen der Privatwirtschaft – einen entsprechenden Lohn gemäß den Regelungen zum flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Neben der minimalen Bezahlung bemängelte die Gefangenengewerkschaft, daß inhaftierte Beschäftigte von der Rentenversicherungspflicht ausgeschlossen seien, was insbesondere bei Langzeitgefangenen das Risiko der Altersarmut enorm erhöht. In einem Kommuniqué der Interessenvertretung hieß es, Knäste dürften »keine gewerkschaftsfreien Zonen« mehr sein

www.gefangenen-gewerkschaft.de

Quelle: http://www.jungewelt.de/2014/09-11/045.php

Angriff gegen griechisches Konsulat in Zürich (8.9)

Als verspäteter Beitrag zu den internationalen Solidaritätstagen mit anarchistischen Gefangenen haben wir das griechische Konsulat in Zürich am 8. September mit Farbe angegriffen. Die offizielle staatliche Präsenz Griechenlands in Zürich wurde aus zwei Gründen ausgewählt. Erstens weil in Griechenland kürzlich Nikos Maziotis, Militanter des revolutionären Kampf, nach einer Hetzjagd durch Athen und an der Schulter angeschossen verhaftet wurde. Die Verhaftung folgt nach einer staatlichen und medialen Hetze, bei der Nikos und Pola Roupa zu den meistgesuchten Verbrechern erklärt wurden und ein riesiges Kopfgeld ausgesetzt wurde. Auch nach der Verhaftung bricht die entpolitisierende Hetze gegen Nikos nicht ab. 
Zweitens weil in Griechenland kürzlich eine Reform der Knäste durchgesetzt wurde, die in absehbarer Zeit die Situation aller kämpfenden Gefangenen in Griechenland massiv verschlechtern wird. Die Reform ist eine Angleichung der griechischen Knäste an die Isolationsknäste des restlichen Europas. Aktuell wird der Domokos Knast (der fernab von allem liegt) von den bisherigen Gefangenen entleert, damit er zu einem Typ C Gefängnis (mit den schärfsten Haftbedingungen) umgebaut werden kann. Man kann annehmen, dass die Umsetzung der Reform also unmittelbar bevorsteht. 
Aus diesen Gründen wählten wir das griechische Konsulat für unseren Angriff. Wir solidarisieren uns mit allen politischen Gefangenen. Die Aktion soll auch ein Beitrag dazu sein, den Gefangenen eine Öffentlichkeit zu schaffen. Ob Marco Camenisch (Schweiz), Oliver Rast (Deutschland), Nikos Maziotis und Kostas Gournas (Griechenland), Georges-Ibrahim Abdallah (Frankreich), Vincenzo Sisi (Italien) oder all die anderen, die die Aufzählung sprengen würden – die Gefangenen beteiligen sich rege an den Debatten über den revolutionären Prozess. Nehmen wir Impulse auf, entwickeln wir weiter, führen wir den Kampf fort. 

We attacked the Greek consulate in Zürich on September 8 as a delayed contribution to the international days of solidarity for anarchist prisoners. The official representation of the Greek state in Zürich was chosen for two reasons. First of all because Nikos Maziotis (militant of the Revolutionary Struggle) was recently arrested in Greece after a manhunt through Athens and after having being shot in the shoulder. This arrest follows a campaign by the state and the media in which Nikos and Pola Roupa have been declared as top fugitives and a huge bounty has been declared for their arrests. Despite him being arrested the media campaign aiming to negate his political identity continues. 
Secondly because recently in Greece a reform of the prisons was declared which will massively worsen the situation of all fighting prisoners in Greece in the time to come. The reform is aimed to match the Greek prisons with the prisons of isolation that exist in the rest of Europe. Currently Domokos prison (which lies in the middle of nowhere) is being emptied of prisoners so that it can be transformed to a type C prison (with the most severe prison conditions). It’s to be expected that the reform will be executed shortly. 
These are the reasons why we chose the Greek consulate for our attack. We send our solidarity to all political prisoners. This action is a contribution to giving the prisoners presence. Be it Marco Camenisch (Switzerland), Oliver Rast (Germany), Nikos Maziotis and Kostas Gournas (Greece), Georges-Ibrahim Abdallah (France), Vincenzo Sisi (Italy) or all the others which would make this list endless – the prisoners contribute to ongoing debates on the revolutionary process. Let’s take up their ideas, let’s develop them, let’s continue the struggle. 

Freiheit für alle politischen Gefangenen 
Hände weg von Nikos Maziotis 

Freedom for all political prisoners 
Hands off Nikos Maziotis

Abtrennung eines Verfahrens im RAZ-Ermittlungsverfahren

Im Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte des RL/RAZ/Radikal-Konstruktes wurde Mitte August ein Ermittlungsverfahren gegen sechs von insgesamt acht Beschuldigten abgetrennt.

Es gibt nun also zwei §129 Verfahren (Bildung einer kriminellen Vereinigung). Weswegen es dazu kam und was sich daraus im Konkreten ergeben wird, können wir noch nicht sagen. Der Kampf für eine befreite Gesellschaft hat als ständige Begleiterin die Repression der Herrschenden. Unsere Antwort muss Solidarität lauten.

Das bedeutet, dass wir uns auch weiterhin geschlossen gegen staatliche Repression zur Wehr setzen werden. Sei es
– gegen das RL/RAZ/Radikal Verfahren, von dem unsere Zusammenhänge, wie das Netzwerk Freiheit für alle politische Gefangenen und Zusammen
Kämpfen, betroffen sind
– gegen die anderen §129 Verfahren, insbesondere gegen die Verfahren, die sich gegen Linke aus der Türkei und Kurdistan richten,
– oder gegen die Repression wegen sogenannter Straßendelikte.

Solidarität ist unsere Waffe. Nutzen wir sie.

Gefangenen Info
Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen
Soligruppe
Zusammen Kämpfen

Hintergrund des Verfahrens:

8 Beschuldigten aus Berlin, Magdeburg und Stuttgart wird mit Hilfe des §129 vorgeworfen die Revolutionären Aktionszellen bzw. die Revolutionäre Linke gebildet und an der Untergrundzeitschrift Radikal mitgearbeitet zu haben. Laut Durchsuchungsbeschluss soll es sich bei dem RAZ/RL/radikal Konstrukt um eine Nachfolgeorganisation der
„militanten gruppe“ handeln, die von 2009 bis 2011 verschiedene Aktionen, u.a. einer Aktion gegen das Haus der Wirtschaft und eine Patronenverschickung an Innenminister Friedrich und die „Extremismusforscher“ Jesse und Backes, durchgeführt haben. Mit diesen Vorwürfen haben am 22. Mai 2013 in Berlin, Magdeburg und Stuttgart
insgesamt 21 Hausdurchsuchungen stattgefunden. Im Rahmen der Hausdurchsuchungen wurde Oliver Rast, einer der Beschuldigten, der sich aufgrund der Verurteilung im mg-Prozess im offenen Vollzug befand in den geschlossenen Vollzug in die JVA Tegel verlegt. Am 10. September wurde Oliver aus der Haft entlassen. Zu Beginn des Verfahren richtete sich das Verfahren gegen 9 Beschuldigte. Eine der Beschuldigten war Alexandra Kiss, die sich nach langen Versuchen, den Ansprüchen dieser Gesellschaft gerecht zu werden, sich dazu entschieden hat, ihrem Leben am 02. Juni 2014 ein Ende zu setzen.

weitere Infos unter www.soligruppe.blogsport.eu

Quelle: Political-Prisoners

Pressemitteilung der Gefangenen-Gewerkschaft (Deutschland)

Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation (GG/BO)

Sprecher der GG/BO: Oliver Rast / Protokollführer der GG/BO:
Mehmet-Sadik Aykol /
GG-Sprecher der JVA Tegel: Attila-Aziz Genc / GG-Sprecher der JVA
Plötzensee: Hasan Adli /
GG-Sprecher der JVA Willich I und II: André Borris M.á Moussa
Schmitz/ GG-Sprecher der JVA Aschaffenburg: Andreas Krebs /
GG-Sprecher für die Sicherungsverwahrten (SV): Peter-Moritz Fricke

Berlin, 7. August 2014

An Print- und Online-Medien

P R E S S E – E R K L Ä R U N G

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

unserem engagierten GG-Sprecher in der JVA Willich I und II, André
Borris M. á Moussa Schmitz, wurden in den vergangenen vierzehn Tagen
zweimal Unterlagen der Gefangenen-Gewerkschaft /Bundesweite
Organisation (GG/BO) vorenthalten bzw. beschlagnahmt. Als Grund für
diesen Willkürakt wird seitens der JVA-Leitung angegeben, die
GG/BO-Materialien würden die „Sicherheit und Ordnung“ in der Anstalt
gefährden. U.a. wurden mehrere Briefbögen mit GG/BO-Logo eingezogen
und mindestens 10 Exemplare unseres Papiers mit dem Titel „Zur Frage
der Koalitionsfreiheit für Inhaftierte – für volle
Gewerkschaftsrechte hinter Gittern!“ Gegen dieses Vorgehen hat unser
GG-Sprecher Moussa Schmitz Beschwerde und Antrag auf gerichtliche
Entscheidung (§ 109 StVollzG) eingelegt. Wir als GG/BO solidarisieren
uns rundweg mit unserem Kollegen und werden weitere Schritte
einleiten, um diesen Schikanen offensiv entgegenzutreten. Wir fordern
die JVA-Leitung hiermit entschieden auf, jede Einschränkung unserer
legitimen gewerkschaftlichen Tätigkeit in der JVA Willich I und II zu
unterlassen. Als nicht rechtsfähiger Verein nach BGB §§ 54 i.V.m. 21
ist es uns als gefangene Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter
möglich, das im Grundgesetz (Art. 9, Abs. 3) garantierte Recht auf
Koalitionsfreiheit wahrzunehmen. In dem von der Anstalt konfiszierten
GG/BO-Text „Zur Frage der Koalitionsfreiheit für Inhaftierte – für
volle Gewerkschaftsrechte hinter Gittern!“ heißt es abschließend:
„Der wirkungsvollste Selbstschutz unserer Initiative liegt letztlich
darin, wenn wir innerhalb und außerhalb der Knäste unsere
Mitgliederbasis weiter stärken und kein Knast in der Bundesrepublik
mehr ohne Gefangenen-Gewerkschaft ist. Das führt nicht nur zu einem
notwendigen organisatorischen Aufbau der GG/BO, sondern ebenso zu
einem selbstbewussteren Auftreten von Gefangenen, um legitime
Forderungen zu stellen und deren Umsetzung zu erstreiten.“ In diesem
Sinne setzen wir auf einen aktiven und breiten Solidarisierungseffekt
von (Basis-)Gewerkschafterinnen und (Basis-)Gewerkschaftern sowie
Aktivistinnen und Aktivisten von Gefangenenhilfsorganisationen und
Menschenrechtsvereinen, damit sich das solidarischen Band drinnen &
draußen weiter festigen kann!

Oliver Rast
– Sprecher der GG/BO –

Bericht über den Solidaritätshungerstreiks für die griechischen Gefangenen in Deutschland und der Schweiz vom 18-20.7.14

Es beteiligten sich insgesamt 7 Gefangene: Ahmet Düzgün Yüskel, Andreas Krebs,Oliver Rast, R., Sadi Özpolat, Thomas Meyer-Falk sowie Marco Camenisch aus der Schweiz.

Ahmet Düzgün Yüksel

Wegen seiner anwaltlichen Tätigkeit in der Türkei für politische Gefangenen mußte er das Land verlassen und wurde 2007 in der BRD wegen §129b verhaftet. Er war in Stuttgart-Stammheim im Knast und wurde dort auch in dem dortigen Prozessbunker verurteilt.
Nach seiner Haftstrafe war er der Residenzpflicht unterworfen, d.h er durfte sich nur in einem bestimmten Bezirk aufhalten. Er entzog sich dem und wurde in Griechenland verhaftet und wurde im Mai diesen Jahres in die BRD ausgeliefert.
Ihm dort die Auslieferung in die Türkei.

Zum Streik schrieb er: ” Meinen Solistreik konnte ich ohne Probleme durchfführen.”

Adresse:
Ahmet Düzgün Yüksel
Oberhausener Str.30
40472 Ratingen

Andreas Krebs

Er ist Anfang 40 und insgesamt seit über 16 Jahre inhaftiert. Er ist ein rebellische Gefangener und beteiligte sich an diversen Hungerstreiks und versuchte auch 2 mal zu flüchten.
Er hat es im Knast Aschaffenburg erreicht, dass sich über 30 Inhaftierte mit dem Solidaritätsstreik solidarisierten.

„Aber ich bin stolz, wenn es auch nicht VieIe waren, oder vieIIeicht der eine oder andere sich durch das System hat beein?ussen Iassen, dass sich so vieIe trotz der krassen Umstände für einen gemeinsamen soIidarischen Hungerstreik bereit erkIärt haben.

Es zeigt, wenn wir wirklich wollen, dann können wir auch gemeinsam etwas auf die Beine steIIen. Ich bin derzeit über eine weiter Aktion am überIegen und ich würde mich sehr freuen, wenn man auch weiterhin mit einer AnzahI an Inhaftierten rechnen kann.

Zu den griechischen Inhaftierten möchte ich sagen, dass auch wenn uns die Grenzen trennen, wir trotzdem im Geiste bei ihnen sind und sie auf uns zählen können.

Ihr seid nicht aIIein, so wie auch alle anderen auf der ganzen Welt.“

Adresse:
Andreas Krebs
Postfach 1 0 01 41
63701 Aschaffenburg

Marco Camenisch aus der Schweiz, seit über 20 Jahren im Knast, nahm auch am Solidaritätshungerstreik teil:

„Gegen das in diesen Tagen vom faschistischen EU-Muster-Staat Griechenland angenommene repressive Gesetzespaket, das auch die Einrichtung von Hochsicherheitsgefängnissen und weitere Verschärfungen vor allem gegen die kämpferischen Gefangenen vorsieht, nehme ich…. vom 18. – 20.07.’14 angesetzten Soli-Initiative mit den in Griechenland massenweise drinnen und draussen dagegen kämpfenden Menschen teil. …

Schärfen wir sie im gemeinsamen internationalistischen Kampf der freiheitlichen revolutionären Tendenzen und Menschen gegen Repression und Ausbeutung!“

Adresse:
Marco Camenisch
Strafanstalt Bostadel
Postfach 38
CH- 6313 Menzingen

Oliver Rast

Er ist ein Gefangener aus dem mg-Verfahren.

“Die (vorläufige) Aussetzung des Hungerstreiks ist keinesfalls ein Ende des Knastkampfes. Die Gefangenen haben in ihrer Abbruch-Erklärung versichert, dass sie zu „dynamischeren Aktionsformen“ übergehen werden, wenn die Repression im Zusammenhang mit der Etablierung der C-Typ-Trakte zunehmen sollte.

Wir können die rebellischen und politischen Gefangenen sowie die solidarischen AktivistInnen vor den Knasttoren nur darin bestärken, die Vielfalt von Aktionsformen gegen die drohende Isolationsfolter nach dem Vorbild westeuropäischer Iso-Knäste aufrechtzuerhalten.”

Adresse:
Oliver Rast
JVA Tegel
Seidelstr. 39
13507 Berlin

R.

R. hat sich auch an dem Hungerstreik in Solidarität mit den kämpfenden Inhaftierten in Griechenland beteiligt. Er ist in einer forensischen Psychiatrie eingesperrt und hat trotz genereller starker körperlicher Beschwerden das Essen verweigert.

Er schreibt dazu: “[…..] Der Kampf gegen die Tyrannei im Knast, geht über die Meere und Grenzen und Länder hinaus […..] Ich verweigere auch bis zum 21.07.2014 die Nahrung und sehe das als mein Beitrag zum Kampf der revolutionären und widerständigen Gefangenen in den Knästen in Greece.

Habt Mut zu kämpfen – Habt Mut zu siegen – Vive l’Anarchie”

Soli-Grüße, mehr Infomationen oder Kontakt unter: soliwerkstatt@riseup.net

Sadi Özpolat

In einem §129b – Prozess vor dem OLG Düsseldorf wurde Sadi Özpolat Anfang 2012 zu 6 Jahren Haft verurteilt. In der Türkei war Sadi insgesamt 17 Jahre im Knast. Er nahm am Todesfasten 1996 teil und war Anfang des Jahrhunderts Sprecher der hungerstreikenden Gefangenen. In einen bald 7 Jahre andauernden Kampf, der sich gegen die Einführung der Isolationsfolter „Made in Stammheim“ richtete, starben über 122 Menschen.

Sadi wurde am 19. Mai 2010 im französischen Colmar aufgrund eines Festnahmeersuchens der Bundesanwaltschaft festgenommen und im Juli 2010 nach Deutschland ausgewiesen und in den Knast gesteckt.

Er trat mehrere Male in der BRD in den Hungerstreik, um bessere Bedingungen zu erkämpfen.

Er teilte vor kurzem mit:

” Heute ist mein 3.Tag des Solidaritätshungestreiks gegen das neue griechische Gefängnissystem “Typ C”. Es ist meine kleine solidarische Geste an die griechischen Gefangenen.

Mit meinen revolutionären Grüssen”

Adresse:
Sadi Özpolat
Krümmede 3
44791 Bochum

Thomas Meyer – Falk ist ein anarchistischer Red-Skin

“Ich selbst saß 11 Jahre in Isolationshaft (1996-2007) und zur Zeit in „Sicherungsverwahrung“, einer Haftmaßnahme die auf einem Gesetz der Nationalsozialisten vom 24.11.1933 basiert.”

Er schrieb weiter in seiner Solidaritätsadresse:

“Um so schlägt mein Herz für die kämpfenden Genossinnen und Genossen in Griechenland. Es gilt jetzt aufzustehen und auszuharren – nicht nur gegen die neofaschistischen Regierungspläne innerhalb der Knäste, sondern auch die darüber hinaus reichenden Vorhaben zur Unterdrückung derer die sich gegen die erpresserische Politik aus der EU wehren.

Für eine Gesellschaft ohne Knäste!”

Repression:

Nach unseren Informationen konnten die Weggesperrten ungehindert ihre Solidaritätsaktion absolvieren bis auf eine Ausnahme: Andreas Krebs teilte uns dazu mit:

“Am 14. Juli ist der Gefangene Alexey Puchkov in einer Nacht- und Nebelaktion direkt aus dem Arrest in Landshut von der örtlichen Sicherungstruppe gezerrt und durch diese noch im gleichen Augenblick in die JustizvoIIzugsanstaIt Nürnberg, Mannertstraße 6 in 90429 Nürnberg verbracht wurde.

Dort wird er derzeit in Absonderung, also Isolationshaft, gehalten.

Alexey begab sich Anfang voriger Woche erneut wegen der ständig anhaltenden Schikanen und Repressalien des obigen Stellvertreters der JVA in den Hunger- und Durststreik, wo er innerhalb von vier Tagen 7 kg abgenommen hat.

Ihm wird weiter vorgehalten, die anderen russischen Mitgefangenen aufgewiegelt zu haben, wie mit der Unterschriftensammlung und dem Aufruf zum gemeinsamen HS für die griechischen Gefangenen. Noch während er in den HS ging, schlossen sich aIIe russischen u. a. Inhaftierten aus Solidarität seinem HS an. Daher also auch die plötzliche Verlegung in eine andere Haftanstalt mit Absonderung.”

Draußen

In Zürich wurde noch eine Transparentaktion gemacht und wie auf Indymedia zu lesen war, gab es einen militanten Angriff gegen Coca Cola Hellenic in Zug.
In Deutschland tauchte ein Plakat in Solidarität mit den aktuellen (Gefangenen-)Kämpfen gegen die Knastgesellschaft auf.


Ausblick

„Ich sehe in dem Zusammenwirken von rebellischen und politischen Gefangenen eine konkrete Perspektive des Knastkampfes. An zwei Strängen können wir ziehen: zum einen können wir in den Knästen mit der Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft eine Massenbasis schaffen, die sich auf (ökonomische) Tagesforderungen konzentriert, die die Inhaftierten in ihrer Gesamtheit betreffen. Zum anderen können wir als politische, revolutionäre, proletarische und freie Gefangene über eine Organisierung im Rahmen der Roten Hilfe Internationale (RHI) eine Stärkung der internationalen Solidarität unter inhaftierten AktivistInnen verschiedener Organisationen und Befreiungsbewegungen bewirken. Nutzen wir unsere Möglichkeiten der Koordination…

Solidarität mit den kämpfenden Gefangenen und gefangenen GenossInnen in Griechenland!“

Oliver Rast

Quelle: http://political-prisoners.net/item/3052-bericht-ueber-den-solidaritaetshungerstreiks-fuer-die-griechischen-gefangenen-in-deutschland-und-der-schweiz-vom-18-20714.html